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Klimaschutz mit Lücken

Australiens Regierung setzt Steuer auf Kohlendioxid durch

Von Thomas Berger *

Wenige Wochen vor Beginn des UN-Klimagipfels in Südafrika gibt es Bewegung bei einem der großen CO2-Emittenten, der sich bisher allen Klimaschutzanstrengungen verweigert hatte: Australien.

Nach dem Unterhaus des australischen Parlaments hat nun auch der Senat mit knapper Mehrheit einer heftig umstrittenen Kohlendioxid-Steuer zugestimmt. Damit werden die etwa 500 größten Unternehmen des Landes ab Juli nächsten Jahres mit 23 Australischen Dollar (17,50 Euro) pro Tonne CO2-Ausstoß zur Kasse gebeten. Lediglich die regierende Labor Party, die Grünen und unabhängige Abgeordnete gaben dem Gesetzentwurf ihre Zustimmung. Während die Sozialdemokraten dies als »historischen Sieg« feiern, verweigert sich die konservative Opposition dem Vorstoß ohne Wenn und Aber. Ihr Anführer Tony Abbott blieb der Abstimmung im Senat demonstrativ fern. »Wir koppeln unsere Zukunft an ein farbloses, geruchloses Gas - das ist der Gipfel der Dummheit«, wetterte der konservative Senator Barnaby Joyce nach der Abstimmung.

Über ein halbes Jahrzehnt hatte sich die Diskussion über diese Klimaschutzmaßnahme hingezogen. Eine erste richtige Initiative des vormaligen sozialdemokratischen Premiers Kevin Rudd scheiterte am Widerstand im gegnerischen politischen Lager, aber auch aus der Industrie, besonders den mächtigen Bergbaukonzernen, sowie Teilen der Öffentlichkeit. Obwohl selbst bei einigen bürgerlichen Politikern die Einsicht in die Notwendigkeit einer solchen Steuer gereift war - Abbotts Vorgänger Malcolm Turnbull war beinahe soweit gewesen, den Vorstoß mitzutragen -, knickte Rudd ein, wurde dann von einem parteiinternen Putsch aus dem Amt gedrängt und durch seine nun regierende Nachfolgerin Julia Gillard ersetzt. Diese hatte lange herumgeeiert, konnte ihre Planung nun aber letztlich trotz aller Unkenrufe durchsetzen.

Penny Wong, seinerzeit Klimaschutzministerin unter Rudd und heute Leiterin des Finanzressorts, äußerte sich nach der siegreichen Abstimmung in einer Mischung aus Freude und Erleichterung. »Wir akzeptieren die wissenschaftlichen Einschätzungen, wir akzeptieren, dass wir handeln müssen. Den Kohlendioxidausstoß mit einem Preisschild zu versehen, ist nach unserer Meinung der beste Weg«, so die Labor-Politikerin.

So enthusiastisch wie einige Regierungsvertreter sind viele Umweltschützer indes nicht. Zumindest in einem Punkt geben sie den Konservativen recht: Die Besteuerung allein reduziert noch nicht den Ausstoß des wichtigsten Treibhausgases. Das wenig ehrgeizige Nahziel für 2020, auf das sich beide große Parteien einst verständigt hatten, ist eine Reduktion der Emissionen um lediglich fünf Prozent im Vergleich zur Jahrtausendwende. Labor hat nun für 2050 die Vision einer Reduzierung um 80 Prozent ausgegeben, aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Und auch das jetzige Gesetzespaket hat seine Ausnahmen und Schlupflöcher. Etliche Firmen können darauf hoffen, gut neun Zehntel der Steuer wieder erstattet zu bekommen. Konzerne, die ausländische Konkurrenten ohne eine vergleichbare Besteuerung haben, sollen während der ersten vier Jahre finanzielle Unterstützung im Umfang von umgerechnet knapp sieben Milliarden Euro erhalten. Ausgenommen ist auch die gesamte Landwirtschaft. Da Dieselgeneratoren und andere Geräte nun absehbar teurer werden, können auch Privathaushalte mit Steuerentlastungen rechnen.

Anreize für Einsparungen, höhere Energieeffizienz oder gar Verzicht sind damit recht gering. Zwar gewinnen alternative Energieträger wie Solarkraft in »Down Under« an Bedeutung. Doch ist Australien der größte Kohleexporteur und hat gerade wegen seiner Bergbauindustrie eine der höchsten Pro-Kopf-Emissionen bei CO2 weltweit.

* Aus: neues deutschland, 9. November 2011


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