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Tilquiza kämpft um seine Landrechte

Großgrundbesitzer vertreiben Indigene in Argentinien von ihrem Boden

Von María Inés Zigarán *

Der Weltfriedensdienst (WFD) unterstützt den Rat der Indigenen Organisationen in Nordargentinien bei der Zuerkennung kollektiver Landrechte. Erst elf Gemeinden haben ihren Landtitel bisher erstreiten können.

Tilquiza ist eine Gemeinde in der nordargentinischen Region Jujuy. Dort leben Angehörige des Volkes der Ocloya-Indígenas schon seit vielen Generationen. Im letzten Jahr hat die Gemeinde die ihnen zustehenden Landtitel für dieses Gebiet beantragt. Administrative und politische Hindernisse behindern aber den juristischen Prozess. Dem Anspruch der Gemeinde stehen Großgrundbesitzer entgegen, die ihren unrechtmäßigen Besitz verteidigen.

Ramón Jerez, Vizepräsident der Gemeinde Tilquiza, schildert die Situation. Drei Familien von Großgrundbesitzern bestreiten seit über 20 Jahren die Rechte der Indígenas, drohen ihnen mit Vertreibung. Früher setzten sich die indigenen Familien nicht zur Wehr und beugten sich den Drohungen und Einschüchterungsversuchen. Viele Familien verließen ihre Heimat und zogen in die Stadt. Als sich die verbliebenen Bewohner von Tilquiza 2005 jedoch geschlossen und durch das argentinische Gesetz geschützt den Großgrundbesitzern entgegenstellten, fanden die Drohungen vorerst ein Ende.

Im Jahr 2009 entflammte der Konflikt aber von Neuem. Einer der Großgrundbesitzer hatte einen Vertrag mit einer Papierfabrik abgeschlossen. Dies führte dazu, dass weite Gebiete eingezäunt wurden, auch die der Gemeinde Tilquiza. Die Ocloya-Bewohner durften fortan keine Kleintierzucht mehr betreiben. Das Gebiet wird seitdem nach und nach abgeholzt. So wird die Pflanzenwelt zerstört, aus der die Indígenas seit Generationen traditionelle Heilmittel gewinnen. Am drastischsten ist jedoch, dass sie von ihren traditionellen Zufahrtswegen abgeschnitten wurden. »Wenn jemand aus der Gemeinde erkrankt oder es einen Notfall gibt, können wir keine rasche Hilfe bekommen« sagt Jerez. »Wir sind hier eingesperrt.«

Die Gemeinde hat bei der Polizei Anzeige gegen die Zerstörer ihres Lebensraumes erstattet. Jerez ist empört: »Die Polizei hat einfach nichts unternommen. Die lokale Politik steht auf der Seite der Großgrundbesitzer und verfolgt deren wirtschaftliche Interessen. Wir sind ihr egal.« Als Reaktion auf die anhaltenden Drohungen und die Zerstörung der kulturellen und wirtschaftlichen Basis der Gemeinde Tilquiza blockierten die Indígenas die Routen der Lastwagen, die das Holz des Gemeindelandes abtransportieren. Die Blockade wurde nach einem Tag durch einen Aufmarsch argentinischer Soldaten beendet. Die traditionelle Lebensweise und die damit verbundene Identität der Gemeinden stehen auf dem Spiel. Die Menschen fühlen sich der Erde, auf und mit der sie seit Jahrhunderten leben, die sie bestellen und verehren, tief verbunden. Den Ocloya-Indígenas bleibt nun nur die Hoffnung, dass sie die ihnen zustehenden Landtitel bald erhalten.

In der argentinischen Politik hat der Kampf um indigene Landrechte in den letzten Jahren Fortschritte gemacht. Im Rahmen des Programms für die Verrechtlichung und Regulierung des Landes der Urvölker von Jujuy können kollektive Landtitel an indigene Gemeinden vergeben werden. Aber die Umsetzung des Programms verzögert sich aufgrund von verwaltungstechnischen, finanziellen und politischen Hindernissen. Zudem ist die Rechtsprechung zur Vergabe von Landtiteln oft eingeschränkt oder willkürlich. Dies hat für mehrere Gemeinden in Jujuy verheerende Folgen, nicht nur für Tilquiza.

* Aus: neues deutschland, 6. Dezember 2011


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