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Meeresprogramm mit Fragezeichen

Australien stellt Großteil seiner Küstengewässer unter Schutz / Kritik von Fischern und Umweltschützern

Von Thomas Berger *

In einem ehrgeizigen Vorstoß hat Australien einen Großteil seiner küstennahen Meeresabschnitte unter Schutz gestellt. Der Plan für 44 neue Schutzzonen stößt allerdings bei Fischern wie Umweltschützern auf Kritik.

Die Bekanntgabe des Programms kurz vor beginn des »Rio+20«-Gipfels in Brasilien garantierte Australiens Umweltminister Tony Burke maximale Beachtung. Das beim Klimaschutz eher zurückgebliebene Land will nun zumindest bei der Bewahrung der Artenvielfalt punkten. 27 Gebiete mit gewissem Schutzcharakter hatte es bisher schon gegeben. Jetzt wird diese Zahl mehr als verdoppelt, der Flickenteppich zu einem Band verdichtet, das sich rund um die Landmasse des fünften Kontinents zieht. 3,1 Millionen Quadratkilometer umfasst das geschützte Areal und ist damit fast so groß wie die Gesamtfläche Indiens.

Herzstück der massiv erweiterten Schutzzone sind das Great Barrier Riff vor der Küste von Queensland, das zum UNESCO-Weltnaturerbe gehört, sowie das angrenzende Korallenmeer. Dieses Gebiet zeichnet sich durch eine besonders große biologische Vielfalt aus.

»Das ist eine historische Nachricht«, freute sich Don Henry von der Australian Conservation Foundation im Fernsehsender ABC. Auch andere Umweltaktivisten wie Michelle Grady von der Pew Environment Foundation loben prinzipiell das Projekt. Doch unter die zahlreichen Lobesworte mischt sich sich auch Kritik von Ökogruppen, dass die Einschränkung der wirtschaftlichen Aktivitäten in dem Gebiet nicht ausreichend sei. So wird gerade im Westen Australiens bis unmittelbar an die Grenzen der Nationalparks Erdöl und Erdgas gefördert. »Auf die Offshore-Förderung ist in dem Prozess bislang ungenügend eingegangen worden«, so Aktivist Matthew Collis vom International Fund for Animal Welfare. Viele Öl- und Gasfelder sind auch Lebensraum für Wale und Delfine.

Umweltgruppen werfen Minister Burke vor, beim Schutz im Korallenmeer nur halbe Sachen zu machen, da selbst dort die Fischerei nicht komplett verboten sein wird.

Doch gerade die Fischer laufen Sturm gegen die Entscheidung. Sie Sehen sich in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Es gehe nicht nur um ihn selbst und seine Investition, sondern auch die Familien seiner 20 Angestellten, sagte der im westaustralischen Perth ansässige Fischer Clayton Nelson gegenüber ABC. Etwa ein Drittel machen die Einschränkungen beim Fischfang aus. Im Gespräch ist eine Kompensationszahlung: »Entschädigungen werden von Fall zu Fall zu entscheiden sein«, sagt Burke. Ein echtes Problem dürfte auch die effektive Kontrolle sein. »Wenn wir hier nicht mehr fischen, dann steigt eben der illegale Fischfang durch Ausländer«, äußerte Judy Lynne, Chefin von Sunfish Queensland, gegenüber der Tageszeitung »Sydney Morning Herald« ihre Befürchtung, die auch von anderen geteilt wird.

* Aus: neues deutschland, Montag, 25. Juni 2012


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