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Enttäuschte Aborigines

Australien: Lage der Ureinwohner hat sich unter neuem Premier kaum verbessert

Von Thomas Berger *

Ein Jahr ist es her, daß sich Kevin Rudd bei den Aborigines entschuldigte – es war das erste Mal, daß ein Premierminister offi­ziell anerkannte, daß die weiße Mehrheitsgesellschaft den Ureinwohnern gegenüber Jahrzehnte lang Verbrechen verübt hat, indem zum Beispiel Kinder zwangsweise ihren Eltern weggenommen, zur Adoption an Weiße freigegeben oder in berüchtigte Heime gesteckt wurden. Bei den Angehörigen dieser »gestohlenen Generationen«, aber auch den meisten anderen Aborigines hatte die Rede seinerzeit viel Zuspruch ausgelöst. Inzwischen ist die positive Resonanz aber weitgehend verflogen, denn in der Praxis hat sich an der miserablen Lage vieler Ureinwohner nicht das Geringste verändert.

Schon der Regierungschef selbst ist in seinem am Donnerstag vorgelegten Fortschrittsbericht alles andere als enthusiastisch bezüglich dessen, was in dem einen Jahr erreicht wurde. Verbesserungen bei Wohnsituation, Gesundheit und Sicherheit seien feststellbar, so der Sozialdemokrat. Was in Jahrzehnten schief gelaufen sei oder versäumt wurde, könne jedoch »nicht über Nacht behoben werden«.

Bereits im Vorfeld des Reports hatte es teils heftige Kritik von Fachleuten und Aboriginesvertretern gegeben. Michael Mansell, Leiter des Aboriginal Centre auf der Insel Tasmanien und bekannt für klare Worte, kritisierte den Premier: »Es gibt keine Landrechte für die Enteigneten, keine Entschädigung für die Mitglieder der gestohlenen Generationen, keine Verbesserung im Gesundheitsbereich, und die Zahl der Ureinwohner in den Gefängnissen wächst weiter.«

So ist es der Regierung nicht gelungen, die Schere bei der Lebenserwartung zu verringern, die bei Ureinwohnern um 17 Jahre unter der von Weißen liegt. Auch im Bildungssektor hat es keine erkennbaren Fortschritte gegeben. Noel Pearson, ein Aborigines-Aktivist, erklärte, selbst in großen Städten könnten 15 Prozent der jungen Aborigines keine Bildungseinrichtung besuchen. In ländlichen Gegenden liege die Schulbesuchsrate sogar nur bei 30 bis 60 Prozent. Die wenig ehrgeizigen Ziele der Regierung besagen, den Bildungsrückstand zu weißen Kindern bei den Unter-Zwölfjährigen bis 2018 halbieren zu wollen.

* Aus: junge Welt, 28. Februar 2009


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