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Afrikaner lassen sich nicht lumpen

AU-Konferenz mobilisiert 356 Millionen Dollar / Privatbevölkerung in Kenia extrem spendabel

Von Martin Ling *

Eine Geberkonferenz der Afrikanischen Union (AU) zur Hungersnot in Ostafrika hat Hilfszusagen in Höhe von immerhin 356 Millionen Dollar (247 Millionen Euro) gebracht. Zu den benötigten 1,1 Milliarden Dollar klafft weiter eine große Lücke.

Am Vorsatz lag es nicht: »Wir wollen keine Worte, wir wollen Taten sehen«, sagte der Sprecher der AU-Kommission, Noureddine Mezni, zum Auftakt des Treffens in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Um die notwendigen 2,4 Milliarden Dollar (1,6 Milliarden Euro) an Hilfen für die Dürreopfer zusammenzubekommen, würden noch 1,1 Milliarden Dollar benötigt. Daran müsse auch die afrikanische Privatwirtschaft beteiligt werden.

Dass diese Milliarden nicht vorrangig von den meist armen afrikanischen Länder aufgebracht werden können, ist allen klar, aber die AU und ihre Mitgliedstaaten stehen in der Mitverantwortung. Zum Auftakt der Konferenz in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba räumte AU-Kommissionspräsident Jean Ping Fehler ein. »Wir sind zwar noch eine junge Organisation, und es ist das erste Mal, dass wir mit einer solchen Krise konfrontiert sind«, sagte er. »Trotzdem war die Reaktion der Afrikanischen Union langsam und unzureichend.«

Einzig die Staats- und Regierungschefs aus Äthiopien, Somalia, Dschibuti und Äquatorialguinea waren bei dem Gipfel zu sehen. Die AU hat 54 Mitgliedsstaaten. In den vergangenen Wochen war die Kritik an den afrikanischen Regierungen gewachsen, weil sie sich kaum an den Hilfen für Ostafrika beteiligt hatten.

Immerhin sagten nach vorläufigen Berichten mehrere Nationen, unter ihnen Ägypten, Algerien und Nigeria, Hilfen für die betroffenen Länder zu. Insgesamt erbrachte die Geberkonferenz Hilfszusagen in Höhe von 356 Millionen Dollar (247 Millionen Euro). Der Großteil entfiel auf die Afrikanische Entwicklungsbank mit 300 Millionen Dollar, wie AU-Kommissionspräsident Jean Ping mitteilte. Der Rest der Gelder sei von afrikanischen Staaten und privaten Gebern gekommen. Bis zur Konferenz hatten die afrikanischen Regierungen nach Angaben der privaten Spendenkampagne Africans Act 4 Africa (AA4A) nur 21 Millionen Dollar an Hilfen zugesichert.

Spendabler zeigen sich die afrikanischen Menschen. In Kenia folgten dem Aufruf einer Bank, einer Mobilfunkgesellschaft und des Verlegerverbandes zigtausende Menschen und spendeten bereits rund sechs Millionen Dollar – eine immense Summe bei einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen von 1600 Dollar pro Jahr.

Kenia gehört neben Äthiopien, Somalia, Eritrea, Dschibuti und Uganda zu den von der Dürre am Horn von Afrika geplagten Ländern. Besonders betroffen ist Somalia, wo nach Angaben des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) mehr als 390 000 Kindern der Hungertod droht.

* Aus: Neues Deutschland, 26. August 2011


Nachhaltig gegen Hunger

Von Martin Ling **

Ein historisches Ereignis war es auf alle Fälle. Zum ersten Mal organisierte die Afrikanische Union eine eigene Geberkonferenz, um einer Katastrophe zu Leibe zu rücken. Und darum handelt es sich angesichts 12,4 Millionen vom Hungertod bedrohter Menschen ohne Frage. Dass die afrikanischen Regierungen sich finanziell stärker ins Zeug legen als bisher, ist dabei nur ein Aspekt unter vielen. Denn für die akute Nothilfe wird man um die Unterstützung der Industriestaaten nicht herumkommen.

