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Friede über dem Südchinesischen Meer?

ASEAN strebt Einigung mit China an

Von Daniel Kestenholz, Bangkok *

Das von mehreren Nationen beanspruchte Südchinesische Meer gilt als einer der größten potenziellen Konfliktherde Asiens. Jetzt hat sich China offenbar bereit erklärt, einem vom südostasiatischen Staatenbund ASEAN ausgearbeiteten Verhaltenskodex für die Region zuzustimmen. Das jedenfalls beteuert die ASEAN vor ihrem Jahresgipfel in Phnom Penh.

Die ASEAN, der zehn südostasiatische Staaten angehören, will bei ihrem Jahrestreffen in Kambodschas Hauptstadt von China eine »Verhaltensdeklaration« unterschrieben haben. Die Volksrepublik gehört dem Staatenbund nicht an, ist aber für dessen sämtliche Mitglieder von wachsender Bedeutung, sowohl wirtschaftlich als auch sicherheitspolitisch. Laut dem chinesischen Außenamtssprecher Liu Weimin ist das Südchinesische Meer allerdings »kein Thema zwischen China und ASEAN, sondern zwischen China und ein paar ASEAN-Staaten«. Gemeint sind jene Anrainer des Meeres, die selbst Ansprüche auf Inselgruppen oder Zonen in den fischreichen Gewässern stellen, unter denen zudem reiche Öl- und Gasvorkommen vermutet werden. Peking betrachtet praktisch das gesamte Südchinesische Meer als sein Eigen seit Jahrhunderten, darunter Inseln, die viel weiter von seinem Festland entfernt liegen als beispielsweise von Vietnam, den Philippinen, Malaysia und Brunei. Auch ASEAN-Nichtmitglied Taiwan hat seine Flagge über einem kleinen Archipel aufgezogen. Am 21. Juni erst hat Peking die Kleinstadt Sansha auf der Insel Yongxing offiziell zur Verwaltungshauptstadt für die auch von anderen beanspruchten Inselgebiete erhoben, um seinen Rechtsstandpunkt zu zementieren.

Bei den meisten »Inseln« handelt es sich um unbewohnbare Felsen, Riffs und Atolle. Das wirtschaftliche Potenzial, das unter dem Meeresboden schlummern soll, ist keineswegs erwiesen. Doch Pekings flächendeckende Ansprüche haben die Region schon mehrfach an den Rand kriegsähnlicher Szenen getrieben. Durch Scharmützel zwischen China und Vietnam wurden die Spratly-Inseln bekannt, Eklats zwischen China und den Philippinen folgten. Manila erklärte die Spannungen gar zur Staatskrise. Beiderseits des Meeres wurden ultrapatriotische Töne angeschlagen, die mittlerweile jedoch wieder verebbt sind.

Die ASEAN hofft den Konfliktherd zu entschärfen, Pekings Sprecher Liu warnte aber davor, die beiderseitigen Beziehungen durch Hervorhebung des Problems »zur Geisel zu nehmen«. Man bespreche das Thema gerne innerhalb von ASEAN, verbitte sich aber, dass es beim erweiterte ASEAN-Regionalforum (ARF) am Donnerstag behandelt wird, bei dem auch die Außenminister der USA und Japans mit am Tisch sitzen. US-Außenministerin Hillary Clinton wollte sich von chinesischen Protesten jedoch nicht hindern lassen, die Sache aufzugreifen.

Aus Phnom Penh hieß es zuletzt zuversichtlich, dass Peking zugestimmt habe, einen gemeinsamen »Code of Conduct« zu diskutieren, man habe sich bereits auf »Schlüsselelemente« geeinigt. Diese Elemente wurden jedoch nicht genauer ausgeführt.

Chinas Botschaft in Kambodscha bestätigte die Bereitschaft, mittels »informeller Gespräche gemeinsam einen Verhaltenskodex für das Südchinesische Meer zu formulieren«. Die Betonung liegt wohl auf dem Wort »informell«. Es ist unwahrscheinlich, dass sich das mächtige China von der ASEAN vorschreiben lässt, welche Politik es in »seinen« Gewässern zu verfolgen hat. Es dürfte seine Unterschrift wohl allenfalls unter ein symbolisches Dokument setzen.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 12. Juli 2012

ASEAN-Gipfel endet ohne Abschlusserklärung

Streit um das Südchinesische Meer **

Wegen des Streits um das Südchinesische Meer ist erstmals ein Gipfel der südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN ohne Abschlusserklärung zu Ende gegangen. Den seit Montag in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh versammelten Außenministern der zehn ASEAN-Mitgliedstaaten gelang es bis Freitag nicht, sich auf einen gemeinsamen Text zu einigen. Während Nichtmitglied China das Treffen als »produktiv« bezeichnete, beklagten die Philippinen und Indonesien das Scheitern.

Manila kritisierte insbesondere, dass Kambodscha als Gastgeber das Ziel der Gemeinschaft unterminiert habe, Probleme gemeinsam statt auf bilaterale Weise zu lösen, wie Peking dies im Fall des ressourcenreichen Südchinesischen Meers fordert.

Die Philippinen klagen, Kambodscha als Verbündeter Chinas habe verhindert, dass in einer Abschlusserklärung die bewaffnete Konfrontation zwischen China und den Philippinen um das Scarborough-Riff im vergangenen Monat erwähnt wird. Teile des Meeresgebiets sind zwischen China und Brunei, Malaysia, Vietnam, Taiwan und den Philippinen umstritten. China beansprucht traditionell fast das gesamte Südchinesische Meer für sich.

** Aus: neues deutschland, Samstag, 14. Juli 2012




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