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Gesetz gegen Flüchtlinge

Australien: Regierung und Opposition einigen sich auf fragwürdige Neuregelung der Asylpolitik

Von Thomas Berger *

Australiens große Parteien haben sich auf eine Neuregelung bei der Asylpolitik verständigt. Der nach Konsultationen zwischen der sozialdemokratischen Labor-Regierung von Premierministerin Julia Gillard und der konservativen Opposition noch einmal abgeänderte Gesetzentwurf passierte am Mittwoch mit breiter Mehrheit das Unterhaus des Parlaments. Auch im Senat, der zweiten Kammer, die bis Ende der Woche entscheidet, gilt die Zustimmung als sicher. Im Kern geht es um ein Zurück zu einer Praxis, die bis vor fünf Jahren in Kraft war: Flüchtlinge, die per Boot in Australien eintreffen, können in Lagern jenseits der Staatsgrenzen interniert werden. In diesen sogenannten »Bearbeitungszentren« wird dann über ihre Asylanträge entschieden. Wie aus Regierungskreisen in Canberra verlautete, könnten die früheren Einrichtungen auf dem winzigen Inselstaat Nauru sowie dem zu Papua-Neuguinea gehörenden Manus Island schon binnen ein bis zwei Monaten wiedereröffnet werden. Eine weitere Vereinbarung ist mit Malaysia geplant.

Australien reagiert mit dem Beschluß auf die abermalige Verschärfung der Flüchtlingskrise an seinen Küsten. Allein letztes Wochenende gab es 170 Neuankömmlinge. Damit steigt die Zahl der bisher dieses Jahr auf dem Seeweg eingetroffenen Asylsuchenden auf insgesamt 7629 Menschen, die in 114 Booten kamen. Das ist gegenüber den 4565 Flüchtlingen im Vorjahr sowie den 6536 im Jahr 2010 ein neuer Rekordwert, der allein in siebeneinhalb Monaten erreicht wurde. Wichtigste Herkunftsstaaten sind nach wie vor Afghanistan, Sri Lanka und der Iran.

Mit den steigenden Flüchtlingszahlen einher geht eine Zunahme der Katastrophen. Allein Ende Juni waren zwei Boote gekentert, was mehr als 100 Menschenleben forderte. Seit 2009 sind Schätzungen zufolge rund 600 Flüchtlinge bei der gefährlichen Überfahrt in oft kaum seetüchtigen und überfüllten Fahrzeugen umgekommen. Derzeit wird ein in Indonesien gestartetes Boot mit 67 Insassen vermißt – sie könnten im schlimmsten Fall die Todesstatistik weiter steigen lassen.

Es war die Labor Party, die unter Gillards Amtsvorgänger Kevin Rudd nach dem Machtwechsel 2007 die Lager endgültig geschlossen hatte und damit die vom konservativen Expremier John Howard eingeführte »pazifische Lösung« in dieser Form beendete. Bis hin in höchste UN-Kreise und internationale Menschenrechtsorganisationen hinein waren die Zustände in den beiden Einrichtungen auf Manus Island und vor allem auf Nauru scharf kritisiert worden. Daß nun eine Labor-Regierung in einer 180-Grad-Wende quasi zum alten System zurückkehrt, läßt Oppositionsführer Tony Abbott und seine Getreuen frohlocken. Da Gillard im Senat eine eigene Mehrheit fehlt und die Urfassung des Gesetzes im Juni gescheitert war, hat der Chef des Bündnisses aus Liberaler und Nationaler Partei den Sozialdemokraten nun noch einige Zugeständnisse an weiteren Verschärfungen abgerungen. So sollen künftig Flüchtlingsboote, so diese als sicher eingestuft werde, auch zurückgeschickt werden dürfen.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 16. August 2012


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