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Dollar nur dritte Wahl

Rückschlag für "Weltleitwährung": Brasilien und Argentinien wollen ab Oktober ihren bilateralen Handel auf Basis der Landeswährungen abwickeln

Von Andreas Knobloch *

Der erste offizielle Staatsbesuch der argentinischen Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner im Nachbarland Brasilen endete mit einer ganzen Reihe von Wirtschaftsabkommen. Das wichtigste: Ab dem 3. Oktober dieses Jahres werden beide Länder ihren bilateralen Handel nicht mehr in US-Dollar, sondern ihren jeweiligen heimischen Währungen Pesos und Reales abwickeln. Damit verliert der US-Dollar als weltweite Leitwährung einen wichtigen Markt.

Die beiden wirtschaftlich stärksten Nationen des südamerikanischen Staatenbundes Mercosur – sie kommen zusammen auf knapp 80 Prozent des gesamten Handelsvolumens der Organisation – erhoffen sich von der Vereinbarung eine Reduzierung der Wechselkursausgaben und die Vereinfachung der Geschäftsabwicklung. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen sollen davon profitieren, daß die Gebühren für die Umrechnung in US-Dollar künftig wegfallen. Außerdem könnte die Initiative demnächst auf die anderen Partner der Mercosur-Gruppe, Paraguay und Uruguay, oder den Beitrittskandidaten Venezuela ausgedehnt werden.

Das sogenannte Sistema de Pagos en Moneda Local (SML) (System zur Zahlung in lokaler Währung), dessen Einführung in einem Festakt am 3. Oktober in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires gefeiert werden soll, kann auch als ein erster Schritt hin zu einer gemeinsamen Währung verstanden werden. Seit Gründung des Mercosur ist diese Idee immer wieder aufgeworfen worden. Ebenso wie die nun beschlossene Verbannung des US-Dollar aus dem bilateralen Zahlungsverkehr ein lange gehegtes Vorhaben beider Länder war.

Argentinien ist der größte Handelspartner Brasiliens nach den USA, denen allerdings China den Rang abzulaufen droht. Knapp ein Fünftel aller argentinischen Exporte gehen nach Brasilien, und brasilianische Waren machen knapp ein Drittel aller argentinischen Importe aus. Das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern erreicht nach 25 Milliarden US-Dollar 2007 in diesem Jahr ungefähr 30 Milliarden US-Dollar. Das ist zehnmal soviel wie noch zum Ende der letzten Dekade.

Sehr zufrieden zeigten sich die Staats- und Regierungschefs beider Länder nach Unterzeichnung des Abkommens. »Die Zurückgewinnung des Peso und des Real als Tauschwährungen (...) ist nicht nur von ökonomischer, sondern auch von kultureller Bedeutung«, so die argentinische Präsidentin. Und ihr brasilianischer Amtskollege Luiz Inácio »Lula« da Silva verkündete: »Damit gehen wir den ersten Schritt zu einer späteren regionalen Währungsintegration. Wir werden bald die ersten Resultate sehen, vor allem in Form der Reduzierung der Kosten.«

Neben dem SML vereinbarten Fernández und da Silva den Bau eines gemeinsamen Forschungssatelliten, der vor allem die Ozeane überwachen soll. Auch die Gründung eines binationalen Unternehmens zur Anreicherung von Uran sowie eine Machbarkeitsstudie zum Bau eines Wasserkraftwerks am Garabí, dem Grenzfluss zu Uruguay, stehen auf der Agenda gemeinsamer Projekte. Darüber hinaus lud da Silva Argentinien ein, sich an der Ausbeutung der brasilianischen Erdölvorkommen zu beteiligen.

* Aus: junge Welt, 13. September 2008


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