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Beiträge zu Problemen Afrikas (I)

Diamanten: Finanzierungsquelle für Regierungen und Bürgerkriegsarmeen

In der Süddeutschen Zeitung erschien am 07. Juni 2000 ein Bericht, der sich mit dem Diamantenhandel an der Londoner Börse befasst. Nutznießer seien Regime wie das im Kongo oder das seit einiger Zeit negativ in die Schlagzeilen geratene Regime von Simbabwe. Auch wenn man über die Bewertung Mugabes - wegen dessen Landenteignungspolitik zur Zeit in Großbritannien besonders verhasst - geteilter Meinung sein kann (siehe hierzu unsere Simbabwe-Seite), so sind die Informationen über die Rolle des Diamantenhandels im afrikanischen Bürgerkriegsgeschehen zweifellos interessant. Große Bedeutung hat der Diamantenhandel auch im Bürgerkrieg von Sierra Leonegehabt.

Afrikas Bürgerkrieger erschließen neue Finanzquellen

"Blutdiamanten" kommen an die Börse
Diktatoren wie Kabila und Mugabe finanzieren ihre Konflikte mit dem Erlös aus dem Export der Edelsteine


London (dpa) - Ein großes Diamanten-Konsortium aus Afrika will demnächst in London an die Börse gehen. Die Nachricht hat Politiker und Menschenrechtsgruppen aufgeschreckt, die mit Besorgnis sehen, welche Rolle "Blutdiamanten" in den Konflikten Afrikas spielen. Neue Aufmerksamkeit entstand durch die britische Verwicklung im Bürgerkriegsland Sierra Leone. Die Kritiker fühlen sich dadurch bestätigt, dass ausgerechnet die Regierungen Simbabwes und des Kongo an der Firma Oryx Diamonds beteiligt sind, die am 13. Juni eine Platzierung an der Alternativen Investment-Börse (AIM) anstrebt.

In London wird nun befürchtet, dass sich die Bürgerkriegs-Verbündeten über den Börsengang neue Finanzquellen eröffnen wollen. Seit 1998 helfen Soldaten aus Simbabwe der Regierung des Kongo dabei, die Diamantenminen im Bürgerkriegsgebiet zu schützen. In den Präsidenten Robert Mugabe (Simbabwe) und Laurent Kabila (Kongo) hätten sich "die brutalsten Führer Afrikas" zusammengetan, kommentierte die Londoner Financial Times.

Die 40-prozentige Beteiligung Simbabwes an Oryx Diamonds reicht bis in die Spitzen des Militärs. Nach einem Bericht des britischen Magazins Africa Confidential ist sogar der Oberbefehlshaber Simbabwes Direktor der beteiligten privaten Firma seines Landes, Osleg.

Nach Ansicht des Londoner Außenministeriums ist der Börsengang ein weiterer Beweis für die "Komplexität" des Handels mit so genannten Konflikt-Diamanten. Diese spielen besonders in Sierra Leone, Kongo und Angola eine Rolle. Die britische Regierung will daher auf dem Außenministertreffen der G-8-Staaten im Juli in Japan auf einen Verhaltenskodex für den Diamantenhandel dringen. Damit sollen "legitime Quellen" im Edelsteinimport nachgewiesen werden. Außerdem will Großbritannien dem UN-Sicherheitsrat vorschlagen, die Diamantenausfuhr aus Sierra Leone zu stoppen und den Rebellen damit eine Finanzquelle zu entziehen. Ein zu erwartender Resolutionsentwurf sieht vor, alle Diamantexporte zu untersagen, die nicht von der sierraleonischen Regierung zertifiziert sind. Da es solche Zertifikate noch nicht gibt, beträfe das Verbot zunächst alle Diamantausfuhren aus Sierra Leone.

Amnesty International (AI) geht einen anderen Weg. Um das "öffentliche Bewusstsein" über den möglicherweise dubiosen Ursprung eines Diamanten zu fördern, will die Menschenrechtsorganisation bald vor Juwelierläden in den USA und Europa Flugblätter verteilen. "Die Menschen müssen einfach wissen, ob ihr Liebesgeschenk aus den Pfründen von Rebellenkämpfern stammt, die ihren Opfern die Hand abhacken", sagt eine AI-Sprecherin. Amnesty will auch mit dem Hohen Diamantenrat in Antwerpen sprechen, über den 75 Prozent des weltweiten Diamantenhandels abgewickelt werden. Es sei nicht hinzunehmen, dass es auf einem so wichtigen Gebiet des globalen Handels weder Regeln noch Klarheit gebe, sagt Amnestys Diamantenexperte Salio Tripathi. Der "saubere Ursprung" der Handelsware müsse besser verifiziert werden. Die in Antwerpen und anderswo ansässigen Händler sollten gezwungen werden, das Herkunftsland anzugeben. Bisher gilt das Prinzip, dass nur das letzte Land registriert wird, in dem sich die Diamanten vor der Ankunft in Antwerpen befanden. Das führt zum Beispiel dazu, dass Diamanten, die von Sierra Leone über Norwegen nach Großbritannien gelangen, als norwegische Edelsteine klassifiziert werden. Nachforschungen der Organisation ergaben, dass etwa 20 Prozent der gehandelten Diamanten aus "unsauberen" Quellen stammten. Die Diamantenindustrie spricht von 3,7 Prozent. Sie befürchtet, ein kompliziertes Nachweissystem könne zu teuer werden.
Anna Tomforde
Aus; SZ, 07.06.2000

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