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Südafrikanerin wird AU führen

Erstmals eine Frau an der Spitze des afrikanischen Staatenbundes *

Als erste Frau in der Geschichte der Afrikanischen Union ist Südafrikas Innenministerin Nkosazana Dlamini-Zuma an die Spitze der Kommission des Staatenbündnisses gewählt worden. Am Montag ging es den Konferenzteilnehmern vor allem um die Befriedung innerafrikanischer Konflikte.

Addis Abeba (dpa/nd). Südafrika hat den Kampf um die Führung der Afrikanischen Union (AU) für sich entschieden. Südafrikas Innenministerin Nkosazana Dlamini-Zuma errang am Sonntagabend beim AU-Gipfeltreffen in Addis Abeba die notwendige Zweidrittelmehrheit für den Posten der AU-Kommissionsvorsitzenden, des wichtigsten Amtes in der Organisation.

Im vierten Wahlgang stimmten 39 der 51 Delegationen für die frühere Ehefrau von Südafrikas Präsident Jacob Zuma. Sie hatte bei den ersten drei Wahlkämpfen jeweils nur einfache Mehrheiten gegen den bisherigen Amtsinhaber Jean Ping aus Gabun bekommen. Beim AU-Gipfel im Januar hatte keiner der beiden die notwendige Mehrheit erhalten.

Die AU will neue Anstrengungen zur Befriedung der Krisengebiete auf dem Kontinent. Dabei gab es erste Ergebnisse. Sudan und Südsudan wollen ihren Konflikt über Öl und Grenzziehung friedlich beilegen. Dies betonten die Präsidenten der Staaten, Omar al-Baschir und Salva Kiir, bei ihrem ersten Treffen nach über einem halben Jahr am Rande des AU-Gipfels. Beide Länder hätten versichert, »nie wieder Differenzen mit Gewalt lösen zu wollen und gegenseitig die Souveränität und territoriale Integrität anzuerkennen«, sagte der Vorsitzende der AU-Kommission für Frieden und Sicherheit, Ramtane Lamamra.

Die AU forderte die Abdankung der Militärregierung in Mali. Dort müsse unverzüglich eine »Regierung der nationalen Einheit« gebildet werden. Das sei die Voraussetzung für die Wiederherstellung der Einheit des Landes und der Ordnung im Norden Malis. Dort dominieren islamistische Gruppen und Tuareg-Rebellen. Der stellvertretende UN-Generalsekretär Jan Eliasson warnte vor einer dramatischen Krise und einer drohenden Hungersnot in dem Wüstenstaat. Drei von sieben in Mali entführten algerischen Diplomaten sind indessen nach offiziellen Angaben wieder frei. Das bestätigte der algerische Außenminister Mourad Medelci am Sonntag.

Erstmals seit 1995 nahm in der Person Mohammed Mursis wieder ein Staatspräsident Ägyptens an einem AU-Gipfel teil. Der frühere Präsident Husni Mubarak hatte sich nach einem missglückten Attentat bei einem Gipfel 1995 geweigert, an diesen halbjährlichen Treffen - früher der Organisation Afrikanischer Staaten, heute der AU - teilzunehmen. »Ägypten wird alle seine Ressourcen nutzen, um die Integration Afrikas zu einem gemeinsamen Markt zu unterstützen«, versicherte Mursi.

Am Rande des Gipfels, der am Montag zu Ende gehen sollte, kam es in der äthiopischen Hauptstadt zu Protesten von Muslimen. 200 Menschen seien bei den Auseinandersetzungen mit der Polizei am Freitag verletzt worden, sagte ein Sprecher der Demonstranten. Die Muslime protestieren gegen eine aus ihrer Sicht zu liberale Gesetzgebung und Eingriffe in die religiöse Rechtsprechung.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 17. Juli 2012


Erfahrene Politikerin

Dlamini-Zuma jetzt an der Spitze der Afrika-Union

Von Hans-Georg Schleicher **


Mit der Südafrikanerin Nkosazana Dlamini-Zuma steht erstmals eine Frau an der Spitze der Kommission der Afrikanischen Union (AU). Sie hatte beim AU-Gipfeltreffen in Addis Abeba die notwendige Zweidrittel-Mehrheit für das wichtigste Amt in der Staatenbewegung erhalten.

