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Wer führt Afrika?

Südafrika und Nigeria im Hegemoniestreit

Von Armin Osmanovic, Johannesburg *

Sie sind die beiden Giganten im subsaharischen Afrika: das bevölkerungsund ölreiche Nigeria und das wirtschaftlich potente Südafrika. Außenpolitisch liegen die beiden Regionalmächte über Kreuz und streiten um die Hegemonie.

Mit Laurent Gbagbo fing alles an: Seit Südafrika sich im Streit um die Präsidentschaft in Côte d'Ivoire auf die Seite des inzwischen an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag überstellten ehemaligen Präsidenten geschlagen hatte, sind die Beziehungen zwischen beiden Staaten angespannt. Nigeria hatte wie die anderen westafrikanischen Länder, die Vereinten Nationen, die EU und die USA Allassane Ouattara als Wahlsieger anerkannt und Südafrikas Vermittlungsversuche als wenig hilfreiche Einmischung in die Region verstanden.

Nun will Südafrika einen Spitzenposten in der Afrikanischen Union mit einer eigenen Kandidatin besetzen und muss mit Widerstand aus Nigeria rechnen. Nkosazana Dlamini-Zuma soll den Posten des im Januar ausscheidenden Jean Ping aus Gabun übernehmen, der bisher der Kommission der Afrikanischen Union vorsitzt.

Südafrika will die AU zu einer effektiv arbeitenden Institution entwickeln. Denn die eigene wirtschaftliche Entwicklung bedarf nach Einschätzung der südafrikanischen Politik vor allem stabiler Verhältnisse in Afrika. Die AU und die Regionalorganisationen wie die Entwicklungsgemeinschaft Südliches Afrika (SADC) sollen, so die Chefberaterin des Präsidenten in internationalen Fragen, Lindiwe Zulu, gestärkt werden.

Südafrika erhebt aber über Afrika hinaus Führungsanspruch bei der Gestaltung einer neuen Weltordnung, in der die Länder des Südens unabhängiger vom Westen sind. Der Kap-Staat strebt deshalb als ständige Vertretung Afrikas in einen reformierten UN-Sicherheitsrat.

Dieser Führungsanspruch stößt in Afrika aber auf Widerstand anderer Staaten mit politischen Ambitionen. Dazu zählen Ägypten, Äthiopien und allen voran wiederum Nigeria. Afrikas bevölkerungsreichstes Land mit 160 Millionen Einwohnern sieht sich ebenfalls als afrikanische Führungsmacht mit Anspruch auf einen Sitz im UN-Sicherheitsrat.

Nigeria fand sich im Falle Côte d'Ivoires zum ersten Mal in einer westafrikanischen Krise an der Seite Frankreichs, als beide Ouattara unterstützten. Im Bürgerkrieg in Libyen stimmte Nigeria wie Südafrika im UN-Sicherheitsrat für die Flugverbotszone. Im Gegensatz zu Südafrika, das die Bombardierung durch die NATO danach kritisierte und eine Beteiligung des Gaddafi-Regimes an der Regierung forderte, hatte Nigeria neben den postrevolutionären Staaten Ägypten und Tunesien als erstes schwarzafrikanisches Land den Übergangsrat Libyens anerkannt. Präsident Goodluck Jonathan gewann mit seiner Außenpolitik Sympathie bei Obama und Sarkozy und erhöhte damit Nigerias Chancen auf einen Sitz im Sicherheitsrat. Südafrikas Außenpolitik muss dagegen viel Kritik einstecken.

Nicht diese Kritik ist indes für den Politikwissenschaftler Adam Habib entscheidend. Es sei durchaus richtig, gegen die Einmischung des Westens in Afrika aufzutreten. Besorgt macht Habib vielmehr, dass Südafrika den Eindruck erweckt, als schlüge es sich auf die Seite blutiger Regime. »Dass Sarkozy und Cameron heute in Libyen begeistert empfangen werden, dass aber Zuma bei einem Besuch in Tripolis mit Buhrufen und Schmähungen rechnen müsste, muss Südafrika nachdenklich machen. Viel früher hätte Zuma deutlich machen müssen, dass seine Solidarität nicht Gaddafi, sondern dem libyschen Volk gilt.«

* Aus: neues deutschland, 5. Dezember 2011


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