Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Cristina trat aus dem Schatten Néstors

Jubel in Buenos Aires: Argentiniens Präsidentin Kirchner bereits im ersten Wahlgang wiedergewählt

Von Jürgen Vogt, Buenos Aires *

Argentiniens erste Staatspräsidentin Cristina Fernández de Kirchner (58) hat mit einem überwältigenden Sieg ihre Wiederwahl geschafft.

Am Ende rockte sie über die Bühne. »Ich bin die erste wiedergewählte Frau«, rief Cristina Kirchner. Mit mehreren zehntausend Anhängern feierte sie am Sonntagabend (23. Okt.) auf der Plaza de Mayo von Buenos Aires. Ihr Sieg stand unmittelbar nach Schließung der Wahllokale fest. Nur die Höhe war ein Fragezeichen.

Und wie die Zahl der Stimmen für Cristina Kirchner stündlich wuchs, füllte sich der Platz im Zentrum der Hauptstadt. Nach der Auszählung von 70 Prozent der Stimmen erreichte die Mitte-Links-Politikerin knapp 54 Prozent. Damit erzielte sie das beste Ergebnis eines Präsidentschaftskandidaten seit der Rückkehr Argentiniens zur Demokratie im Jahr 1983.

Auf dem zweiten Platz landete überraschend, aber weit abgeschlagen der sozialistische Kandidat Hermes Binner mit 17 Prozent der Stimmen. Der 68-Jährige, dessen Bündnis Frente Amplio Progresista sich erst vor vier Monaten zusammengefunden hatte, zeigte sich jedoch überaus zufrieden. »Wir sind die zweitstärkste Kraft in Argentinien«, so der frühere Gouverneur der Provinz Santa Fe. Der Kandidat der sozialdemokratischen Radikalen Bürgerunion UCR und Sohn des früheren Präsidenten Raúl Alfonsín, Ricardo Alfonsín, kam mit 11 Prozent lediglich auf den dritten Platz.

Freude und Trauer prägten Cristina Kirchners Auftritte am Wahlabend. Freude, weil ihr weit über die Hälfte der Stimmberechtigten zum Sieg verholfen haben. Trauer und Tränen, weil sich am 27. Oktober der Tod ihres Mannes Néstor Kirchner zum ersten Mal jährt. »Sin EL«, ohne IHN stünde sie jetzt nicht hier, sagte sie. Néstor habe den Grundstein für den Wahlerfolg gelegt. Dennoch: Mit diesem Sieg ist Cristina Kirchner aus dem Schatten ihres Mannes herausgetreten.

Im Oktober 2007 trat Cristina Kirchner als Präsidentschaftskandidatin erstmals bei einer Wahl für ein Exekutivamt an. Ihr Erfolg im ersten Wahlgang machte sie zur ersten gewählten Präsidentin Argentiniens und weltweit zur ersten Frau, die ihrem Mann durch demokratische Wahlen im Amt nachfolgt. Die erste Frau im argentinischen Präsidentenamt ist sie jedoch nicht: Nach dem Tod von Juan Domingo Perón 1974 war seine Witwe Isabel als Staatschefin vereidigt worden. Zwei Jahre später wurde sie vom Militär gestürzt.

Am Sonntag stimmten die knapp 29 Millionen Wahlberechtigten Argentinier auch über 130 Mandate im Abgeordnetenhaus und ein Drittel der Senatssitze ab. Ersten Hochrechnungen zufolge wird die Regierungspartei von Cristina Kirchner in beiden Häusern die Mehrheit zurückerobern, die sie bei den vergangenen Teilwahlen 2009 noch eingebüßt hatte. Trotz Wahlpflicht lag die Beteiligung unter 75 Prozent.

* Aus: neues deutschland, 25. Oktober 2011


Noch mal vier Jahre

Von Carmela Negrete **

Bei den Präsidentschaftswahlen in Argentinien hat die linksperonistische Front für den Sieg (FPV) um die amtierende Staatschefin Cristina Fernández de Kirchner mit Abstand die meisten Stimmen bekommen. Die Präsidentin, 2007 Nachfolgerin ihres im vergangenen Jahr verstorbenen Ehemanns Néstor Kirchner, wurde mit 53,8 Prozent der Stimmen bereits im ersten Wahlgang im Amt bestätigt. Mit mehr als acht Millionen Stimmen Abstand folgte auf dem zweiten Platz die linksliberal orien­tierte Breite Fortschrittliche Front (FAP) des Gouverneurs von Santa Fé, Hermes Binner, die auf 16,9 Prozent der Stimmen kam, gefolgt von der sozialdemokratisch geprägten Union für den sozialen Fortschritt (UDS) um Ricardo Luis Alfonsín, einen Sohn des früheren Staatschefs Raúl Alfonsín.

Cristina Fernández konnte sich in allen Provinzen des südamerikanischen Landes durchsetzen. Nur in San Luis gewann die ansonsten landesweit unbedeutende rechtsperonistische Alianza Compromiso Federal. Gewählt wurden außerdem 340 Abgeordnete, 24 Senatoren und die Gouverneure von neun Provinzen. Auch hier triumphierte die FPV, so daß die Präsidentin künftig auf eine bequeme Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments setzen kann.

Die wiedergewählte Präsidentin zeigte sich überwältigt von dem haushohen Wahlerfolg und versprach, den hierdurch ausgedrückten Volkswillen zu respektieren. Sie hänge von dem Zuspruch der großen Mehrheit ab, damit sie nicht vom Weg abkomme und »das Projekt scheitern« könne, »wie es zu anderen Gelegenheiten passiert ist, oftmals von außen gesteuert«.

Die studierte Juristin Cristina Fernández wurde 1953 in La Plata in der Provinz Buenos Aires geboren. Sie studierte Rechtswissenschaften und erwarb ein Anwaltspatent. Mit 20 Jahren heiratete sie Néstor Kirchner, den sie in der links­peronistischen Jugendbewegung kennengelernt hatte und mit dem sie zwei Kinder hat, den 34jährigen Maximo und die 21jährige Florencia.

Ihre Amtskollegen aus den übrigen Ländern Südamerikas übermittelten Fernández umgehend ihre Glückwünsche. Venezuelas Präsident Hugo Chávez nannte den Sieg der »Compañera Cristina« einen »neuen Sieg für das Projekt der Südamerikanischen Union«, das in Cristina Fernández eines seiner entschiedensten Unterstützerinnen habe.

Cristina Fernández wird zu Beginn ihrer neuen Amtszeit weitreichende Veränderungen in ihrem Regierungskabinett vornehmen. Ihr bisheriger Wirtschaftsminister Amado Boudou wird der Staatschefin künftig als Vizepräsident zur Seite stehen und sie in Ausnahmesituationen vertreten. Andere bisherige Minister scheiden aus der Regierungsmannschaft aus, weil sie für Parlamentsmandate kandidiert haben, was nach argentinischem Recht nicht vereinbar ist. Zu ihnen gehören der bisherige Kabinettschef Aníbal Fernández und Landwirtschaftsminister Julián Domínguez.

* Aus: junge Welt, 25. Oktober 2011


Zurück zur Argentinien-Seite

Zurück zur Homepage