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Steueramnestie auf argentinisch

Präsidentin Kirchner erleichtert das "Weißmachen" von Schwarzgeldern

Von Jürgen Vogt, Buenos Aires *

In Argentinien ist seit März eine Amnestie für Steuer- und Sozialabgabenhinterzieher in Kraft. Betroffene können straffrei nun jahrelang nicht gezahlte Sozialbeiträge nachreichen und schwarz angestellte Firmenmitarbeiter oder Haushaltshilfen anmelden. Das Kernstück der Amnestie ist jedoch die Möglichkeit, Schwarzgeld steuergünstig und straflos legalisieren zu können. Dabei kann auch nicht gemeldetes Vermögen wie Immobilien im Ausland angemeldet werden.

Präsidentin Cristina Kirchner hatte im Rahmen ihres Anti-Krisenplans als Reaktion auf die internationale Finanzkrise Ende November 2008 das Vorhaben angekündigt. Die Regierung hofft, dass zwischen 12 und 14 Milliarden Dollar legalisiert und dem heimischen Geldkreislauf zugeführt werden. »Vielleicht bekommt man nur einmal im Leben eine letzte Chance, um mit dem Fiskus ins Reine zu kommen«, so Ricardo Echegaray, der Leiter der staatlichen Finanzämter.

»Blanquear« heißt das im argentinischen Spanisch sogar offiziell: weißmachen. Über das Woher das Geld stammt muss die meldende Person lediglich die »zulässige Herkunft« bestätigen. Die Opposition kritisiert es deshalb als Drogen- und Schmiergeldwäsche und, dass die bislang Steueraufrichtigen die Deppen sind. Auch aus den USA kam Kritik an der Art und Weise des Weißmachens. Die auf Geldwäsche spezialisierte Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF) will eine Expertengruppe zur Prüfung nach Buenos Aires entsenden.

Sechs Monate ist jetzt Zeit, um das schwarz Angesparte oder Angelegte in den legalen Steuer- und Geldkreislauf einzuführen. Das geht einfach per Mausklick und Internetformular auf der Webseite der hiesigen Steuerbehörde zu machen. Jedoch muss das Geld nicht sofort aus dem Ausland zurückgeholt werden. Wer im Ausland ausländische Devisen angelegt hat und weiter dort belassen möchte, muss nur angeben, bei welcher Bank das Geld deponiert ist. Dann wird die höchste Steuer von acht Prozent fällig. Zudem muss das Geld spätestens bis zum 31. August 2010 in die heimische Wirtschaft investiert werden oder davon auf argentinischem Staatsgebiet eine Immobilie gekauft werden. Wer das versäumt, muss die übliche Umsatz- und Gewinnsteuer plus Zinsen nachzahlen.

Wer sein Geld nach Argentinien zurückholen will oder die Dollars unter der Matratze hervorholen möchte, muss diese in einheimischen Pesos auf einem Konto bei einer hiesigen Bank einzahlen. Je nach Transaktion müssen dann ein bis sechs Prozent Steuer an den Fiskus abgeführt werden. Wer in argentinische Staatsanleihen investiert, zahlt nur drei Prozent. Wer aber weiter seine schwarzen Schäfchen hütet, den soll ab 31. August 2009 die volle Härte der Gesetze treffen.

Niemand weiß, über wie viel Schwarzgeld oder nicht gemeldetes Vermögen argentinische Firmen oder Privatpersonen im In- und Ausland tatsächlich verfügen. Die Schätzungen reichen bis zu einer Summe von 130 Milliarden Dollar, die im Ausland schwarz geparkt sind. Verglichen mit der öffentlichen Auslandsschuld in Höhe von rund 145 Milliarden Dollar ist das keine Kleinigkeit. Ein großer Teil der Gelder ist Fluchtkapital, das immer zu Krisenzeiten außer Landes geschafft wurde. Die letzte große Flucht fand in den Jahren 2001 und 2002 statt. Dass den Banken damals die Dollars ausgehen und sie von heute auf morgen nur noch 200 Pesos pro Woche an ihre Kunden auszahlen werden, war in hohen Finanzkreisen durchaus kein Geheimnis. Wer es wusste, brachte seine Dollarguthaben - notfalls mit dem Geldkoffer - in Sicherheit.

* Aus: Neues Deutschland, 9. März 2009


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