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In alter Spur

Angola vor Medwedew-Besuch: Zurück zur Landwirtschaft. Regierung sucht auch mit Hilfe Chinas nach Wegen aus der Armut

Von Raoul Wilsterer *

Angola steht vor entscheidenden Weichenstellungen. Der Ölreichtum, bis heute die Haupteinnahmequelle des südwestafrikanischen Landes, wird sich absehbar in den 2020er Jahren erschöpfen – falls nicht neue Lagerstätten erschlossen werden. Darauf zu bauen wäre fahrlässig. Schon heute wird offshore in einer Tiefe von 1500 Metern unter dem Meeeresspiegel gebohrt, eine technologische Spitzenleistung. Eine Garantie indes, noch tiefer fündig zu werden, gibt es nicht. Außerdem haben sich die Einkünfte aus dem Ölgeschäft mit Beginn der Finanzkrise auch aktuell als unsicher erwiesen: Um über hundert US-Dollar brachen die Preise ein, eine mittlere Katastrophe für den - nach Nigeria – zweitgrößten Ölproduzenten des subsaharischen Afrika.

Bei der Suche nach Konzepten für eine Zukunft ohne Öl lautet eine Devise nun »Zurück in die Vergangenheit«. Im Zentrum stehen ökonomische Fragen, die zunächst auf staatlicher Ebene beantwortet werden müssen. Dabei gilt es an erster Stelle, die Wunden eines fast dreißigjährigen Kriegs zu heilen. Weite Teile der Infrastruktur waren bei Attacken der UNITA-Truppen von Jonas Savimbi, die von den USA und von Apartheid-Südafrika ausgehalten wurden, zerstört worden.

Die einst florierende Landwirtschaft wurde ebenso in Grund und Boden gestampft wie das Verkehrsnetz aus Straßen und Eisenbahnlinien. In manchen Regionen blieb kein Stein auf dem anderen, das südwestafrikanische Land weist immer noch eine der größten Minendichten der Erde auf, weite Landstriche wurden weitgehend entvölkert. In der Hauptstadt Luanda, von den portugiesischen Kolonialisten einst auf eine Größe von 800000 Bewohner projiziert, leben heute etwa fünf Millionen Menschen, die meisten unter erbärmlichen Bedingungen.

Auch nach mittlerweile sieben Jahren des – relativen – Friedens produzieren die Bauern der ehemaligen Volksrepublik in erster Linie für den Eigenbedarf, so daß das an sich fruchtbare Land auf Lebensmittelimporte angewiesen ist. Diese stammen zum überwiegenden Teil aus Südafrika und aus Portugal, der ehemaligen Kolonialmacht (bis 1975). Die Regierung macht viel Werbung für ihren Entwicklungsplan und sagte zu, auf dem Land Straßen, Schulen und Gesundheitszentren zu bauen. Bauernkooperativen sollen Kleinkredite erhalten, Ausbildungsprogramme aufgelegt und neue Siedlungen gebaut werden. Ein Ziel des staatlichen Entwicklungsprogramms ist die Entlastung der überfüllten Städte. Der Wiederaufbau der Infrastruktur ebenso wie Unterstützungsmaßnahmen zur Mechanisierung der Landarbeit soll die Rückkehr aufs Land attraktiv machen.Das Geld hierfür stammt unter anderem aus einem Milliardenkredit, den China zu niedrigen Zinsen und vor allem ohne Auflagen Angola gewährte.

Den Weg für den Einstieg Pekings in Angola hatte ausgerechnet der Internationale Währungsfonds (IWF) 2003 freigemacht, wie der Spiegel (25/2009) jüngst zu berichten wußte: »Die IWF-Auflagen waren den stolzen Angolanern jedenfalls zu viel. Stunden vor der Unterzeichnung des Abkommens verzichteten die auf das Darlehen – und einigten sich kurz danach auf einen Zwölf-Milliarden-Dollar-Kredit mit China.« Seitdem engagieren sich chinesische Fachkräfte im Land: »Sie planen und realisieren das Straßennetz, sie errichten Krankenhäuser, sie renovieren Eisenbahnstrecken...«, so der Spiegel.

Welche Rolle Moskau, zu Zeiten der Sowjetunion ein verläßlicher Partner Luandas, zukünftig bei der Entwicklung des Landes spielen wird, bleibt abzuwarten. Am Freitag wird der russische Präsident Dmitri Medwedew in Angola erwartet, und es ist davon auszugehen, daß die Kooperation in mehreren Bereichen behandelt wird. Dabei sind neben dem Energiesektor auch Gemeinschaftsprojekte auf den Gebieten Bergbau, geologische Erkundung und High Tech im Gespräch – und das alles vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise. Jedenfalls strebt Moskau, so der russische Historiker Apollon Davidson gegenüber der Agentur AFP (21.6.), eine Verbesserung der Geschäfts- und Wirtschaftsbeziehungen an. Viele führende Politiker seien in der Sowjetunion ausgebildet worden.

In Namibia, der dritten Afrika-Station des russischen Präsidenten vor Angola und nach Ägypten und Nigeria, wird Medwedew Samuel Nujoma treffen, den »Gründungsvater« des südwestafrikanischen Landes und ehemaligen Guerillaführer.

* Aus: junge Welt, 24. Juni 2009


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