Die Wirtschaft entdeckt Afrika wieder
Bundeskanzlerin Angela Merkel bereist den Kontinent gemeinsam mit einem Unternehmertross
Von Katrin Gänsler, Abuja *
Es setzt auch für andere europäische Länder Zeichen, wenn die deutsche Bundeskanzlerin Angela
Merkel mit einem Tross von Wirtschaftsvertretern Afrika besucht. Der Kontinent birgt angesichts
seines Wirtschaftswachstums enormes Potenzial.
Früher waren es Entwicklungsgelder oder zumindest die Aussicht darauf, die europäische Politiker
bei Reisen nach Afrika gerne im Gepäck hatten. Seit Montagmittag ist auch die deutsche
Bundeskanzlerin Angela Merkel in Afrika unterwegs. Für ihre Reise nach Kenia, Angola und Nigeria
hat sie allerdings weniger Geldgeschenke eingepackt. Stattdessen hat sie einen Tross von
Wirtschaftsvertretern im Schlepp. Entwicklungshilfekontinent Afrika – das war einmal. Jetzt soll
investiert werden.
Dafür scheinen sich einige der i 54 Staaten des Kontinents besonders anzubieten. Hoch im Kurs
könnte Nigeria stehen, wo die Bundeskanzlerin am Donnerstag gemeinsam mit dem nigerianischen
Präsidenten Goodluck Jonathan von der Demokratischen Volkspartei (PDP) ein zweitägiges deutschnigerianisches
Wirtschaftsforum eröffnet. Mit geschätzten 150 Millionen Einwohnern ist Nigeria das
bevölkerungsreichste Land Afrikas. Bei den Vereinten Nationen schätzt man, dass die
Einwohnerzahl in den kommenden 90 Jahren auf 720 Millionen ansteigen könnte. Für den ganzen
Kontinent sagen Experten bis zum Jahr 2150 rund 2,3 Milliarden Bewohner voraus, was – betrachtet
man die Bewohner nur als zahlende »Konsumenten« – Afrika zu einem höchst interessanten
Exportmarkt machen könnte.
Nach dem Einbruch im Zuge der Weltfinanzkrise im Jahr 2009 scheint sich nun auch wieder das
Wirtschaftswachstum zu entwickeln. Vergangenes Jahr lag die Steigerungsrate bei 4,8 Prozent.
Mancherorts waren die Zahlen weitaus höher, etwa im Diamantenstaat Botswana mit 8,6 Prozent
und in Nigeria mit 7,85 Prozent. Damit ist der Kontinent nach Einschätzung der African Development
Bank Group die am drittschnellsten wachsende Region der Erde. Was man in China übrigens schon
vor Jahren entdeckt hat. Seitdem liefert die Volksrepublik immer mehr Produkte »Made in China«,
baut wie ein Weltmeister und bemüht sich um die Rohstoffe, die Afrika zu bieten hat.
Afrika scheint deshalb nun auch wieder ins Blickfeld europäischer Unternehmer zu rücken. Doch
trotz vielversprechender Zahlen auf dem Papier ist der Zugang zum Markt häufig mit Schwierigkeiten
verbunden. In Nigeria etwa fehlt es an Fachkräften, die Infrastruktur ist marode und die
Stromversorgung mangelhaft. In der Wirtschaftsmetropole Lagos, dem wichtigsten nigerianischen
Unternehmensstandort, fällt der Strom fast täglich aus, manchmal kommt er nach Stunden,
manchmal aber auch erst nach Tagen zurück. »Als Produktionsstätte ist das Land deshalb
schwierig«, gesteht André Rönne, Delegierter der deutschen Wirtschaft in Nigeria. Nicht zu
unterschätzen seien auch die bürokratischen Hürden, sagt Patrick Reuter, Westafrika-Experte im
Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft. »Sie sind häufig ein Hauptproblem für ein erfolgreiches
Geschäft. Man muss sicher mehr Zeit dafür planen als etwa in Europa.« Wichtig sei es deshalb, von
Anfang an mit vertrauenswürdigen und starken einheimischen Partnern zusammenzuarbeiten. Die
könnten Unternehmer aus Europa insbesondere auf einen Aspekt vorbereiten: Die Mentalität ist eine
ganz andere. »Nur wer bereit ist, sich den lokalen Gegebenheiten anzupassen, wird langfristig
erfolgreich sein«, warnt Reuter.
Hartnäckig geht einigen Ländern ein schlechter Ruf voraus. Das hat auch Unternehmerin Ibukun
Awosika als Lagos gespürt, als sie vor einigen Jahren für die Produktion von Büromöbeln nach
einem Geschäftspartner in Europa suchte. Als die Chefin des Sokoa Chair Centres ihren späteren
Partner aus Frankreich zum ersten Mal nach Nigeria einlud, wollte der keine 24 Stunden bleiben.
»Er dachte, es sei viel zu gefährlich hier«, erinnert sich Ibukun Awosika, die vielfach mit
Unternehmerpreisen ausgezeichnet worden ist.
Ähnliche Besorgnisse erregt bei vielen die Korruption, die sich durch weite Teile der Gesellschaft
zieht. Während etwa Botswana schon in der Vergangenheit vehement auf Korruptionsbekämpfung
setzte, stecken entsprechende Bemühungen in Nigeria noch in den Kinderschuhen. Ein
ermutigendes Signal geht derzeit von den staatlichen Korruptionsbekämpfern – der Economic and
Financial Crimes Commission (EFCC) – aus. In den vergangenen Wochen haben sie Ermittlungen
gegen führende Politiker und mehrere Bankenbosse angestoßen. Das macht letztendlich vor allem
eines deutlich: Afrika ist auch selbst in der Verantwortung, Politiker müssen Standards schaffen und
einhalten, um ihre Länder attraktiv zu machen.
* Aus: Neues Deutschland, 13. Juli 2011
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