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Teurer Rohstoff

Nachfrage und Spekulation: Rekordgewinne beim australischen Bergbauriesen Rio Tinto resultieren aus Preisanstieg beim Eisenerz

Von Thomas Berger *

Mit einem Gewinn von umgerechnet 7,8 Milliarden US-Dollar hat die an den Börsen von Melbourne und London gelistete Rio Tinto Group im ersten Halbjahr ein Rekordergebnis eingefahren. Einer der größten Bergbaukonzerne der Welt hat damit seinen Profit gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres gleich um stolze 35 Prozent steigern können. Drei Viertel des Zuwachses haben dabei die australischen Eisenerzminen beisteuern können. Auch der Standort Kanada in diesem Segment hat zugelegt. Schaut man genauer hin, wird allerdings sichtbar, daß der Anstieg ausschließlich auf kräftige Preissteigerungen und nicht auf permanent wachsenden Absatz zurückzuführen ist. Die Fördermenge in Australien ist sogar zurückgegangen –was auch eine Auswirkung der Überschwemmungen im nordöstlichen Bundesstaat Queensland zu Jahresbeginn ist, die den Bergbauunternehmen massive Probleme bereitet hatte. Nicht nur Förderanlagen standen zeitweise unter Wasser oder waren zumindest bedroht, sondern auch die Infrastruktur zum Transport von Kohle und Erzen war weggeschwemmt oder beschädigt worden.

Hauptabnehmer China

Die Rückgänge im Nordosten des Landes hat Rio Tinto allerdings durch leichtes Wachstum in der Pilbara-Region (Western Australia) ausgleichen können. Zudem kommt dem Konzern wie auch seinen Konkurrenten die weiterhin hohe Nachfrage zupaß, die vor allem von China gestützt wird. Die Wirtschaft der Volksrepublik ist schon seit einigen Jahren Hauptabnehmer für australische Bodenschätze. Bei Rio Tinto zeichnen asiatische Kunden für 60 Prozent des Umsatzes verantwortlich, nur ein Viertel des Geschäfts entfällt noch auf die USA und Europa. Besonders Eisenerz hat sich auf dem Weltmarkt spürbar verteuert. Bei durchschnittlich 156 Dollar pro Tonne lag der Preis im ersten Halbjahr 2011, während er sich ein Jahr zuvor noch auf dem Niveau von 110 Dollar bewegt hatte. Dies ist nicht zuletzt auch ein Resultat der Spekulation. Dank billigem Zentralbankgeld in den USA und Westeuropa war den Banken und Fonds nicht zuletzt der Rohstoffsektor als lohnender Anlageplatz erschienen.

Rio Tinto will mit den Rekorderlösen vor allem den ohnehin geplanten Rückkauf eigener Aktien forcieren. Der soll nicht nur schneller als geplant über die Bühne gehen und statt am Jahresende 2012 bereits im ersten Quartal abgeschlossen werden. Auch die vorgesehene Gesamtsumme wird von fünf auf sieben Milliarden Dollar aufgestockt. Drei Milliarden davon sind bereits in das Vorhaben geflossen. Dies ist eine derzeit beliebte Maßnahme von Konzernen, ihrer Überschüsse zu verwerten. (Im Prinzip vermindert der Aktienrückkauf das nominale Eigenkapital, erhöht aber den Wert/Preis der im Besitz der Aktionäre verbliebenen Anteilsscheine und wirkt für diese wie ein Sonderprofit; d. Red.)

Wette auf Konjunktur

Die aktuellen Zahlen sagen nicht nur etwas über den anglo-australischen Konzern, sondern auch viel über die Branche und die globale Entwicklungen aus. Rio Tinto, dessen Erzrivale BHP Billiton (ebenfalls GB/Austra­lien) und andere Rohstoffmultis glauben, sich über ihre Gewinne in nächster Zeit kaum Sorgen machen zu müssen. Voraussetzung dafür ist jedoch, daß die hohe Nachfrage anhält –was bereits im Falle einer möglichen US-Rezession in Frage gestellt wäre.

Zwar ist der Übernahmepoker zwischen den beiden Giganten derzeit vom Tisch, doch deutet vieles auf weitere Konzentrationsprozesse in der Branche hin. Ähnlich wie z. B. in der Stahlbranche, die global ebenso durch wenige Riesenkonzerne dominiert wird, werden auch beim Bergbau immer mehr mittelgroße Unternehmen von den Marktführern aufgekauft.

Im Visier der Multis sind aber nicht nur Konkurrenten. Auch die Erschließung immer neuer Lagerstätten besitzt einen hohen Stellenwert. Die Riesen BHP und Rio Tinto müssen sich langfristig Fördermöglichkeiten sichern, auch wenn mit der tatsächlichen Hebung der im Boden liegenden Schätze erst in einigen Jahren begonnen wird.

* Aus: junge Welt, 9. August 2011


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