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Argentinien wehrt sich gegen Land Grabbing

Präsidentin Kirchner will Ackerflächen als nicht erneuerbare Ressource definieren lassen

Von Jürgen Vogt, Buenos Aires *

Land Grabbing ist weltweit ein Problem. In Argentinien will die Regierung nun den Landkauf ausländischer Investoren beschränken.

Fruchtbares Ackerland ist ein begehrtes Gut. In Argentinien werden auf über 35 Millionen Hektar Getreide- und Ölsaaten angebaut. Hinzu kommen die Millionen Hektar an Forst- und Weideland. Dass Argentinien vom Land Grabbing bedroht ist, hat auch Präsidentin Cristina Kirchner erkannt. In ihrer Antrittsrede zur zweiten Amtszeit zitierte sie aus dem aktuellen Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Demnach befinden sich bereits zehn Prozent des Hoheitsgebietes in ausländischen Händen, warnte die Präsidentin.

Am Mittwoch (21. Dez.) wird der Senat über eine Gesetzesvorlage der Präsidentin abstimmen, die den »Schutz des nationalen Hoheitsgebiets bei Eigentum, Besitz oder Teilhabe an landwirtschaftlichen Ländereien« vorsieht. Das Vorhaben sei eine Reaktion auf die weltweit steigende Nachfrage nach Nahrungsmitteln, heißt es aus dem Landwirtschaftsministerium. Die Regierung will den Landverkauf an ausländische Personen und vor allem an finanzkräftige Multis und Investmentfonds beschränken.

Sollte der Senat zustimmen, dürfen zukünftig nicht mehr als 15 Prozent der ländlichen Fläche in ausländisches Eigentum übergehen. Von diesen 15 Prozent dürfen sich nicht mehr als 30 Prozent auf eine Nationalität konzentrieren. Ein ausländischer Käufer darf sich zukünftig maximal 1000 Hektar landwirtschaftlicher Fläche aneignen. Das Abgeordnetenhaus hat bereits zugestimmt, die Regierung stellt in beiden Kammern die Mehrheit.

Um die von Argentinien unterzeichneten internationalen Investitionsschutzabkommen nicht zu verletzen, wird der Erwerb von Land zukünftig nicht mehr als Investition registriert, sondern als Kauf einer »nicht erneuerbaren Ressource« definiert. Das Gesetz gilt jedoch nicht rückwirkend, sprich, wer schon gekauft hat, ist nicht betroffen.

Vorgesehen ist die Schaffung eines nationalen Katasteramtes. Noch immer verfügt Argentinien über kein einheitliches, zentrales Register, aus dem ersichtlich ist, wer die Eigentümer an Grund und Boden sind. Register gibt es auf Provinz- und Gemeindeebene, die jedoch sind oft lückenhaft oder nicht besonders sorgfältig geführt. »Wir wissen nicht, welche der Firmen heute Eigentümer von landwirtschaftlichen Flächen sind, und wenn es sich um Aktiengesellschaften handelt, welche konkreten Personen die Anteile halten«, bestätigt Justizminister Julio Alak.

Streit zwischen der Zentralregierung und den Provinzen darüber, was landwirtschaftliche Nutzflächen sind und was nicht, gibt es schon jetzt. Zudem herrscht Unklarheit darüber, ob das Gesetz die Verfügung über die natürlichen Ressourcen und Bodenschätze berührt. Die gehören in Argentinien verfassungsrechtlich den Provinzen, in denen sie sich befinden. Und dort hat der Filz aus Politik, Wirtschaft, Großgrundbesitzern und Justiz kein großes Interesse daran, dass die Regierung in Buenos Aires die Eigentumsverhältnisse überprüft. Es kündigt sich ein langwieriger Rechtsstreit an.

Einen Weg, wie das Gesetz legal umgangen werden kann, zeigt das Beispiel aus Río Negro. Die Provinz in Patagonien hatte mit der chinesischen Staatsfirma Heilongjiang Beidahuang Nongken Group ein Investitionsabkommen über 1,5 Milliarden Dollar vereinbart. Danach stellt die Provinz dem Agrarkonzern 330 000 Hektar Land zur Verfügung. Dafür legt das Unternehmen ein Bewässerungssystem an, errichtet eine Ölraffinerie und baut die Hafenanlagen bei San Antonio Oeste aus.

Im Gegenzug haben die Chinesen 20 Jahre lang das Vorrecht, alles an Nahrungsmitteln zu kaufen und nach China zu exportieren, was auf den 330 000 Hektar geerntet wird. Das wird zu einem nicht unerheblichen Teil Soja sein. Zwar hat der Oberste Gerichtshof der Provinz das Abkommen im Dezember 2011 vorläufig außer Kraft gesetzt, so dass es derzeit offen ist, ob die Vereinbarung umgesetzt wird. Dennoch zeigt es eine Richtung an, wie zukünftig Vereinbarungen mit ausländischen Investoren aussehen könnten.

* Aus: neues deutschland, 21. Dezember 2011


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