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Monsun bringt viel Leid nach Südasien

Bislang über 1400 Tote in Indien, Bangladesch und Nepal; vielerorts droht Seuchengefahr

Von Hilmar König, Delhi *

Die seit Jahren schwersten Gewitterstürme mit Regen und Überschwemmungen in Südasien fordern immer mehr Opfer. Über 1400 Menschen kamen dabei bislang ums Leben, davon allein in den letzten elf Tagen 250.

Unzählige Obdachlose übernachten seit Tagen im Freien oder in Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden. Es fehlt an sauberem Trinkwasser, sanitären Einrichtungen, Nahrung, Plastikplanen, Decken, Haushaltsutensilien und Medikamenten. Das UNO-Kinderhilfswerk UNICEF befürchtet den Ausbruch von Krankheiten wie schwerem Durchfall bei Kindern, Atemwegsinfektionen und Hautkrankheiten. Aus Bangladesch werden bereits zahlreiche Todesfälle in Folge von Schlangenbissen gemeldet.

»Die Situation in den Hochwassergebieten wird insbesondere für die Kinder immer kritischer«, sagte der stellvertretende Leiter von UNICEF Indien, Eimar Barr. »Das Ausmaß der Naturkatastrophe ist enorm. Die bisherige Hilfe reicht nicht aus.«

Insgesamt haben exzessive Niederschläge verheerende Folgen für mindestens 35 Millionen Bewohner des südasiatischen Subkontinents gehabt.

In Indien sind gegenwärtig vor allem das nordöstliche Assam sowie Bihar und Uttar Pradesh betroffen. In Bihar starben nach Medienberichten vom Samstag acht Dorfbewohner, als bei einem Rettungsversuch am Vorabend zwei Boote kenterten. Im benachbarten Bundesstaat Uttar Pradesh ertranken acht Menschen, zwei weitere starben, als ein Haus einstürzte. In Assam kamen über das Wochenende 23 Menschen in den Fluten ums Leben. 117 000 Bürger fanden Unterkunft in 523 Notlagern. 5,5 Millionen mussten ihre Siedlungen verlassen. Bei den drei Hauptflüssen stieg der Pegel über die Gefahrenmarke. Auf 344 000 Hektar Ackerland wurde die Ernte zerstört. 5326 Dörfer sind überflutet. Der berühmte Kaziranga-Nationalpark mit der weltgrößten Nashorn-Population steht zu 80 Prozent unter Wasser.

In Uttar Pradesch sind 5,5 Millionen Bewohner in 25 der 27 Distrikte betroffen. Sie versuchen irgendwie, mit der katastrophalen Lage fertig zu werden. In Bihar brachen auf einer Länge von 17 Metern die Uferbefestigungen des Flusses Burhi Gandak, was eine bis zu vier Meter hohe Flutwelle auslöste. 65 000 Menschen in 200 Dörfern mussten ihre Häuser verlassen. Über die Zahl der in den Fluten Umgekommenen konnten die Behörden noch keine Auskunft geben.

Armee und Luftwaffe sind seit Tagen mit Rettung und Versorgung in Not Geratener befasst. Eine einstürzende Brücke begrub fünf Menschen unter sich. Laut offiziellen Angaben leiden allein in diesem Unionsstaat zehn Millionen Menschen in 17 Distrikten unter dem Hochwasser und dessen Folgen. 70 000 Häuser wurden bisher zerstört oder so beschädigt, dass sie unbewohnbar sind. Als am Freitag Bihars Baubehörde einen Eisenbahndamm sprengen wollte, um dem Hochwasser in der Stadt Madhubani einen Abfluss zu verschaffen, leisteten Einwohner des Dorfes Chakdah energischen Widerstand, weil sie eine Überflutung ihrer Behausungen befürchteten. Bei den Auseinandersetzungen mit der Polizei wurde ein Dörfler erschossen und 20 Personen wurden verletzt.

Aus allen drei Unionsstaaten meldeten Krankenhäuser einen Ansturm von Patienten, die an fieberhaften Infekten, Durchfällen und durch verschmutztes Wasser verursachten Erkrankungen leiden.

In Bangladesch melden 38 von 64 Distrikten Land unter. Sieben Millionen Menschen sind betroffen, über 200 kamen bisher ums Leben, davon allein im Verlauf der letzten Woche 81. Mindestens 270 000 Bangladeschi wurden obdachlos. Auf 2,5 Millionen Hektar wurde die Ernte, überwiegend des Grundnahrungsmittels Reis, vernichtet. 2500 Kilometer Straßen wurden beschädigt. Auch in Nepal sind weite Gebiete in der südlichen Terai-Region nach anhaltenden Niederschlägen überschwemmt. An verschiedenen Stellen kam es zu Erdrutschen. 91 Tote sind zu beklagen.

* Aus: Neues Deutschland, 6. August 2007

UNICEF ruft zu Spenden auf:

Spendenkonto 300 000, Bank für Sozialwirtschaft Köln: BLZ 370 205 00;
Stichwort: Fluthilfe;



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Indien und Nepal geben sich gegenseitig Schuld für Flutkatastrophe in Südasien

Kathmandu/Dhaka. Die Regierungen in Indien und Nepal haben sich am Montag gegenseitig für die schlimmste Flutkatastrophe in Südasien seit Jahrzehnten verantwortlich gemacht. Der Regierungschef des am schwersten betroffenen indischen Bundesstaats Bihar, Nitish Kumar, warf dem Nachbarland vor, trotz mehrmaliger Aufforderungen seit Jahren nichts gegen die Überflutungen der Flüsse aus dem Himalaya zu unternehmen. Das nepalesische Außenministerium vertrat dagegen die Auffassung, der Damm im indischen Laxmanpur trage Mitschuld am Ausmaß der Überflutungen. Der Sprecher des Außenministeriums, Arjun Bahadur Thapa, sagte in Kathmandu, ein Grund für das Ausmaß der Überflutungen sei auch, daß Indien seine Dämme an der Grenze geschlossen gehalten habe.

Von den Überschwemmungen nach den heftigsten Monsunregen seit rund 30 Jahren sind laut dem Kinderhilfswerk UNICEF rund 25 Millionen Menschen in Indien, Nepal und Bangladesch betroffen, mehr als 1400 Menschen starben bisher. Tausende Dörfer stehen unter Wasser, den Menschen fehlt es oftmals am Nötigsten. Am Montag ließ der Regen zwar weiter nach. Doch angesichts der anhaltenden Wassermassen, die aus dem Himalaya herangespült werden, rechneten die Behörden nicht mit einer raschen Entschärfung der Lage. UNICEF warnte vor einer Ausbreitung von gefährlichen Durchfall- und Infektionskrankheiten, insbesondere bei Kindern. Das Foto zeigt Einwohner auf den überfluteten Straßen von Sirajgonj in Bangladesch.

Aus: junge Welt, 7. August 2007




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