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Afrikas Filetstücke

Studie: Großprojekte von Industriestaaten zur Agrarförderung nützen vor allem internationalen Konzernen. Armut und Hunger werden nicht wirksam bekämpft

Von Jana Frielinghaus *

Riskant und weitgehend nutzlos« seien große, staatlich geförderte Agrarprojekte privater Unternehmen in Afrika – zumindest für die Landbevölkerung und für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern. Zu diesem Fazit kommt eine Untersuchung der internationalen Entwicklungsorganisation Oxfam, die am Montag veröffentlicht wurde. Dabei sind jene in der Studie »Mega«-Public-Private-Partnerships (PPP) genannten Kooperationsprojekte westlicher Konzerne mit dem erklärten Ziel der Bekämpfung von Armut und Hunger auf dem Kontinent gegründet worden.

Die Untersuchung umfaßt eine umfangreiche Literaturrecherche, Experteninterviews und drei Fallstudien aus dem westafrikanischen Burkina Faso sowie aus Malawi und Tansania im Osten des Kontinents. David Hachfeld, Wirtschaftsexperte bei Oxfam Deutschland, sagte am Montag in Berlin, von den Entwicklungsgeldern für die Großprojekte profitierten »die Privilegierten und Mächtigen, während »ärmere Bevölkerungsgruppen an den Rand gedrängt werden, vor allem Frauen«. Die Gründe dafür seien unter anderem Konflikte um Land und Wasser, die sich infolge der Megaprojekte oft verschärfen, steigende Preise auf lokalen Märkten und Umweltschäden. Die Menschen vor Ort und lokale Autoritäten würden vielfach nicht oder kaum in die Entscheidungen über die Vorhaben einbezogen. Den Konzernen werde dagegen mit öffentlichen Geldern die Erschließung neuer Märkte für Saatgut, Pestizide, Düngemittel und Maschinen erleichtert, kritisieren Nichtregierungsorganisationen. Kooperationsabkommen führten unter anderem zu Gesetzen, die Bauern hindern, eigenes Saatgut frei zu teilen, zu tauschen oder zu verkaufen, und sie zur Verwendung teurer, lizensierter Ware von Agrarmultis wie Monsanto nötigen.

In Malawi zum Beispiel fördert die Europäische Union (EU) ein Projekt mit dem Ziel, Kleinbauern in die Lieferkette des südafrikanisch-britischen Zuckerkonzerns Illovo zu integrieren. Doch bei der Landvergabe wird die lokale Bevölkerung übergangen. Während der Konzern riesige Plantagen anlegt, verschärft sich die Armut der Kleinbauern. In dem ostafrikanischen Land gibt es deshalb nach Oxfam-Angaben inzwischen starken Widerstand gegen das Illovo-Projekt.

Die wohl größte internationale PPP ist die Neue Allianz für Ernährungssicherung (New Alliance for Food Security and Nutrition) der G-8-Staaten, die von US-Präsident Barack Obama vor zwei Jahren in Camp David verkündet wurde. Zu den zehn Empfängerländern der Segnungen der westlichen Agrarindustrie gehören Tansania, Äthiopien, Moçambique, Ghana, Côte d’Ivoire und Burkina Faso. Außerdem sind rund 80 Unternehmen, vor allem aus den USA und Europa, aber auch aus einigen afrikanischen Staaten, an der Allianz beteiligt. Die Industriestaaten haben für die Förderung von Allianz-Projekten insgesamt bereits fast sechs Milliarden US-Dollar an öffentlichen Mitteln zugesagt. Weitere 1,5 Milliarden Dollar in Form von Zuschüssen und Darlehen werden für die sogenannten Wachstumskorridor-Programme (siehe dazu und zur Neuen Allianz die jW-Beilage Land & Wirtschaft vom 7.8.2013) in fünf afrikanischen Staaten versprochen.

Eine Einzeluntersuchung zu den Folgen von New-Alliance-Projekten in Burkina Faso hatte Oxfam bereits im Mai veröffentlicht. Dort drohe die Allianz, Kleinbauern ihre Existenzgrundlage zu rauben, indem sie um ihr Land gebracht würden, informierte Marita Wiggerthale, Agrarexpertin von Oxfam Deutschland. Die Regierung des Landes hat Investoren im »Wachstumskorridor« Bagré Pole Steuer- und Handelserleichterungen sowie die Bereitstellung von bewässertem Land versprochen. Für den Bau eines Bewässerungssystems sollen in dem Gebiet 3000 Menschen temporär umgesiedelt werden. Derzeitigen Planungen zufolge bekommen sie später nur einen Teil ihres Landes zurück. Der bewässerte Grund wird nach Oxfam-Informationen zunächst knapp 13000 Hektar umfassen, von denen die Kleinbauern aber nur 20 Prozent bewirtschaften dürften. Ausländische Unternehmen sollen den »Rest« bestellen und dafür Pachtverträge mit Laufzeiten zwischen 18 und 99 Jahren bekommen.

Auch die Bundesregierung hat im Rahmen der Neuen Allianz rund 400 Millionen Dollar Entwicklungshilfe für ländliche Entwicklung und Landwirtschaft zugesagt. Außerdem stellt sie für die sogenannte German Food Partnership (GFP, siehe dazu jW vom 8.11.2013), an der Agrarkonzerne wie Bayer, BASF und Syngenta beteiligt sind, 20 Millionen Euro bereit. Bayer konnte nach Angaben von Oxfam dank einer »produktneutralen« Schulung in Kenia im Rahmen der GFP bereits über 20 Prozent mehr Pestizide an Kleinbauern verkaufen.

Ein Bündnis von elf Entwicklungs-, Umwelt- und Bauernorganisationen in Deutschland hat bereits Anfang Mai eine Onlinepetition unter dem Motto »Keine Entwicklungshilfe für Agrarkonzerne!« gestartet, mit der die Bundesregierung aufgefordert wird, sich entweder für eine Reform der Neuen Allianz einzusetzen oder sich aus ihr zurückzuziehen, und keine staatlichen Gelder mehr für Agrarmultis bereitzustellen. Das Kabinett soll zudem offenlegen, wer wofür wieviele Entwicklungshilfegelder im Bereich Landwirtschaft und Ernährungssicherung erhält. Künftige Hilfsmaßnahmen sollten sich vor allem auf die Stärkung lokaler Märkte, auf die Unterstützung von Kleinbauern und die Förderung einer umweltgerechten Landwirtschaft konzentrieren. Bislang wurde der Appell von mehr als 54000 Menschen unterzeichnet.

* Aus: junge Welt, Mittwoch 3. September 2014

Links zur Studie:

Deutsche Kurzfassung der Oxfam-Studie:
HOHES RISIKO. Mega-PPPs in der afrikanischen Landwirtschaft

Vollständige Studie (pdf):
MORAL HAZARD? ‘Mega’ public–private partnerships in African agriculture




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