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Aussicht auf ein Ende des Bürgerkriegs in Angola
Waffenstillstand zwischen Regierung und Unita-Rebellen vereinbart
Am 4. April 2002 haben die Rebellenorganisation Unita (Nationale Union für die totale Unabhängigkeit
Angolas) und die angolanische Regierung in der
angolanischen Hauptstadt Luanda einen Waffenstillstand vereinbart. Der Vertrag,
den die Kommandeure der Streitkräfte und Rebellen unterschrieben, basiert auf
einem bereits 1994 von den Vereinten Nationen ausgehandelten
Abkommen. Staatspräsident José Eduardo dos Santos kündigte nach der Unterzeichnung
freie und faire Wahlen an. Der Krieg sei zu Ende, sagte Santos.
Noch vor einem halben Jahr wäre eine solche Vereinbarung undenkbar gewesen. Doch in den letzten Wochen, genauer: seit dem Tod des langjährigen Führers der Unita-Truppe, Jonas Savimbi, im Februar 2002, stiegen plötzlich die Chancen auf ein Ende des langjährigen Bürgerkriegs. Der Bürgerkrieg dauerte insgesamt 27 Jahre. Die 1966 gegründete Unita bekämpfte ursprünglich die portugiesische
Kolonialmacht. Nach der Unabhängigkeit 1975 führten die Rebellen Krieg
gegen die linksgerichtete Regierung. Die Unita wurde dabei massiv von den USA unterstützt. Auf Seiten der angolanischen Regierung kämpften zeitweise cubanische Soldaten. Insgesamt sind über 500.000 Menschen bei den Kämpfen umgekommen.
Schon einmal, 1994, wurde ein Friedensvertrag unter Vermittlung der UNO ausgehandelt. Doch er scheiterte genauso wie viele andere Versuche internationaler Gremien, dem Krieg ein Ende zu bereiten.
Die wechselhafte Geschichte des Bürgerkriegs in den letzten Monaten möchten wir im Folgenden in ein paar Etappen in Erinnerung bringen:
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Noch im Mai 2001 meldeten die Agenturen, dass nach einem überraschenden Angriff der Unita rund 100.000 Angolaner aus der Region Caxito geflohen sind. Caxito liegt 50 Kilometer nordöstlich von Luanda. Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks (Unicef) wurden während des Angriffs am 5. und 6. Mai 60 Kinder und ein Lehrer aus einem Kinderdorf entführt. Die entführten neun Mädchen und 51 Jungen waren zwischen zehn
und 18 Jahre alt. Für sie bestand die Gefahr, von den bewaffneten Gruppen als Lastenträger
oder Kindersoldaten eingesetzt zu werden. Die Vereinten Nationen forderten die
sofortige Freilassung der Kinder. Vier Mitarbeiter von Hilfsorganisationen waren außerdem ermordet worden. Insgesamt kamen nach Angaben der Welthungerhilfe mehr als 100
Menschen ums Leben. Viele wurden verletzt.
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Bei einem Anschlag auf einen Zug in Angola sind am 11. August 2001 mindestens 91
Menschen ums Leben gekommen. Unita-Terroristen hatten eine Mine auf die
Gleise gelegt. Der Zug hatte sich auf der Fahrt von Luanda nach Dondo östlich der
Hauptstadt befunden. Er bestand aus mehreren Personenwagen sowie aus
Güter- und Tankwaggons. Durch die Explosion der Mine entgleiste der Zug,
Tankwagen gerieten in Brand. Offenbar eröffneten Heckenschützen das Feuer
auf die Fahrgäste und tauchten dann unter. Hinter dem Anschlag konnte nur die Rebellenorganisation Unita stehen. Die Bahnstrecke zwischen Luanda und Dondo war seit mehreren Jahren nicht mehr angegriffen worden. Sie hatte daher als sicher gegolten. In den Personenwagen des Zuges hatten
sich etwa 500 Fahrgäste befunden. Bei dem Anschlag wurden zudem 146 Menschen
verletzt, berichtete das portugiesische Fernsehen in der Nacht zum 12. August.
