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Konfliktstoff für Bergbaukonzerne

Argentiniens Gletscherschutzgesetz in Kraft getreten / Widerstand in Provinzen

Von Jürgen Vogt, Buenos Aires *

Vor wenigen Tagen ist in Argentinien ein Gesetz zum Schutz der Gletscher in Kraft getreten. Ende September hatte der Senat mit 35 gegen 33 Stimmen für das Gesetz gestimmt, nachdem es bereits im Abgeordnetenhaus eine Mehrheit gegeben hatte. Präsidentin Cristina Kirchner legte kein Veto ein.

Argentinien will seine Gletscher gegen die Ausbeutung von Bodenschätzen unter den Eismassen durch Bergbau- und Ölfirmen schützen sowie eine Bestandsaufnahme der Anzahl und des Zustandes der Eismassen vornehmen. »Argentinien ist das einzige Land, das ein restriktives Gesetz zum Schutz der Gletscher hat«, resümiert die frühere Abgeordnete und Gesetzesinitiatorin Marta Maffei.

Rund 350 Gletscher sollen sich vor allem entlang der Anden von Nord nach Süd in die Täler schieben. Die Eismassen stellen rund 75 Prozent der Süßwasserreserven des Landes dar. Schon heute ist vielerorts das Quellwasser durch die Chemikalien zum Auswaschen von Kupfer, Silber und Gold aus dem Gestein belastet.

Nach dem jetzt in Kraft getretenen Gesetz ist zukünftig ein Arbeiten auf den Eismassen der Gletscher verboten, das bedeutet praktisch ein Verbot der Suche nach Bodenschätzen wie Gold, Silber oder Erdöl unter der Eisdecke. Davon betroffen ist auch die Pascua-Lama-Mine der kanadischen Barrick Gold Corporation. Diese liegt in einer Höhe von rund 4000 bis 5000 Metern auf argentinischem und chilenischem Territorium. Dort werden knapp 500 Tonnen Gold und mit fast 20 000 Tonnen eines der weltgrößten Silbervorkommen vermutet. »In Pascua-Lama wollen sie in zehn Jahren 33 Milliarden Dollar herausholen. Wie viel guten Willen kann man mit nur drei Prozent davon kaufen?« fragt Maffei.

Im November 2008 hatte Präsidentin Cristina Kirchner mit einem Veto das Gesetz noch gestoppt, das zuvor von beiden Kongresskammern einstimmig verabschiedet worden war. Sie stellte sich damit auf die Seite der Bergbauprovinzen und der Lobby der Minenbetreiber. Anfang dieses Jahres wurde das Gesetz mit nur kleinen Änderungen abermals in den Kongress eingebracht. »Die Präsidentin hatte erwartet, dass diesmal der Senat das Gesetz ablehnt«, so Maffei über die Ankündigung der Präsidentin, diesmal kein Veto einzulegen.

Zwar ist das Gesetz jetzt in Kraft, aber noch lange nicht umgesetzt und eingehalten. Die Auseinandersetzung verlagert sich in den Gerichtssaal. »Die Strategie der Provinzregierungen und der ökonomischen Gruppen ist zu verzögern, wo und wie es nur geht«, sagt Maffei. »Die Justiz in den Provinzen ist absolut käuflich und immer auf Seiten der Provinzpolitik«, fügt sie hinzu. So hat in der Bergbauprovinz San Juan ein Richter die entscheidenden Gesetzesparagrafen bereits nach wenigen Tagen für verfassungswidrig erklärt und außer Kraft gesetzt. »Wir müssen bis zum obersten Gerichtshof gehen – ich schätze, das wird wieder zwei Jahre dauern«, so Marta Maffei.

* Aus: Neues Deutschland, 8. November 2010

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