Kahlschlag für Reifenindustrie
In Südostasien bedroht stetiger Zuwachs an Kautschukplantagen geschützte Waldgebiete
Von Thomas Berger *
Die rapide Erweiterung des Kautschukanbaus auf dem südostasiatischen Festland und im Süden Chinas bedroht dort die letzten natürlichen Waldbestände. In den vergangenen Jahrzehnten, unterstreicht eine neue Studie, hat sich der Raubbau in enormen Größenordnungen fortgesetzt. Hauptsächlich leiden unter der Last der Entwaldung nunmehr Myanmar, Kambodscha und Laos, die ärmsten Länder der Region, während Unternehmen aus Vietnam, Thailand, China und Malaysia die Nutznießer der Entwicklung sind.
Auszüge aus der Studie, die in der Septemberausgabe des Journals Global Environmental Change publiziert werden soll, veröffentlichte jetzt bereits die größte kambodschanische Zeitung Phnom Penh Post. Kambodscha, heißt es in dem Beitrag, habe mehr als jeder andere Staat in der Region zu leiden: Bis 2020 werden dort den Prognosen zufolge rund 2.500 Quadratkilometer geschützter Naturwald, eine Fläche von der Größe Luxemburgs, dem Kahlschlag zugunsten neuer Kautschukplantagen zum Opfer fallen. Im benachbarten Vietnam wird davon ausgegangen, dass 1.900 Quadratkilometer Waldgebiete mit enormer Artenvielfalt gefährdet sind.
97 Prozent des zur Gummiherstellung, gerade für die Reifenindustrie, benötigten Kautschuks kommen aus dem südostasiatischen Raum. Dort liegt das traditionelle Vorkommen der Pflanzen in einem begrenzten Gürtel jeweils bis zu zehn Breitengrade nördlich und südlich des Äquators. Inzwischen sind die Kautschukplantagen längst von einzelnen Regionen über das gesamte Staatsgebiet vorgerückt. Dass die Erträge dort in aller Regel weitaus niedriger ausfallen, weil die Standortbedingungen nicht ideal sind, wie Wissenschaftler betonen, stört die Investoren nicht. Ausreichend Profit können diese in der Gesamtrechnung immer noch herausholen. Denn eine weitere Tendenz ist nur allzu offensichtlich: Statt Kautschuk traditionell eher im Mischbestand mit anderen Bäumen anzubauen, wächst das lukrative Gut nun fast überall in riesigen Monokulturen heran.
Staatliche Stellen stehen diesen Entwicklungen nicht im Wege, im Gegenteil. Allein in Kambodscha verfolgt das Landwirtschaftsministerium ganz offiziell Pläne, bis Ende dieses Jahres Kautschuk auf insgesamt 800.000 Hektar (8.000 Quadratkilometer) anzubauen – eine Verachtfachung der Fläche in einem Jahrzehnt. Beim nördlichen Nachbarn Laos, prinzipiell noch weniger geeignet, gehen die Prognosen verschiedener Wissenschaftlerteams von einer Verdopplung der aktuell rund 150.000 Hektar im nächsten Jahrzehnt aus.
Längst stellt Kautschuk eine immense Bedrohung der Biodiversität dar. Es sind mehr als die Unkenrufe eine kleinen Minderheit, wenn Experten und Umweltschützer davor warnen, dass sich die Gesamtanbaufläche bis 2050 gegenüber heute noch einmal vervierfachen könnte, sollte dem kein Riegel vorgeschoben werden.
Nicht nur Artenschutzfragen spielen eine Rolle, auch frühere Bewohner der Gebiete werden mit bestenfalls minimaler Entschädigung vertrieben. Schon vor zwei Jahren hatte die Organisation Global Witness den beiden größten vietnamesischen Unternehmen Vietnam Rubber Group (Bündnis von 22 Staatsbetrieben) und der privaten Hoang Anh Gia Lai (HAGL) »Landgrabbing« in den Nachbarländern Kambodscha und Laos vorgeworfen. Pikant waren in diesem Zusammenhang auch die Enthüllungen zu den Finanziers, die hinter diesem Vordringen stehen. So unterhalte die Deutsche Bank intensive Verbindungen zu beiden Firmen, auch habe IFC (eine Abteilung der Weltbank) massiv in HAGL investiert.
* Aus: junge Welt, Dienstag, 28. Juli 2015
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