Wenige Tage später musste die Zahl der Toten beim Zugüberfall auf 252
korrigiert worden. Die Zahl der Verletzten gab die Regierung jetzt mit 165
Personen an. Die angolanische Regierung warf der Unita vor, mit dem "barbarischen
Angriff" die Zivilbevölkerung zu terrorisieren. Die Rebellen hätten den Zug
durch eine Explosion zum Stehen gebracht und dann wahllos in die Menge
geschossen, zitierte am 15. August die portugiesische Nachrichtenagentur Lusa
ein offizielles Schreiben. Die Regierung in Luanda forderte von den Vereinten
Nationen mehr Druck auf die Rebellenorganisation.
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, bezeichnete den
Anschlag als "unentschuldbar" und machte die Rebellen voll für die Toten
verantwortlich.
An der Grenze zwischen Angola und der Demokratischen Republik Kongo
haben die Vereinten Nationen am 15. August mit der
Notversorgung der rund 40.000 Flüchtlinge begonnen. Bei den Flüchtlingen handelt es sich um Angolaner, die von der Unita aus ihren Dörfern vertrieben wurden. Sie sitzen im Grenzgebiet fest und dürfen nicht nach Kongo einreisen.
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Durch heftige Kämpfe Mitte Oktober 2001 sind innerhalb einer Woche
mindestens 3.500 neue Flüchtlinge nach Sambia gekommen, berichteten
die Vereinten Nationen. Die Menschen waren in einem "jämmerlichem Zustand", so
das UN-Flüchtlingshilfswerk. Fast 60 Prozent von ihnen waren Kinder, fast
alle unterernährt.
Der Bürgerkrieg in Angola treibt immer wieder Tausende in die Flucht. Die
Vereinten Nationen befürchten neue Probleme in den überfüllten
Flüchtlingslagern. Mehr als 400.000 angolanische Flüchtlinge leben bereits in den Nachbarländern,
vor allem in Sambia.
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Die angolanische Armee hat am 23. Februar 2002 Journalisten die Leiche des
getöteten Rebellenführers Savimbi gezeigt. Der Tod des
UNITA-Chefs nährte plötzlich die Hoffnung auf Frieden. Der 68-jährige angolanische Rebellenführer Jonas Savimbi war laut Darstellung der Regierung im Gefecht erschossen worden. Die Öffentlichkeit konnte sich
nun von seinem Tod überzeugen: Der staatliche Fernsehsender
Televisao Popular de Angola strahlte Bilder der Leiche aus. Savimbis Gesicht war deutlich zu erkennen,
meldete die Nachrichtenagentur AP. Körper und Hals wiesen Schussverletzungen auf. Die Leiche war auf einem Tisch abgelegt. Einen Tag zuvor ging bereits die Kunde wie ein Lauffeuer durch das Land, der Chef der Rebellenbewegung "Nationale Union für die vollständige Unabhängigkeit Angolas" (UNITA) sei
im Kampf mit Regierungstruppen getötet worden. Die Regierung informierte am 23. Februar auch Vertreter der Vereinten Nationen sowie ausländische Diplomaten. Der UN-Gesandte in Angola, Mussagi
Jeichande, bedauerte zwar den gewaltsamen Tod Savimbis. Er betonte aber, dass
damit ein Ende des Bürgerkriegs in Angola möglich werde. - Die angolanische Regierung forderte die Rebellen in einer offiziellen Erklärung zur Aufgabe auf.
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Mitte März rief die Regierung einen einseitigen Waffenstillstand aus. Am 30. März unterzeichneten die angolanische Regierung und die Rebellenorganisation Unita in der Provinzmetropole Lwena einen Friedensvertrag. Darin wurde ein Ende der Auseinandersetzungen und Frieden im ganzen Land versprochen.
Allerdings: Frieden sollte es eigentlich bereits 1991 und 1994 geben. Auch damals hatten
beide Seiten bereits Friedensverträge unterzeichnet. Sie wurden in beiden Fällen wenig später von der Unita gebrochen.
Pst
Quellen: Netzeitung; Weltarchiv
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