"Presidenta Cristina" stellte ihren Vize vor
Argentinien erwartet eine große Koalition
Von Jürgen Vogt, Buenos Aires *
Am Dienstagabend (14. August) präsentierten sich Cristina Fernández de Kirchner und Julio Cobos erstmals
offiziell als Kandidaten-Tandem für die argentinische Präsidentschaftswahl am 28. Oktober. Der
gegenwärtige Präsident Néstor Kirchner ist seinem Ziel – der Bildung eines neuen Mitte-Links-
Bündnisses – damit einen Schritt näher.
Julio Cobos, der Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, ist bisher Gouverneur der Provinz
Mendoza und gehörte bis vor kurzem der oppositionellen Radikalen Bürgerunion (UCR) an.
Nachdem sich seine Kandidatur für das Regierungslager angedeutet hatte, war er jedoch am 7.
August aus der UCR ausgeschlossen worden – »wegen Handelns im Interesse der Regierung«, wie
Parteichef Gerardo Morales sagte. »Darüber reden wir nach dem 28. Oktober«, entgegnete der
Geschasste in einer ersten Reaktion.
Die sozialdemokratische UCR ist traditionell die zweitstärkte politische Kraft Argentiniens, nach den
Peronisten. Die Partei geriet jedoch nach dem fluchtartigen Abgang des früheren Präsidenten
Fernando de la Rúa während der Proteste im Dezember 2001 immer weiter in die Krise. De la Rúa
war nach Raúl Alfonsín der zweite Präsident, den die Radikalen nach dem Ende der Diktatur 1983
gestellt hatten. Jetzt ist die Partei endgültig zerbrochen.
Präsident Kirchner selbst hatte kurz nach seinem Amtsantritt 2003 den Spaltpilz gesät, als er noch
recht diffus die Bildung eines neuen Mitte-Links-Bündnisses ankündigte. Im Mai 2006 sprach er
erstmals offiziell von der Bildung einer »Concertación Plural«. Damit hielt er die Widersacher in
seiner eigenen Partei in Schach, ohne sich tatsächlich in das innerparteiliche Machtgerangel
einzumischen. Gleichzeitig provozierte er damit die Opposition, sich mehr um die eigenen
Richtungskämpfe als um die Kontrolle der Regierung zu kümmern.
Die Eheleute Kirchner hatten für die »Frente para la Victoria« (Front für den Sieg), einen eigens für
sie gegründeten Wahlverein kandidiert, der mittlerweile den Flügel der Kirchner-Anhänger unter den
Peronisten repräsentiert. Nachdem Néstor Kirchner zugunsten seiner Frau auf eine eigene
neuerliche Präsidentschaftskandidatur verzichtet hat, wird heftig darüber spekuliert, ob er nach dem
Ausscheiden aus dem Amt die Bildung einer neuen Partei unter seinem Vorsitz vorantreiben wird.
Julio Cobos hat bereits eine neue »Partido para la Concertación Cívica y Plural« gegründet, um mit
der Kirchner-Front bei den Wahlen im Oktober Bündnisse eingehen zu können. Es gehe darum, ein
»Scharnier« zwischen dem Peronismus und der UCR zu bilden, sagte Cobos am Dienstag. Das
Bündnis hatte bereits einmal Erfolg: In der Provinz Catamarca ließ sich Gouverneur Eduardo
Brizuela, Mitglied der UCR, am 11. März mit Unterstützung der Front für den Sieg wiederwählen.
Wie sehr die UCR geschwächt ist, zeigt die Tatsache, dass sie selbst keinen eigenen
Präsidentschaftskandidaten präsentiert. Während ein Parteiflügel mit dem 49-jährigen Cobos ins
Lager der Kirchner-Anhänger wechselt, unterstützt der andere die Kandidatur des ehemaligen
parteilosen Wirtschaftsministers Roberto Lavagna, der im November 2006 von Kirchner entlassen
wurde. Lavagna gründete wenig später die UNA (Concertación por una Nación Avanzada), erklärte
seine Präsidentschaftsbewerbung und holte sich den UCR-Vorsitzenden Gerardo Morales als
Vizekandidaten ins Boot.
Nach jüngsten Umfragen würde das Duo Kirchner-Cobos die Wahl bereits im ersten Durchgang für
sich entscheiden. Es bekäme deutlich mehr als die erforderlichen 45 Prozent der Stimmen. Weit
abgeschlagen, mit derzeit 19 Prozent, folgt das Tandem Lavagna-Morales. Alles deutet also derzeit
darauf hin, dass eine Frau ins Präsidentenamt einzieht. »Gewöhnt euch schon mal dran: Es heißt
›Presidenta Cristina‹ und nicht ›Presidente‹«, sagte Frau Kirchner am Dienstag.
* Aus: Neues Deutschland, 16. August 2007
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