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"Der Markt ist keine Lösung"

Ruth Nyambura über den Klimawandel, gegen den nur gemeinsam etwas getan werden kann *


Auf dem afrikanischen Kontinent sind die Folgen des Klimawandel längst deutlich spürbar. Ruth Nyambura vom African Biodiversity Network spricht im Interview über westliche Bevormundung und ihre Hoffnungen zum Ausgang des Weltklimagipfels. Susanne Schwarz traf sie in Warschau.


Wie macht sich in Afrika der Klimawandel bemerkbar?

Durch die fortschreitende Wüstenbildung wird es immer schwerer für die Menschen, zu Hause Nahrung zu produzieren oder Wasser zu bekommen. Deshalb gibt es Klimaflüchtlinge. Der Klimawandel verstärkt die ethnischen Konflikte, die es sowieso schon gibt. Außerdem ist er ein besonders großes Problem für Frauen. Das kann man gar nicht oft genug sagen. In Afrika geht es dabei ja vor allem um Bäuerinnen – nicht um Ärztinnen oder Rechtsanwältinnen. Sie müssen oft vor Ort bei ihren Kindern bleiben, während Männer sich auch von zu Hause wegbewegen. Hier brauchen wir Empowerment.

Etwa 60 Prozent der Agrarflächen liegen in Afrika, viele Menschen leben von der Landwirtschaft. Wo liegen in Bezug auf den Klimawandel die Hauptprobleme?

Uns wird die konventionelle Landwirtschaft vorgeschrieben. Das heißt: Chemikalien, genmanipuliertes Saatgut – und es wird so viel fossile Energie gebraucht, um das alles zu produzieren. Das ist doch nicht gut fürs Klima. Man lässt das Wissen der Bauern einfach außer Acht. Agrarwirtschaft sollte von der Natur kommen, wir brauchen gar keine Chemikalien, die dann in den Boden gespült werden. Wir haben aber nicht die finanziellen Mittel, um das selbst in die Hand zu nehmen. Die konventionelle Landwirtschaft ist außerdem etwas für Großkonzerne. Man muss aber bedenken: Über 85 Prozent der afrikanischen Landwirtschaft werden von Kleinbauern gestemmt.

Wie viel Aufmerksamkeit bekommt der Klimawandel in der Politik?

Um ehrlich zu sein: Das Thema spielt überhaupt erst seit einem oder zwei Jahren – seit dem Klimagipfel im südafrikanischen Durban – eine Rolle. Aber in Afrika spricht man eigentlich auch nicht vom »Klimawandel«, sondern von »globaler Erwärmung«. Der Klimawandel ist natürlich komplex. Viele Menschen denken aber, dass es einfach heißer wird. Es gibt zu wenig Informationen darüber. Wir haben Journalisten, die gar nicht wissen, was Klimawandel ist, aber trotzdem darüber schreiben. Das ist nun die Aufgabe von Organisationen wie meiner: Journalisten zusammenbringen und ausbilden, damit gut über das Thema berichtet werden kann. Auch die Gesetzgebung erscheint in Bezug auf das Thema oft völlig unvorbereitet oder auch gleichgültig.

Wenn das Thema in Afrika selbst eher untergeht, was bewirkt die westliche Politik bisher?

Ein Beispiel: Auf dem Klimagipfel in Kopenhagen haben die EU und andere Druck auf die afrikanischen Staaten ausgeübt – entweder ihr stimmt zu oder wir geben euch kein Geld mehr. Aus Europa und den USA kommen so viele Gelder. Wenn die afrikanischen Regierungen das sehen, denken sie: Endlich können wir mal etwas machen und aufholen! Dabei vergessen sie zu gucken, um was für Projekte es sich handelt und ob die wirklich förderlich sind. Es wird sich einfach zu viel auf Marktmechanismen verlassen. Das ist aber keine Lösung für Probleme. So spielen wir einfach nur die Entwicklung des Westens nach.

Was erhoffen Sie sich vom Weltklimagipfel in Warschau?

Dass eingesehen wird, dass Marktmechanismen wie Emissionshandelssysteme keine Lösungen sind. Die Menschen müssen in ihrer Eigenständigkeit gestärkt werden. Die Macht wird den Menschen weggenommen und den Konzernen gegeben, auch den Regierungen. Gegen den Klimawandel können aber nicht nur einzelne Vertreter vorgehen, da braucht man alle!

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 19. November 2013


Inselstaaten fordern Schutz durch UNO

Meere sollen eigenes Nachhaltigkeitsziel erhalten

Von Thalif Deen, New York *


Viele kleine Inselentwicklungsstaaten (SIDS) wie Papua-Neuguinea, Samoa, die Malediven, Tonga, Nauru und Kiribati werden durch den Anstieg der Meere infolge des Klimawandels in ihrer Existenz bedroht. Angesichts der Gefahr fordern sie, dem Schutz der Ozeane und der Meeresressourcen ein eigenes UN-Nachhaltigkeitsziel (SDG) zu widmen. Die derzeit diskutierten SDGs werden die Millenniumsentwicklungsziele ablösen, die Ende 2015 auslaufen.

Wie Hassan Hussain Shihab, erster Sekretär der diplomatischen Mission der Malediven bei den Vereinten Nationen, gegenüber IPS erklärte, genießen die Meere für den 339 000 Einwohner zählenden Inselstaat im Indischen Ozean oberste Priorität. »Ein Meeres-SDG kann über unsere Existenz, Lebensgrundlage und Identität entscheiden.«

Die Bedeutung der Ozeane, die 70 Prozent der Oberfläche des Planeten ausmachen, darf nicht hoch genug geschätzt werden, wie Shihab meint. »Sie regulieren unser Klima, versorgen uns mit natürlichen Ressourcen und sind wichtig für den internationalen Handel, Erholung und kulturelle Aktivitäten. Aus diesem Grund fordern wir ein Nachhaltigkeitsziel, das sich allein den Ozeanen einschließlich der Küstengebiete, der exklusiven Wirtschaftszonen und der Tiefsee widmet.«

Mark Neo, ständiger Vizevertreter Singapurs, umschreibt die Ozeane als die Lebensadern der Wirtschaft seines Landes. »Als Warenumschlagplatz hängen wir vom Seehandel ab. Und unsere Ozeane sind reich an kostbaren Ressourcen.« Der König von Tonga, Tupou VI., erklärte, dass er sich den Forderungen der anderen SIDS nach einem eigenen Meeresnachhaltigkeitsziel anschließen werde.

Winston Baldwin Spencer, Ministerpräsident von Antigua und Barbuda, vermisst einen starken internationalen Rückhalt für die SDGs. »Die allgemein anerkannte Tatsache kann nicht oft genug wiederholt werden: die SIDS sind die Letzten, die für den Klimawandel verantwortlich gemacht werden können, doch leiden sie am stärksten an den Folgen«, erklärte er auf einer Sitzung der UN-Vollversammlung im September. »Wir kleinen Inselstaaten sind enttäuscht über den Mangel an internationalem Engagement.« IPS/nd

** Aus: neues deutschland, Dienstag, 19. November 2013


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