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USA nur Beifahrer

China dominiert Gipfel der asiatisch-pazifischen Wirtschaftskooperation und setzt neue finanzielle Impulse. Präsident Obama blieb wegen »Shutdown« zu Hause

Von Wolfgang Pomrehn *

Auf der indonesischen Insel Bali haben sich am Montag und Dienstag die Staats- und Regierungschefs der Pazifikanrainer zum sogenannten APEC-Gipfel getroffen. APEC steht für Asia Pacific Economic Cooperation, Asiatisch-Pazifische Wirtschaftszusammenarbeit. So ziemlich alle größeren Volkswirtschaften Ost­asiens, Ozeaniens und Amerikas waren durch ihre Regierungsspitzen vertreten. Nur einer fehlte: US-Präsident Barack Obama hatte wegen der Haushaltssperre und dem damit verbundenen partiellen Stillstand seiner Administration (»Shutdown«) in seinem Land die Teilnahme wie auch weitere in diesem Zusammenhang geplante Staatsbesuche abgesagt. Eine für die scheidende Supermacht äußerst blamable Situation, die ihre in den letzten Jahren neu aktivierte Einkreisungspolitik gegenüber China der Lächerlichkeit preisgab.

Peking versucht indes, auf Zeit zu spielen, indem es den Streit um Inselgruppen im Südchinesischen Meer, der die Beziehungen mit einigen Nachbarländern belastet, durch den verstärkten Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen kompensiert. Chinas neuer Präsident Xi Jinping tourte im Vorfeld des APEC-Gipfels durch einige südostasiatische Länder. In Indonesiens Hauptstadt Jakarta sprach er als erstes ausländisches Staatsoberhaupt vor dem dortigen Parlament. Im Gepäck hatte er das Versprechen, die Volksrepublik würde in den nächsten Jahren eine Billion chinesischer Yuan (umgerechnet etwa 120 Milliarden Euro) in die indonesische Wirtschaft investieren. Meist handelt es sich dabei allerdings um Rohstoffprojekte.

Auch sonst läßt China verstärkt seine finanziellen Muskeln spielen. Ministerpräsident Li Keqiang hatte Ende September Vorschläge für eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Südostasiatischen Allianz ASEAN (Association of Southeast Asian Nations) angekündigt, der die Philippinen, Indonesien, Thailand, Vietnam, Malaysia und fünf weitere Staaten angehören. Unter anderem soll die gemeinsame Freihandelszone ausgebaut und der Warenaustausch zwischen ASEAN und China bis 2020 auf umgerechnet rund 740 Milliarden Euro ausgedehnt werden. Außerdem schlägt Li die Schaffung eines Fonds vor, der die maritime Zusammenarbeit unterstützen soll, also den Ausbau von Häfen, die Sicherung der Schiffahrt und ähnliches. China will dieses Projekt mit drei Billionen Yuan (360 Milliarden Euro) unterstützen.

Noch vor wenigen Jahren waren derlei Angebote undenkbar. Einige Länder in der Region wie Malaysia und Indonesien blicken auf eine unrühmliche Geschichte von Pogromen gegen die örtliche chinesische Minderheiten zurück. Der letzte ereignete sich 1998 in Jakarta und einigen anderen indonesischen Großstädten – seinerzeit vermutlich von Militärkreisen orchestriert. Auch ökonomisch waren die Beziehungen in der Region noch vor 15 Jahren, also zur Zeit der Asienkrise, vollkommen unterentwickelt. Die ASEAN-Länder konkurrierten sowohl untereinander als auch mit China vor allem um Absatzmärkte in Westeuropa, Japan und Nordamerika, den alten industriellen Zentren. Der Warenaustausch in der Region spielte hingegen im Vergleich zu den übrigen Exporten kaum eine Rolle.

Das hat sich inzwischen deutlich geändert. Die wirtschaftliche Integration der ASEAN-Staaten ist einen gewaltigen Schritt vorangekommen, aber auch der Austausch mit dem großen Nachbarn im Norden hat stark zugenommen. Für einige Länder wie Malaysia ist China inzwischen die wichtigste Adresse für Ausfuhren. Entsprechend besorgt schaut man auf die wirtschaftliche Entwicklung der Volksrepublik. Präsident Xi nutzte daher den APEC-Gipfel, den anderen Regierungen zu versichern, daß die chinesische Ökonomie weiter kräftig wachsen werde. Allerdings deutete er an, daß die neue Führung strukturelle Reformen plane und dafür auch bereit sei, einige Prozentpunkte Wirtschaftswachstum zu opfern. Gemeint ist damit unter anderem eine stärkere Öffnung für die Privatwirtschaft. Die chinesische Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt) war 2011 um 9,3 und 2012 um 7,7 Prozent gewachsen. In der ersten Jahreshälfte 2013 betrug der Zuwachs 7,6 Prozent.

Am Rande des Gipfels kam es derweil zu einem Zwischenfall, in dem der Hongkonger Journalistenverband einen schweren Verstoß gegen die Pressefreiheit sieht. Drei Rundfunkreportern aus der autonomen südchinesischen Metropole wurde am Sonntag die Gipfelakkreditierung entzogen, nach dem sie den philippinischen Präsidenten Benigno Aquino mit Fragen konfrontiert hatten. Auf dem Weg zu ihrem Hotel waren sie festgenommen und schließlich vom Gipfelareal verbannt worden. Nach einem Bericht der in Hongkong erscheinenden South China Morning Post wirft man ihnen vor, ihre Fragen gerufen zu haben, als würden sie protestieren wollen. Sie seien daher, so ein indonesischer Ministeriumssprecher gegenüber der Zeitung, aus Sorgen um die Sicherheit festgenommen und von der Berichterstattung ausgeschlossen worden.

Hintergrund der Auseinandersetzung ist eine mißglückte Geiselbefreiung auf den Philippinen, bei der vor drei Jahren acht Touristen aus der ehemaligen britischen Kronkolonie getötet wurden. Deren Angehörige erwarten von der Regierung in Manila eine offizielle Entschuldigung sowie Entschädigungen. Aquino hatte den Reportern auf ihre entsprechenden Fragen nicht geantwortet, sondern hält die Angelegenheit für erledigt.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 9. Oktober 2013


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