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Diamantengeschäft und Kriege: Hilft neues Handelsabkommen?

Anne Jung von "medico international" im Gespräch

Anne Jung ist vor wenigen Tagen aus Sierra Leone zurückgekehrt, wo sie für die Hilfsorganisation medico international einen Workshop zur zivilgesellschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Versöhnungsprozeß nach dem Bürgerkrieg organisiert hat. Das folgende Interview haben wir der "jungen Welt" entnommen.


Frage: Rund 70 Staaten sind bislang dem sogenannten Kimberly-Abkommen beigetreten, das am gestrigen Freitag in Kraft getreten ist und mit dem der illegale Handel mit Diamanten unterbunden werden soll. Weshalb ist das Diamantengeschäft ein Thema für eine Hilfsorganisation wie »medico international«?

Wir richten unser Augenmerk vor allem auf unsere Projektpartner im Süden. Zum Beispiel unterstützen wir seit 1996 ein Rehabilitationsprojekt für Minenopfer in Angola, einem der an Diamanten reichsten Länder der Erde. Dabei werfen wir natürlich auch die Frage nach den Ursachen für nicht enden wollende Kriege auf. Es war schon immer unser Anspruch, über die Hilfsarbeit hinaus auch im Norden über Hintergründe von Krankheit, Konflikten und Kriegen zu informieren. Und Diamanten sind neben Öl einer der größten Motoren für Kriege.

F: Nun sind viele der Kriege, die wie in Sierra Leone oder Angola durch das Diamentengeschäft finanziert wurden, inzwischen offiziell für beendet erklärt worden.

Deswegen ist es uns wichtig, darauf hinzuweisen, daß mit dem Ende eines Krieges nicht automatisch Frieden und schon gar kein sozialer Frieden einkehrt. In beiden erwähnten Ländern hat sich für die breite Bevölkerung mit dem Ende des Krieges hinsichtlich ihres sozialen Standards nichts verbessert. Erst in der vergangenen Woche ist Sierra Leone im neuen Entwicklungsindex der Vereinten Nationen zum ärmsten Land der Erde erklärt worden.

F: Wie soll das neue Abkommen Abhilfe schaffen, und wer soll vor allem die Einhaltung gewährleisten?

Wir gehen davon aus, daß die Diamantenindustrie und die Diamanten exportierenden Länder ein großes Interesse daran haben, den Handel mit den Edelsteinen vor weiterem Imageschaden zu bewahren. Anders als das Ölgeschäft ist dieser Wirtschaftszweig sehr vom Ansehen abhängig. Die Diamantenindustrie hat sich daher bereit erklärt, gemeinsam mit Regierungen Echtheitszertifikate auszustellen, mit denen der Weg von der Diamantenmine über die Schleiferei hin zum Endkunden dokumentiert ist. Allerdings hapert es an unabhängigen Kontrollen. Das ist unsere Kritik, denn in dem nun in Kraft getretenen Abkommen sind keine unabhängigen Instanzen beauftragt, die Einhaltung des Abkommens zu kontrollieren. Solange das nicht gewährleistet ist, bleibt es fraglich, ob das Übereinkommen das Papier wert ist, auf dem es geschrieben ist.

F: Es ist bislang eher eine freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie.

So kann man das nennen. Allerdings gibt es ernstzunehmende Bestrebungen, die Aufnahme von Staaten in das Kimberly-Abkommen zu regulieren. Wenn das Kimberly-Abkommen sich ernst nimmt und ernst genommen werden will, dann müßten Länder ausgeschlossen werden, sofern sie unsaubere Geschäfte erlauben oder fördern. Für sie würde das bedeuten, daß der Zugang zu großen den Börsen in Antwerpen oder Tel Aviv versperrt wäre. Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, was die Versprechen der Unterzeichner wert sind.

Aus: junge Welt, 2. August 2003


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