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Australiens Polizei jagt Aborigines

Parlament sorgt sich um hohe Inhaftierungsraten

Von Maria Röckmann, Brisbane *

Jugendliche Aborigines, die Ureinwohner Australiens, und die nicht mit ihnen verwandten Torres-Strait-Islander auf den gleichnamigen Inseln werden 28mal häufiger in Polizeigewahrsam genommen als ihre nicht indigenen Altersgenossen. Zu diesem Ergebnis kommt eine kürzlich veröffentlichte Studie eines Untersuchungsausschusses des australischen Parlaments. Die Kommission zeigte sich zudem besorgt über die überdurchschnittlich hohen Inhaftierungsraten der indigenen Bevölkerung insgesamt, die 14mal öfter als andere Australier zu Freiheitsstrafen verurteilt wird. Obwohl die Indigenen nur etwa 2,5 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, stellen sie etwa ein Viertel aller Häftlinge. In den letzten zwölf Jahren sind die ohnehin schon hohen Inhaftierungsraten sogar noch um 50 Prozent angestiegen.

Der Ausschuß sieht die Ursachen dafür in den sozialen Umständen, unter denen die indigenen Jugendlichen leben müssen, aber auch im Justizwesen selbst. So stellt der Bericht einen Zusammenhang zwischen sozialer Benachteiligung und damit einhergehenden ungleichen Bildungschancen und Arbeitslosigkeit fest. Schuld sei aber auch das höhere Polizeiaufgebot in vielen indigenen Gemeinden, durch das Jugendliche häufiger auch wegen geringer Vergehen festgenommen werden. Für Aufruhr hatte Ende 2009 beispielsweise der Fall eines zwölfjährigen Jungen gesorgt, der sich vor Gericht dafür verantworten mußte, daß er von einem Freund einen gestohlenen Schokoladenriegel im Wert von umgerechnet 50 Eurocent erhalten hatte. Diese Anklage wurde allerdings in Folge des öffentlichen Skandals zurückgezogen.

Rassismus sei die Wurzel des Problems, kommentiert der Journalist Chris Graham, ein Experte für indigene Angelegenheiten. Das Justizwesen benachteilige Aborigines und Torres-Strait-Islander, da kulturelle Unterschiede nicht berücksichtigt würden. »Es werden immer wieder Kampagnen zur Herstellung öffentlicher Ordnung ins Leben gerufen. Diese zielen auf Menschen ab, die auf der Straße Alkohol trinken. Aborigines treffen sich jedoch aus kulturellen und finanziellen Gründen häufiger auf öffentlichen Plätzen statt in der Kneipe, und werden deshalb oftmals verhaftet.« Dies sei um so dramatischer, da es immer wieder Todesfälle von Indigenen in Polizeigewahrsam gab, die teilweise nie aufgeklärt wurden.

Schon 1991 hatte eine Kommission deshalb festgestellt, daß die Zahl der Inhaftierungen von Indigenen unverhältnismäßig hoch sei. Schon damals kam die Kommission zu ähnlichen Schlußfolgerungen wie der Ausschuß in diesem Jahr. Trotz über 300 Verbesserungsvorschlägen hat sich seither jedoch nichts geändert. Die Situation hat sich statt dessen von Jahr zu Jahr verschlechtert.

* Aus: junge Welt, 6. September 2011


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