Diskretion statt Transparenz
Immer mehr afrikanische Länder locken mit Steuerparadiesen. Viele Milliarden Dollar werden auf Schwarzgeldkonten gebunkert
Von Hilaire Avril, IPS *
Es gibt viele Beispiele: Mauritius, Dschibuti und die Seychellen schützen ausländisches Kapital vor neugierigen Steuerbehörden. Fremde Reedereien schicken ihre Flotten häufig unter liberianischer Billigflagge über die Meere. Einschlägige Finanzkreise schätzen das kleine Botswana als »afrikanische Schweiz«, und in Kenia denkt man über die Einrichtung eines »Nairobi International Financial Centre« nach, um ausländisches Schwarzgeld anzulocken.
»Hier herrscht ein gesamtafrikanischer Handlungsbedarf«, erklärte Alvin Mosioma, Koordinator des Netzwerks »Steuergerechtigkeit für Afrika«. Die Aktivisten sind angesichts der in Afrika immer zahlreicher anzutreffenden Steuerparadiese alarmiert. Sie vermissen in den Finanzzentren, in denen sich Fluchtkapital zu besten Konditionen bunkern läßt, jegliche Transparenz und fordern gerechte Steuersysteme, um die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Kontinents voranzubringen.
Die Afrikanische Union hat zwar ein besonderes Gremium zur Kontrolle illegaler Kapitalströme eingerichtet, dem auch Südafrikas früherer Staatspräsident Thabo Mbeki angehört, und auch die Konferenz des Forums afrikanischer Steuerverwaltungen von 2008 war ein vielversprechender Anfang. »Doch zum Problem mangelnder Transparenz von Finanztransaktionen haben die Afrikaner zu lange geschwiegen«, kritisiert Mosioma.
Die Befürworter von Steuerparadiesen behaupten, mit derartugeb Zentren lasse sich der afrikanische Finanzsektor modernisieren und seine Verwaltung vereinfachen. Doch der schädliche Einfluß dieser sicheren Häfen für Fluchtkapital und Schwarzgeld ist hinreichend dokumentiert. So haben erst kürzlich Nachforschungen ergeben, daß Jahr für Jahr Milliarden US-Dollar aus armen Ländern auf den britischen Kanalinseln oder in der Karibik auf geheimen Konten landen. »Die globale Finanzwirtschaft befürwortet trotz der weltweiten Bankenkrise von 2008 weiterhin eine Liberalisierung der grenzüberschreitenden Kapitalströme als bestmögliche Praxis, die sie auch den Entwicklungsländern empfiehlt«, stellt Mosioma fest. Doch in jüngster Zeit regt sich mancherorts Zweifel an der Einrichtung vermeintlich segensreicher Steuerparadiese. So etwa entzog Ghanas Regierung der Barclay’s Bank die zuvor erteilte Lizenz zum sogenannten Offshorebanking. Die Finanzwirtschaft des westafrikanischen Landes kritisierte das Vorgehen, doch Ghanas Zentralbank befürchtete offenbar, hier könnte illegales Geld aus der Region gewaschen werden.
Der Analyst Nicholas Shaxson lobt die Regierungsentscheidung als »herzerfrischende Einsicht«. In seinem kürzlich veröffentlichten Buch »Treasure Islands: Tax Havens and the Men who Stole the World« zieht er eine kritische Bilanz des globalen Finanzsystems. »In afrikanischen Ländern, deren Wirtschaft hauptsächlich vom Export von Rohstoffen abhängig ist, steigert die Einrichtung von Steuerparadiesen die Ausbeutung dieser Ressourcen ins Unermeßliche«, warnte Shaxson. »Nigeria beispielsweise kassiert Milliarden an Öldollars. Die Bevölkerung profitiert nicht davon. Im Gegenteil: Die Inflation wird in die Höhe getrieben und die Exporte einheimischer Produktionsbereiche wie Landwirtschaft und Fertigungsindustrie, die Arbeitsplätze schaffen, werden erschwert«.
Ungeachtet dieser Risiken kümmerten sich die internationalen Organisationen bislang kaum um die Problematik der Steueroasen, meint Shaxson. »Das von der OECD etablierte ›Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes‹ ist eine der wenigen Institutionen, die das Offshorebanking ins Visier nehmen.«
* Aus: junge Welt, 24. August 2011
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