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Das Afrikabild der Spendenwerber

Ein Film untersucht die Spuren des Kolonialismus in den Hilfskampagnen für Afrika

Von Peter Nowak *

Weihnachtszeit ist Spendenzeit. Plakate, die an Hunger und Elend in Afrika erinnern, finden sich in diesen Tagen besonders häufig auf Werbeflächen. Über das dort vermittelte Bild von Afrika allerdings rümpfen Kritiker die Nase.

»Ohne Eltern fällt das Leben schwer«, ist ein Bild überschrieben, das eine Mutter mit ihrem weinenden Kind zeigt. Im Hintergrund sollen verdorrte Bäume die Folgen der Dürre in vielen Ländern Afrikas symbolisieren. »Schützen Sie Zukunft«, lautet der Titel über dem Plakat eines schwarzen Kindes, das mit freiem Oberkörper in die Kamera blickt. Kinder und Mütter sind häufige Motive auf den Plakaten, die zu Spenden aufrufen. In der Regel werden sie in einer ländlichen Umgebung fotografiert. Im Hintergrund sieht man Savannen und dörfliche Hütten. Damit wird ein falsches Bild über das Leben in Afrika gezeichnet, lautet die These des Films »White Charity«, der vor Kurzen angelaufen ist.

Die Filmemacher Carolin Philipp und Timo Kiesel lassen dort sowohl Kritiker der Plakatmotive als auch Mitarbeiter von Nichtregierungs- und Hilfsorganisationen zu Wort kommen. Herausgekommen ist ein informativer Beitrag, der einen anderen Blick auf eine Wohltätigkeitsindustrie wirft, die oft schon deshalb außerhalb jeder Kritik steht, weil sie ja einem guten Zweck dient, wie es immer heißt.

Für die Schriftstellerin und Literaturdozentin an der Berliner Humboldt-Universität, Grada Kilomba, reproduzieren die meisten Plakate Klischees über Afrika. So werde bei den Bildern von halbnackten Kindern vor ländlichen Hütten ausgeblendet, dass die Mehrheit der afrikanischen Bevölkerung längst in Städten lebt. »Ausgemergelte Gestalten, die hilfesuchend nach Europa blicken« kurbeln die Spendenbereitschaft an, moniert die New Yorker Literaturwissenschaftlerin Peggy Piesche. Damit habe sich das Afrikabild in den zwei Jahrhunderten kaum geändert. Das Bild vom modernen aufgeklärten weißen Europäer, der mit seiner Spende ein wenig Zivilisation nach Afrika bringt, wird auch auf mehreren der in dem Film analysierten Plakate weiter gezeichnet.

Sascha Decker von der Kindernothilfe, der in dem Film die Spendenwerbung verteidigt, bestätigt allerdings die Kritiker indirekt. Seine Vermutung, dass die Spendenbereitschaft schnell sinken würde, wenn statt spärlich bekleideter Kinder Jugendliche in Internetcafés in Lagos oder einer anderen afrikanischen Metropole auf den Plakaten präsentiert würden, trifft sich mit deren These, dass sich ohne traurige Kinderaugen kaum Spendengelder akquirieren ließen. Donuta Sacher, die seit Jahren in der NGO-Szene aktiv ist und auch für die Welthungerhilfe arbeitet, spricht die Herausforderungen an, vor denen Werber für Afrika-Spendenkampagnen stehen. Sie müssen schließlich in erster Linie nicht das Attac-Mitglied, sondern den christlichen Handwerker und die konservative Lehrerin ansprechen. Daher fehlen bei den Plakatmotiven meist auch die kleinsten Hinweise auf Ursachen und Hintergründe von Hunger und Elend in Afrika. Könnten die verkrüppelten Bäume im Hintergrund des Fotos vielleicht ihre Ursache im Umweltverhalten des globalen Nordens haben? Diese Frage darf natürlich gar nicht erst gestellt werden.

»Wir haben das Format Film gewählt, um komplexe Zusammenhänge in unterhaltsamer Form auch Menschen zu präsentieren, die kein Buch zum Thema Postkolonialismus lesen würden«, erklärte Kiesel gegenüber »nd«. Im Internet kann der Film unter www.whitecharity.de kostenlos heruntergeladen werden. Aber auch eine DVD ist dort käuflich zu erwerben.

* Aus: neues deutschland, 20. Dezember 2011


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