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Blutdiamanten jetzt mit Amtssiegel

Nach der internationalen Diamantenindustrie beschließen auch afrikanische Staaten Maßnahmen, um die Finanzierung von Kriegen durch Diamantenverkauf zu beenden. Das neue Kontrollsystem stärkt aber Regierungen, die selber Krieg führen

Von KORDULA DOERFLER, Pretoria

Afrikas Diamanten sollen wieder unvergänglich werden. Bürgerkriegsländer wie Sierra Leone und Angola wollen künftig ihre glitzernden Steine einem internationalen Zertifizierungssystem unterstellen, damit keine so genannten Blutdiamanten mehr auf den Markt kommen. Eine entsprechende Empfehlung fassten die zuständigen Minister von mehreren Diamanten produzierenden Ländern gestern in der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria nach einer dreitägigen internationalen Konferenz. Sie folgten damit weitgehend den Maßnahmen, die im Juli von der Diamantenindustrie im belgischen Antwerpen beschlossen worden waren.

Demnach sollen Produktion und Handel mit Rohdiamanten unter Kontrolle des Staates gestellt werden, der eine zentrale Verkaufsbehörde einrichten muss. Sie allein erteilt Lizenzen für Im- und Export sowie Zertifikate. Als verkaufsunwürdige "Blutdiamanten" sollen künftig Steine gelten, "mit deren Erlös sich Rebellenbewegungen finanzieren, um legitimierte Regierungen zu stürzen, und die UN-Sanktionen unterliegen" - praktisch also nur Diamanten aus Sierra Leone und Angola.

Vorangetrieben wurde dies vor allem von Namibia, Botswana und Südafrika, den größten Diamantenproduzenten der Welt. Denn in jüngster Zeit ist die gesamte Branche in Verruf geraten: Trotz UN-Sanktionen kamen in den vergangenen fünf Jahren allein aus Angola Diamanten im Wert von geschätzten fünf Milliarden US-Dollar auf den Markt und finanzierten hauptsächlich die Unita-Rebellen. Um einen ähnlich schwunghaften Handel aus Sierra Leone zu unterbinden, wurden im Juli auch gegen das westafrikanische Land Sanktionen verhängt.

Regierungsvertreter beider Länder bemühten sich in Pretoria verzweifelt, ihre jüngsten Bemühungen um eine Legalisierung des Diamantengeschäfts ins richtige Licht zu setzen. So wird in Sierra Leone derzeit mit belgischer Hilfe ein Zertifizierungssystem aufgebaut. In Angola sollen eine neue zentrale Verkaufsorganisation "Ascorp" und ein neues Lizenzsystem dafür sorgen, dass kein Stein mehr das Land ohne den entsprechenden Stempel der Behörde verlässt. Die tausende kleinen Schürfer, die meist buchstäblich mit den Händen irgendwo im Busch den Boden durchwühlen, sollen eine computerlesbare Lizenz erhalten und ihre Steine nur noch an die Büros von Ascorp verkaufen dürfen.

Das klingt schön, wirft aber Fragen auf. So soll in Angola eine neue Spezialeinheit der Polizei für die Vergabe der Lizenzen zuständig sein. Die angolanische Polizei aber ist notorisch korrupt und brutal und wird wahrscheinlich mit der Vergabe von Lizenzen ihre Gehälter aufbessern. In Angola ist der Bürgerkrieg zwischen der Regierung und den Unita-Rebellen längst keiner mehr um Ideologie, sondern dreht sich allein um die Kontrolle der Rohstoffe. Während sich die Regierung in den vergangenen Jahren durch Angolas Ölreserven finanzieren konnte, füllte Unita-Chef Jonas Savimbi seine Kriegskassen durch den Handel mit Diamanten. Präsident Eduardo dos Santos träumt schon lange davon, auch über die Diamanten des Landes zu verfügen, und hat deshalb 1999 eine militärische Großoffensive gestartet - zeitgleich mit den ersten Schritten, den Diamantenhandel unter staatliche Kontrolle zu bringen.

Kritische Fragen hörte der exklusive Zirkel von Regierungsvertretern, Diamantenherstellern und -verkäufern jedoch in Pretoria nicht gern. So gilt die angolanische Regierung in den Industrienationen nach wie vor als demokratisch legitimiert. "Die Debatte über Diamanten hat etwas Künstliches", kritisierte der Direktor des südafrikanischen Institutes für Sicherheitsstudien (ISS), Greg Mills. "Länder wie die USA laufen zwar gegen Diamanten aus Rebellengebieten Sturm, haben aber gleichzeitig kein Problem damit, von korrupten afrikanischen Regierungen Öl zu kaufen."

Zugleich wird es aber immer Schlupflöcher für illegalen Handel geben. "Wer sagt, dass es künftig nicht mehr möglich sein soll, Diamanten aus Unita-Gebiet über die Grenze nach Sambia, von dort im Flugzeug nach Südafrika und von dort auf den Weltmarkt zu bringen?", fragt Christian Dietrich, ebenfalls vom ISS.
Aus: taz, 22. September 2000

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