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Zentralasien: Karten werden neu gemischt

Von Dmitri Kossyrew *

Bei seinem ersten Usbekistan-Besuch als Präsident hat Dmitri Medwedew kaum Abkommen schließen können. Das spiegelt jedoch in keinem Maß die Tatsache wider, dass in der globalen Zentralasien-Politik rasante Umwälzungen bevorstehen.

Nicht von ungefähr rückte Usbekistans Präsident Islam Karimow die Unterzeichnung der Abkommen in den Hintergrund und betonte in seiner Unterredung mit dem russischen Amtskollegen: "Die Welt verändert sich, und die Welt verändert sich sehr schnell, es verändert sich das Kräfteverhältnis, es verändern sich die Akzente und Orientierungspunkte."

Diese Veränderungen müsse Russland "als das Land, das in dieser Region stets präsent war, das Land, das hier die Politik und das Kräfteverhältnis bestimmte", nicht nur spüren, sondern auch lenken.

Der eigentliche Grund ist hier vor allem die Absicht des neuen US-Präsidenten Barack Obama, die Operation im Irak zu beenden, die in Afghanistan dagegen zu verstärken - faktisch an der Grenze zu dem Land, das Medwedew besucht hat.

Afghanistan ist ein globales Problem. Zudem liegt Russland geographisch diesem Problem näher als die USA. Deshalb lässt sich auf die direkte Frage, ob sich der Ausbau der US-Operation in Afghanistan für Russland und die regionalen Staaten von Vorteil sei, die direkte und einfache Antwort geben: Ja. Das könnte - vorläufig theoretisch - die gesamte Situation um Russlands Politik in dieser Region verändern.

Es hat wenig Sinn, Moskaus gesamte Unternehmungen in Zentralasien auf die Verdrängung der Amerikaner um jeden Preis zurückzuführen. Allein schon deshalb, weil sich der Preis als zu hoch erweisen könnte. Einige Partner Russlands in der Region können eine solche primitiv aufgefasste russisch-amerikanische Rivalität ausnutzen und regelmäßig einige Vorteile von beiden Seiten für sich herausziehen. Ohne hierbei natürlich eine Seite davon endgültig zu "verdrängen", denn das wäre das Ende des Spiels.

Die in den 2000er Jahren eingeleitete aktive Zentralasien-Politik Moskaus setzte nie eine bedingungslose Verdrängung der Amerikaner voraus. Sie ging von den Hoffnungen auf eine konkrete Partnerschaft mit ihnen aus. Unter anderem deshalb, weil die Usbeken, Tadschiken, Kasachen und Kirgisen ihrerseits eine einseitige Dominanz der Russen, der Chinesen oder der Amerikaner bei sich niemals zulassen werden. Sie brauchen alle. Das ist insbesondere die Philosophie der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ).

Später aber bestraften die USA sich selbst, als sie versuchten, in Zentralasien das zu tun, was sie in Georgien und der Ukraine getan haben: die bestehenden Regierungen zu stürzen und stattdessen schwache, inkompetente, dafür aber proamerikanischen Protagonisten an die Macht zu bringen. Nach diesem missglückten Versuch hätte Amerika seinen Einfluss in der Region eigentlich abschreiben müssen. Doch die USA werden zurückkehren, wenn sie eine kluge Politik verfolgen. Das wird in Russland begrüßt: Eine neue und kluge Afghanistan-Politik bietet eine Chance dafür.

Aufgrund der Ergebnisse von Medwedews Taschkent-Besuch haben die Präsidenten von Usbekistan und Russland vorgeschlagen, unter der Schirmherrschaft der SOZ eine internationale Konferenz zu Afghanistan abzuhalten. Niemand hat übrigens behauptet, dass die Amerikaner dort nicht vertreten sein dürfen - ganz im Gegenteil.

Gewiss, in Russland und den Hauptstädten in Zentralasien gab und gibt es viele Menschen, die es vorziehen, nicht so sehr den Worten der neuen Administration Glauben zu schenken, als vielmehr die Handlungen der alten nicht zu vergessen. Das Obama-Team darf sie ebenfalls nicht vergessen.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 23. Januar 2009



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