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Aktionstag gegen Kirchner

Größte Antiregierungsproteste der letzten zehn Jahre in Argentinien

Von Johannes Schulten *

Es waren die größten Antiregierungsproteste der letzten Jahre. Zehntausende Menschen sind am Donnerstag abend (Ortszeit) in Argentinien auf die Straße gegangen, um gegen die amtierende Präsidentin Cristina Fernández de Kirnchner zu demonstrieren. Neben Kundgebungen in der Hauptstadt Buenos Aires kam es auch in zahlreichen Städten des Landes sowie im Ausland, etwa in Spanien oder Italien, zu Protesten. Die Teilnehmer des in Anlehnung an das Datum vom Donnerstag genannten Aktionstages »8N« wandten sich mit Plakaten und Sprechchören gegen die seit Jahren konstant hohe Inflation, forderten mehr Transparenz und Kriminalitätsbekämpfung oder kritisierten die Nähe des Landes zu Venezuela. Auch die von der Regierung geplante Verfassungsänderung, um eine dritte Amtszeit von Fernández de Kirchner zu ermöglichen, stieß auf heftige Ablehnung.

Die größte Demonstration fand in der Hauptstadt Buenos Aires statt. Während die Polizei 70000 bis 100000 Teilnehmer zählte, kam die vom rechten Oppositionspolitiker Mauricio Macri geführte Stadtregierung auf 600000 Teilnehmer. Die meisten Demonstranten gehörte Medienberichten zufolge der Mittel- und Oberklasse an. Allerdings nahmen auch ärmere Teile der Bevölkerung teil. Die Regierung hatte sich bis Freitag morgen (Ortszeit) noch nicht zu den Protesten geäußert.

Die Organisatoren und regierungskritische Medien lobten den spontanen Charakter des Aktionstages, der vor allem über soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter organisiert worden war. Regierungsnahe Medien wiesen dagegen auf die tragende Rolle von der rechten Opposition nahestehenden Organisationen hin, darunter auch die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung aus Deutschland.

Die Proteste haben eine enorme symbolische Bedeutung für das Land. Kundgebungen dieser Größenordnung hat es seit dem Staatsbankrott von 2001/2002 nicht mehr gegeben. Nicht zuletzt die ökonomische Prosperität der letzten zehn Jahre hatte der Regierung hohe Beliebtheitswerte beschert. Im vergangenen Jahr wurde Fernández de Kirchner mit historisch hoher Zustimmung wiedergewählt. Die sich seit einigen Monaten abzeichnende Wirtschaftskrise, die hohe Inflation, aber auch ein von vielen als autoritär wahrgenommener Regierungsstil haben zuletzt jedoch zu erheblichem Ansehensverlust geführt.

* Aus: junge Welt, Samstag, 10. November 2012


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