Sarkozy bleibt der Tradition des "Franceafrique" treu
Trotz Ankündigung kein Wandel in Frankreichs Afrika-Politik
Von Ralf Klingsieck, Paris *
Paris pflegt weiter enge Beziehungen zu vielen afrikanischen Staaten – mit teilweise fragwürdigen Methoden. Insbesondere in London und Berlin wird das mit Bedenken gesehen.
Bei einem Blitzbesuch in Angola in der vergangenen Woche wollte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy das angeschlagene bilaterale Verhältnis zwischen beiden Ländern wieder richten. Die Beziehungen waren jahrelang auf dem Tiefpunkt, weil die französische Justiz den Geschäftsmann Pierre Falcon wegen illegaler Geschäfte mit russischen Waffen für Angola verhaftet und unter Anklage gestellt hatte. Pech, dass es sich um einen engen Freund des angolanischen Präsidenten José Eduardo dos Santos handelte. Der hat den Waffenhändler sogar zum angolanischen Botschafter bei der UNESCO in Paris ernannt, um ihm so zu diplomatischer Immunität zu verhelfen – was Paris aber nicht anerkannt hat.
Im Herbst steht der Prozess gegen Falcon bevor, also wurde es höchste Zeit, in Luanda »Missverständnisse auszuräumen« und deutlich zu machen, dass es sich dabei um eine »rein innerfranzösische Affäre« handelt, wie Sarkozy jetzt in der angolanischen Hauptstadt erklärte. Damit ließ er durchblicken, dass kein angolanischer Offizieller in den Prozess verwickelt wird. Im Gegenzug erklärte Präsident dos Santos, dass eine »neue Epoche der bilateralen Beziehungen anbricht, geprägt durch Freundschaft, Vertrauen und gegenseitigen Respekt«.
Für Frankreich ist das wichtig, weil Angola einer der wichtigsten Wirtschaftspartner auf dem Kontinent ist. Der Total-Konzern ist der zweitgrößte Ölförderer des Landes, dessen Jahreseinnahmen aus dem Ölexport durch die Preisexplosion von 7 auf 34 Milliarden Dollar im Jahr hochgeschnellt sind. Das Land ist aber auch einer der wichtigsten Schauplätze des Wettbewerbs der ehemaligen europäischen Kolonialmächte und Chinas, das massiv in Afrika investiert und für das Angola beispielsweise die wichtigste Bezugsquelle für Rohöl ist.
Mehr um politischen und militärisch-strategischen Einfluss geht es bei ehemaligen französischen Kolonien wie Côte d'Ivoire, Kongo-Brazzaville, Gabun, Kamerun oder Tschad. Die vollmundigen Ankündigungen des Präsidentschaftskandidaten Nicolas Sarkozy vor einem Jahr über einen radikalen Bruch mit der »Franceafrique«-Tradition, also den Kungeleien mit den korrupten Führungsriegen dieser Länder, um französischen Einfluss, Militärbasen und Rohstoffquellen zu sichern, sind längst vergessen. Jean-Marie Bockel, den Sarkozy bei den Sozialisten abgeworben hatte, um ihn zum Staatssekretär für Entwicklungszusammenarbeit zu machen, musste das am eigenen Leibe erfahren. Er hatte die Absichtserklärungen für bare Münze genommen und hat sich damit bei Diktatoren wie dem seit 1967 regierenden Präsidenten Gabuns, Omar Bongo, unbeliebt gemacht, der sich prompt bei Sarkozy beschwerte. Das Ergebnis: Seit der letzten Regierungsumbildung ist Bockel Staatssekretär für ehemalige Kriegsteilnehmer.
Wie »geschmiert« die Beziehungen zwischen Gabun und Frankreich jetzt wieder laufen, zeigte sich kürzlich auch bei einer Reportage des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders France 2 über Immobilien im Wert einer zweistelligen Millionensumme, die Präsident Bongo in Paris besitzt, und die üppigen Ausgaben seiner Familie, die direkt vom Konto der französischen Entwicklungshilfe bezahlt werden. Der Sender bekam Ärger mit dem Elysée, und die Anzeige gegen Bongo, die politische Oppositionelle aus Gabun in Frankreich erstattet haben, wurde von der Justiz in Rekordzeit als »gegenstandslos« zu den Akten gelegt.
In Tschad, wo die peinliche Affäre um die windige Kinderhilfsorganisation Arche de Zoé dank der engen freundschaftlichen Beziehungen zwischen Präsident Idriss Déby und Nicolas Sarkozy beigelegt werden konnte, hat Frankreich jetzt das Kommando über die 3700 Mann starke EUFOR-Truppe, für die Paris 2100 Mann stellt. Der durch die UNO erteilte offizielle Auftrag lautet, die mehr als 300 000 Flüchtlinge aus der sudanesischen Bürgerkriegsprovinz Darfur zu schützen und die Arbeit der Hilfsorganisationen abzusichern. Im innenpolitischen Kräftemessen zwischen Déby und der bewaffneten Opposition gegen ihn soll sich die EUFOR neutral verhalten, tatsächlich aber spielt diese Militärpräsenz dem Präsidenten in die Hände, weil sie seine Gegner behindert. »Déby war schlau«, meint der Verantwortliche einer französischen Hilfsorganisation vor Ort. »Er hat gegenüber der UNO und der EU über die Aggression Sudans geklagt und die sich damit ausbreitende islamistische Gefahr an die Wand gemalt. Paris ist darauf voll eingestiegen, während London und Berlin skeptisch sind, sich an dem Abenteuer in Tschad nicht beteiligen und es auch nicht finanziell unterstützen, abgesehen von dem offiziellen EU-Beitrag von 120 Millionen Euro hinaus, die aber bestenfalls 20 Prozent der tatsächlichen Kosten decken.« Damit trägt Frankreich nicht nur die Hauptverantwortung, sondern auch den Großteil der Kosten.
* Aus: Neues Deutschland, 30. Mai 2008
Zurück zur Afrika-Seite
Zur Frankreich-Seite
Zurück zur Homepage