Wichtiger als die Finanzzusagen ist es, in Addis Abeba einen Kurswandel in der Agrarpolitik einzuleiten. 1960 war Afrika noch Selbstversorger, heute sind viele Länder auf Importe angewiesen, weil die heimische Landwirtschaft der Liberalisierung und den Dumpingexporten nicht standhalten konnte. Sowohl die an Schalthebeln der Entwicklungspolitik sitzenden Geber als auch die Nehmerländer selbst haben seit den 80er Jahren die ländliche Entwicklung sträflich vernachlässigt und zahlen jetzt – durch Klimawandel und Nahrungsmittelspekulation verschärft – die Zeche in Form extremer Verwundbarkeit.

Der Ausweg besteht im Ausbau der Ernährungssouveränität. Das müssen Afrikas Regierungen wollen und der Norden muss es zulassen, denn das lukrative Absetzen von Nahrungsmittelüberschüssen wäre dann Vergangenheit. Nur so ließe sich Hunger nachhaltig bekämpfen.

** Aus: Neues Deutschland, 26. August 2011 (Kommentar)

Afrikanische Antworten auf die Hungerkatastrophe

"Die Geberkonferenz der Afrikanischen Union ist ein bemerkenswerter Schritt. Die Kräfte, die sich schon seit Jahrzehnten für eine tatsächliche Unabhängigkeit ihres Kontinents von neokolonialen und neoliberalen Ausbeutungsstrukturen einsetzen, genießen unsere volle Solidarität“, so Niema Movassat, Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung für die Fraktion DIE LINKE, anlässlich der für heute durch die Afrikanische Union (AU) und die Vereinten Nationen (UN) einberufenen Geberkonferenz für die Hungerleidenden in Ostafrika. Movassat weiter:

"DIE LINKE begrüßt nachdrücklich diese Geberkonferenz von Afrikanern für Afrikaner auf afrikanischem Boden. Neben konkreten Hilfszusagen muss von ihr das Signal ausgehen, dass künftig verstärkt nach afrikanischen Lösungen für Afrika betreffende Probleme gesucht werden wird. Wir brauchen selbstbewusste Regierungen und zivilgesellschaftliche Kräfte in Afrika, die auch gegen internationalen Widerstand für die Interessen ihrer Bevölkerungen einstehen. So müssten endlich die tieferen Ursachen der lange vorhersehbaren Hungerkatastrophe auf den Tisch. Afrika hat die neoliberale Politik westlicher Industrieländer in den letzten Jahrzehnten besonders hart getroffen. Die an marktliberale Bedingungen geknüpfte Auszahlung von Entwicklungshilfegeldern hat die Länder Afrikas in eine tödliche Spirale des wirtschaftlichen Niedergangs geführt. Dazu beigetragen haben die Spekulation mit Nahrungsmitteln und der Landraub der fruchtbarsten Böden durch multinationale Konzerne, die zu den hohen Lebensmittelpreisen wesentlich beitragen.

Ich unterstütze den jüngsten Aufruf der Hilfsorganisation Medico International und fordere die Bundesregierung auf, die strukturellen Ursachen der Hungerkatastrophe zum Anlass für eine radikale Umorientierung ihrer Außen-, Handels- und Entwicklungspolitik zu nehmen. Sie muss sich darüber hinaus zu ihrer politischen Mitverantwortung für das Leid in Ostafrika bekennen. Das Recht auf Nahrung ist ein unteilbares Menschenrecht! Die Menschen in Afrika brauchen keine exportorientierte Landwirtschaft, die nur den wirtschaftlichen Interessen der Industrieländer dient. Vielmehr muss die Bundesregierung langfristig die lokale landwirtschaftliche Produktion für den eigenen Bedarf fördern, wie sie von Kleinbauern betrieben wird."

Pressemitteilung von Niema Movassat, MdB, 25.08.2011




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