Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Kopfgeldjagd in Afrika

USA verschärfen "Antiterrorkampf" im Westen des Kontinents

Von Simon Loidl *

Am Montag hat das Verteidigungsministerium der USA Belohnungen für die Ergreifung von Anführern in Afrika operierender islamistischer Gruppen ausgesetzt. Zwischen fünf und sieben Millionen Dollar bietet das State Department laut New York Times für Informationen, die zum Auffinden von »Anführern terroristischer Organisationen« in Westafrika führen. Konkret richtet sich die Kopfgeldjagd gegen Yahia Abu El-Hamman, mutmaßlicher Chef von »Al-Qaida im islamischen Maghreb« (AQIM), gegen Mokhtar Belmokhtar, Kopf der von der AQIM abgespaltenen Gruppe »Die mit Blut Unterzeichnenden«, sowie gegen Abubakar Shekau, der derzeit die nigerianische Boko-Haram-Sekte leitet. Belmokhtar, der im Januar dieses Jahres den Angriff auf ein Gasfeld in Algerien angeführt haben soll, sei verschiedenen Angaben zufolge bei einem Einsatz der tschadischen Armee im Norden Malis getötet worden. Das State Department glaubt das allerdings nicht, bis heute herrscht Unklarheit über seinen Verbleib. Geringere Summen wurden für weitere Führungspersonen der drei Organisationen ausgelobt.

Die Kopfgelder haben vor allem symbolischen Charakter. Zum einen unterstreicht Washington, daß es sich aus Sicht der USA bei den unterschiedlichen Gruppen um einen gemeinsamen und koordiniert agierenden »Feind« handelt. Über eine Zusammenarbeit etwa von AQIM und Boko Haram wurde während der vergangenen Monate immer wieder spekuliert – konkrete Beweise dafür gibt es aber nicht. Dennoch dienen diese Spekulationen bereits jetzt für die Rechtfertigung westlicher »Antiterror«-Einsätze. Darüber hinaus machen die USA mit der Prämie deutlich, daß sie sich ab sofort stärker in der Region engagieren wollen. Bis jetzt hatte man den als »Antiterrorkampf« getarnten Wettlauf um Einfluß in Nordwest- und Westafrika den ehemaligen europäischen Kolonialmächten überlassen. Vor allem Frankreich konnte sich mit seinen Angriffen auf Côte d‘Ivoire, Libyen und zuletzt Mali erneut als Regionalmacht etablieren. Nun will Washington offenbar nachziehen und nützt dabei die derzeitige Situation in Nigeria für seine Zwecke.

Dort führt die Armee seit einigen Wochen eine Offensive gegen Boko Haram durch, das Land befindet sich am Rande eines Bürgerkriegs. Nach Angaben der Regierung haben die Kämpfe bereits zu einer entscheidenden Schwächung der Sekte geführt. Armeeangehörige berichteten allerdings bis vor kurzem, daß die islamistischen Kämpfer gut ausgerüstet seien und militärischen Widerstand leisten würden (siehe jW vom 23.5.2013). Mitte Mai hatte Nigerias Präsident Goodluck Jonathan für die Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa im Nordosten des Landes den Notstand erklärt. Die von Boko Haram zu verantwortende Gewalt habe ein Ausmaß erreicht, das »außergewöhnliche Maßnahmen« erforderlich mache, so Jonathan damals. Es handle sich um »Rebellion und Aufstand«, gegen die der Präsident Tausende zusätzliche Soldaten und Antiterroreinheiten in die Region entsandte. In der Folge kam es zu schweren Kämpfen, die nigerianische Armee setzte Hubschrauber und Kampfflugzeuge ein. Binnen weniger Tage flohen Tausende Menschen in die benachbarten Staaten Kamerun und Niger. Politiker der Region sprachen kurz nach Beginn der Offensive von einer »indirekten Kriegserklärung« Jonathans gegen den Norden des Landes. In diesem Krieg will Washington nun offenbar mitmischen und setzte das höchste Kopfgeld für die Ergreifung von Boko-Haram-Anführer Abubakar Shekau aus. Sieben Millionen Dollar bietet das State Department für sachdienliche Hinweise.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 5. Juni 2013


Zurück zur Afrika-Seite

Zur Terrorismus-Seite

Zurück zur Homepage