"Die Bedingungen der EU verschärfen die Unterentwicklung in Afrika"
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) schaden dem afrikanischen Kontinent
Die multilaterale Doha-Entwicklungsrunde der Welthandelsorganisation ist
gerade in Genf gescheitert. Auf der bilateralen Ebene wird weiter
seitens der USA und der EU versucht, die Liberalisierung voranzutreiben.
So versucht die EU, noch bis Ende 2008 mit den Staaten Afrikas, der
Karibik und des Pazifiks Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) zu
schließen. Mit Dot Keet vom »Alternativen Informations- und
Enwicklungszentrum« in Kapstadt sprach darüber für ND Rolf-Henning Hintze.
ND: Verschiedene Organisationen der afrikanischen Zivilgesellschaft
haben ungewöhnlich heftige Kritik an den EPA, den sogenannten
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreements)
geübt. Man ging so weit, sie schlichtweg »entwicklungsfeindlich« zu
nennen. Weshalb diese starke Ablehnung?
Dot Keet: Die jahrzehntelangen schlechten Erfahrungen afrikanischer
Länder mit den »Strukturanpassungsprogrammen« des Internationalen
Währungsfonds (IWF) und der Weltbank sowie die Handels- und
Investionserleichterungen für Industrieländer sind bekannt und
dokumentiert. Sie bedeuten eine Warnung, dass die noch viel
weitergehende Liberalisierung, die Europa mit den sogenannten
»Wirtschaftlichen Partnerschaftsabkommen« fordert, unausweichlich
schwere Nachteile für Afrika mit sich brächte.
Inwiefern?
Diese Bedingungen würden die Probleme von Unterentwicklung und Armut
vergrößern und zwangsläufig auch zu mehr Instabilität führen. Die
Bedingungen dienen einseitig den Interessen europäischer Unternehmen und
der weiteren Ausbeutung der Ressourcen in diesen Ländern. Sie bedrohen
die Steuereinnahmen der afrikanischen Regierungen, und sie bedrohen
lokale Produzenten und Industrien und schwächen die
Ernährungssouveränität Die Bedingungen der Europäer sind so
weitreichend, dass sie praktisch auf eine Re-Kolonisierung hinauslaufen.
Südafrika hat sich zur Überraschung vieler geweigert, das Abkommen zu
unterschreiben. Aus welchen Gründen?
Die südafrikanische Regierung hat eine umfassende Kritik der
EPA-Bedingungen vorgelegt, besonders im Hinblick auf die Störung der
Verhandlungen über geeignete Regionalabkommen zwischen Mitgliedern
regionaler Kooperationsgemeinschaften wie der Entwicklungsgemeinschaft
des Südlichen Afrikas (SADC) und zwischen benachbarten Regierungen. Aber
auch die Meistbegünstigungsklausel, die von der EU in die Abkommen
eingeschlossen wurde, hält Südafrika für nicht hinnehmbar. Sie würde
bedeuten, dass Regierungen in Afrika keine Abkommen mehr mit anderen
Ländern wie China oder Indien abschließen könnten, die diesen
Vorzugsbedingungen einräumen würden. Die gleichen Vorteile müssten sie
dann der EU einräumen.
Eine Reihe afrikanischer Länder hat unter starkem Druck der EU am Ende
aber doch »Interim-Abkommen« mit der EU unterschrieben. Welche
Kompromisse mussten afrikanische Länder bei den Interim-EPA akzeptieren?
Erst einmal ist festzuhalten, dass nur 18 der 47 afrikanischen
Regierungen in letzter Minute zugestimmt haben. Sie verpflichteten sich
damit, bis Ende 2008 umfassende EPA mit der EU auszuhandeln. Die EPA
beziehen sich nur auf den Handel mit Gütern -- nicht auf Investitionen,
die Öffnung des Dienstleistungssektors und andere Forderungen der EU.
Die EU ist entschlossen, alle diese Themen in die »umfassenden« Abkommen
einzuschließen. Bis Ende 2008 soll das abgeschlossen sein. Ob dies der
EU gelingen wird, bezweifle ich allerdings stark.
Die EU sieht das von ihr geforderte Prinzip der Gegenseitigkeit als
nicht verhandelbar an. Für die meisten AKP-Staaten ist das unannehmbar.
Weshalb?
Die EU behauptet, ihre Forderungen seien in Übereinstimmung mit den
Regeln der Welthandelsorganisation WTO. Doch die Regeln der WTO
beinhalten keine Verpflichtung schwächerer Länder, ihre Wirtschaft
reziprok denen von stärkeren Ländern zu öffnen. Die EU ignoriert rundweg
die Forderung der Entwicklungsländer nach speziellen und differenzierten
Bedingungen, die von zentraler Bedeutung in ihren Verhandlungen mit der
WTO sind. Vor allem versucht die EU jetzt durch die EPA, den
kombinierten Widerstand der Entwicklungsländer in der WTO gegenüber den
»neuen Themen« zu unterminieren.
Worin besteht Ihrer Ansicht nach die Hauptaufgabe der sozialen
Bewegungen in Deutschland im Zusammenhang mit dem Problem der EPA?
Ich sehe die Hauptverantwortung der sozialen Bewegungen in Deutschland
und Europa darin, die etwas komplizierten Bedingungen der EPA zu
verstehen und zu begreifen, dass diese nicht ausgehandelt wurden,
sondern den AKP-Staaten aufgezwungen werden sollen. Diese Bedingungen
vergrößern die Probleme der Unterentwicklung und Armut.
Wie beurteilen Sie die EU-Strategie mit dem Namen »Global Europe«?
Bei der Strategie handelt es sich um kaum verhüllte unilaterale
Forderungen der EU-Kommission, die vom EU-Rat übernommen wurden. Es ist
eine agressive Strategie, die europäischen Wirtschaftsinteressen und den
globalen Interessen der EU dient. Während die früheren Abkommen mit
afrikanischen Regierungen trotz vieler Beschränkungen und Probleme auch
einige positive Aspekte enthielten, wird jetzt Platz gemacht für eine
rücksichtslose neoliberale Ära. Brüssel fordert von Afrika leichtere
Marktzugänge für landwirtschaftliche und industrielle Exporte und
verbesserte Möglichkeiten für europäische Unternehmen, die in die
Warenproduktion, den Bergbau und den Dienstleistungsbereich investieren
wollen, außerdem Garantien für geistige Eigentumsrechte (intellectual
property rights) und den Schutz von Eigentum besonders bei Schürfrechten
und Landbesitz. Diese neue strategische Aufstellung geht aber nicht
allein zu Lasten der Völker des Südens, sie betrifft auch die
europäische Bevölkerung selbst mit den ernsten Bedrohungen ihrer Rechte.
* Aus: Neues Deutschland, 12. August 2008
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