Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Kein Gold aus Famatina

Bewohner eines argentinischen Dorfes wehren sich erfolgreich gegen Bergbauprojekt

Von Jürgen Vogt, Buenos Aires *

Das argentinische Dorf Famatina hat sich erfolgreich gegen die Errichtung einer Goldmine gewehrt. Die 7000-Einwohner-Gemeinde hielt dem Druck der Provinzregierung und der kanadischen Bergbaufirma Osisko Mining Corporation stand. Nun hat der Provinzgouverneur das Projekt für undurchführbar erklärt.

»Nach all dem Kampf und der Repression sind wir überglücklich.« Mit ihrer Freude steht Carina Díaz Moreno von der Nachbarschaftsvereinigung Famatina nicht allein. Der Anlass: Am vergangenen Mittwoch gab Gouverneur Luis Beder Herrera das Aus für das Minenprojekt in der nordwestargentinischen Provinz La Rioja bekannt. Die Konfrontationen machten es unmöglich, »mit den vorgesehenen Aktivitäten zu beginnen«. Im Klartext: Die von der kanadischen Bergbaufirma Osisko Mining Corporation geplante Mine lässt sich gegen den Widerstand der lokalen Bevölkerung nicht durchsetzen.

Unter dem Motto »El Famatina no se Toca« (Der Famatina wird nicht angerührt) organisierte sich der Widerstand gegen das drohende Minen-Projekt. Weder der Provinzregierung noch der kanadischen Bergbaufirma ist es gelungen, die Famatiner zu spalten oder zu kaufen. Mit Straßenblockaden und Demonstrationen verhinderten sie seit Anfang 2012 immer wieder den Beginn der Exploration.

Beder Herrera hatte das Abkommen zur Erkundung der Lagerstätten am Berg Famatina mit der kanadischen Firma im August 2011 bekannt gegeben. Die Gebirgskette der Sierra de Famatina in den Anden hat über 6000 Meter hohe Berge. Schon in vergangenen Jahrhunderten wurden hier Gold- und Silbererze gewonnen. Auf einem Gebiet von 40 Quadratkilometern sollen rund 280 Tonnen Gold lagern, die in einer gigantischen Tagebaumine abgebaut werden sollten, so die Option in dem Abkommen zwischen der Provinzregierung und den Kanadiern.

Mit dem Einsatz von Zyankali und Millionen Litern von Wasser sollte das Gold aus herausgesprengtem und zermalmtem Berggestein ausgewaschen werden. Dass der Gouverneur jetzt zurückruderte, dürfte auch einem Wink aus der kanadischen Konzernzentrale geschuldet sein, die wohl eingesehen hatte, dass das Projekt nicht durchsetzbar ist.

Wann immer Gefahr im Verzug schien, läutete die Glocke der Dorfkirche die Bewohner zur Blockade der einzigen Zufahrtstraße. Mehrfach machte Famatina mit Schlagzeilen von Übergriffen der Polizei gegenüber Einwohnern auf sich aufmerksam, denn die Provinzregierung reagierte mit polizeilichen und juristischen Mitteln. Dann verweigerte sie der Gemeinde die Überweisung der ihr aus dem Provinzhaushalt zustehenden Gelder. Zuletzt sorgte im Mai eine plötzlich aufgetauchte Schlägertruppe für Angst in Famatina.

Die Blockade der Zufahrtstraße wird dennoch nicht aufgehoben. »Zu Beder Herrera haben wir keinerlei Vertrauen«, so Carina Díaz Moreno. »Wir fordern ein Gesetz, das die Ausbeutung durch Megaminen in der ganzen Provinz verbietet.« Noch immer ist auf rund zwei Millionen Hektar der Provinz La Rioja das großindustrielle Schürfen erlaubt.

Das Misstrauen der Famatiner hat seinen Grund. Als Vizegouverneur hatte Beder Herrera 2007 seinen Vorgänger Ángel Maza wegen dessen Bergbau-Lobbyarbeit mit einen solchen Gesetz aus dem Amt gehebelt. Hatte er sich bei der folgenden Gouverneurswahl noch als Umweltengel und Minengegner ausgegeben, so verwandelte er sich innerhalb kürzester Zeit selbst zum vordersten Bergbaulobbyisten von La Rioja und ließ das Gesetz wieder einstampfen.

Seit Jahren wächst in den wasserarmen Provinzen entlang der Anden das kritische Bewusstsein gegenüber der Gold-, Silber- und Kupfergewinnung. Famatina zeigt, dass die Minenfirmen, die vorwiegend aus Nordamerika und China stammen, künftig mit mehr Widerstand rechnen müssen.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 9. Juli 2013


Zurück zur Argentinien-Seite

Zurück zur Homepage