Die Medizinerin Nkosazana Dlamini-Zuma erhielt ihre berufliche und politische Prägung vor allem ab 1976 im britischen Exil. ANC-Kampfgefährten erinnern sich an sie als eine der Aktivistinnen in London, die engagiert, aber fast unauffällig tätig waren und erst nach 1994 Prominenz erlangten. Im neuen Südafrika wurde sie Ministerin.

Dlamini-Zuma gehörte dem einflussreichen Personalausschuss des ANC an und zählte zum inneren Führungskreis um Präsident Thabo Mbeki. Ihre Ehe mit Jacob Zuma wurde 1998 geschieden. Es überraschte, dass sie nach Mbekis Absetzung weiterhin dem Kabinett angehörte - nun unter ihrem Exgatten. Das war wohl neben Kompetenz und Durchsetzungsvermögen auch dem Fakt geschuldet, dass sie keine Ambitionen auf Führungspositionen zeigte. Eine Nominierung als Vizepräsidentin nach der vorhergegangenen Entlassung Jacob Zumas durch Mbeki hatte sie zuvor abgelehnt.

Diplomatische Erfahrungen sammelte die heute 63-Jährige als Außenministerin unter Mbeki mit seiner ambitionierten Politik der »Afrikanischen Renaissance«. Sie fühle sich als Persönlichkeit, nicht primär als Südafrikanerin berufen, erklärte sie jetzt, als sie auf die regionale Rolle Südafrikas angesprochen wurde. Und zu anglofonen-frankofonen Konflikten in der AU verwies sie auf ihre Zulu-Wurzeln. In der AU werde sie sich um die Fortsetzung der Konsenspolitik bemühen.

Die Reaktionen auf ihre Wahl waren in Afrika gemischt, aber überwiegend positiv. Ugandas Präsident Yoweri Museveni sieht sie angesichts ihres Hintergrunds vor allem als Freiheitskämpferin, nicht so sehr als Diplomatin. Ihre Effizienz in bisherigen Ämtern, vor allem als Außen- und zuletzt Innenministerin, erklärt wohl die breite Unterstützung, die ihre Wahl im eigenen Land findet - bis in die Opposition hinein.

Das Handicap ihrer Herkunft aus der Regionalmacht Südafrika, das manche Beobachter sehen, kann Dlamini-Zuma bei diffizilen Problemen sogar hilfreich sein. Ihr vormaliger Chef Mbeki ist offizieller AU-Vermittler im Konflikt zwischen Sudan und Südsudan. Jedenfalls wird Südafrika auf dem Kontinent mit der Wahl Nkosazana Dlamini-Zumas wieder stärker in die Pflicht genommen.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 18. Juli 2012


UNO besorgt über Lage im Osten Kongos

Sicherheitsrat fordert: Rebellen entwaffnen ***

Der UNO-Sicherheitsrat hat die Angriffe von Rebellen im Osten Kongos scharf verurteilt und die Entwaffnung der Aufständischen gefordert. [Siehe Kasten weiter unten!] Jegliche ausländische Unterstützung für die Rebellen müsse sofort eingestellt werden, forderten die 15 Mitgliedsstaaten des Gremiums in New York. An die bewaffneten Gruppen ging die Forderung, ihren Vormarsch und alle Formen von Gewalt sofort zu beenden. In der Region sind bereits 200 000 Menschen geflohen.

Der Sicherheitsrat nennt namentlich die Rebellenorganisation M23, die bis auf 40 Kilometer vor die Stadt Goma vorgerückt ist. In einem bisher unveröffentlichten Bericht beschuldigen die UN das benachbarte Ruanda, die M23 (Bewegung des 23. März) mit Personal und Waffen zu unterstützten. Ruanda weist dies zurück. Anführer der Aufständischen ist der abtrünnige General Bosco Ntaganda, der vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag per Haftbefehl gesucht wird.

Der Sicherheitsrat warnt auch die Rebellenorganisation Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas (FDLR), deren Führungsspitze in Stuttgart wegen Kriegsverbrechen vor Gericht steht. Berichten zufolge ist auch die FDLR, die traditionell mit Ntaganda verfeindet ist, wieder in Kämpfe verstrickt. Auch gegen den FDLRKommandanten Sylvestre Mudacumura erging ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs, unter anderem wegen Vergewaltigungen und des Einsatzes von Kindersoldaten.

*** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 18. Juli 2012


Großbaustelle Kongo

Von Martin Ling ****

An Baustellen fehlt es Nkosazana Dlamini-Zuma nicht. Die neue Vorsitzende der Afrikanischen Union (AU) kann aus Südafrika in jede nördliche Richtung schauen, eine ungelöste Krise findet sie immer: ob im Westen mit Mali, im Osten mit Somalia oder im Herzen des Kontinents mit der Demokratischen Republik Kongo. Vor allem letzterer Konflikt beschäftigt auch den UN-Sicherheitsrat mit steter Regelmäßigkeit. Am Montagabend verlautete wieder einmal aus New York, dass die Kämpfe in Ostkongo zu beenden und die Aufständischen zu entwaffnen seien.

Der AU kommt die neue Ansage aus New York durchaus gelegen. Verstärkt sie doch den Druck auf eine innerafrikanische Lösung, wie sie am Wochenende in Addis Abeba verabredet worden ist. Eine regionale Eingreiftruppe soll zusammen mit den Blauhelmsoldaten der Kongo-Mission den Vormarsch der neu gegründeten Rebellenarmee M23 stoppen, die seit April den Osten des Landes unsicher macht und inzwischen kurz vor der Provinzhauptstadt Goma steht. Das Pikante an der Geschichte: Ruanda hat sich bereit erklärt, die Offensive gegen die M23 mitzutragen. Pikant, weil alle außerhalb Kigalis der festen Überzeugung sind, dass Ruanda hinter der M23 steht. Die UNO hat das in einem noch inoffiziellen Bericht - dessen Inhalte offen kursieren - Ende Juni sogar dokumentiert.

Für die AU wird die Großbaustelle Kongo zur Probe aufs Exempel. Ist das Staatenbündnis in der Lage, die dort vorherrschenden unterschiedlichsten Interessen friedlich unter einen Hut zu bringen? Wenn Ruanda wirklich mitzieht und seine Sicherheit gewahrt sieht, könnte es klappen.

**** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 18. Juli 2012 (Kommentar)

Security Council Press Statement on Democratic Republic of Congo

The following Security Council press statement was issued today by Council President Néstor Osorio (Colombia):

The members of the Security Council condemn in the strongest terms the attacks by the 23 March Movement (M23) mutineers, reiterate their demands that the M23 and all armed groups, including the Democratic Forces for the Liberation of Rwanda (FDLR), cease immediately any further advances and all forms of violence in the eastern part of the Democratic Republic of the Congo, and urge that the commanders of M23, including Bosco Ntaganda, who is the subject of an International Criminal Court arrest warrant, be apprehended and brought to justice. They further express deep concern with the sharply deteriorating situation in the North Kivu Province of the Democratic Republic of the Congo and the worsening of the humanitarian situation in the eastern part of the Democratic Republic of the Congo, the increasing number of displaced persons and refugees and reports of both sexual violence and the use of child soldiers.

The members of the Security Council reiterate their condemnation of all outside support to all armed groups in the Democratic Republic of the Congo, and their demand that all forms of support to them cease immediately. They further call upon all countries in the region to cooperate actively with the Congolese authorities in demobilizing the M23.

The members of the Security Council reiterate their full support for the United Nations Organization Stabilization Mission in the Democratic Republic of the Congo (MONUSCO) and its operations in the eastern part of the Democratic Republic of the Congo, including their efforts to assist the Congolese Government in protecting civilians displaced or threatened as a result of the violent activities of armed groups. The members of the Security Council recall that all responsible for attacks against civilians or MONUSCO personnel must be held accountable and brought to justice.

The members of the Security Council take note with interest of the report of the International Conference of the Great Lakes Region Regional Interministerial Extraordinary Meeting on the Security Situation in Eastern Democratic Republic of the Congo, held on 11 July in Addis Ababa, and urge the Governments of the Democratic Republic of the Congo and Rwanda to fully implement bilateral and regional mechanisms in addressing insecurity in the east of the Democratic Republic of the Congo. The members of the Council welcome the recent discussions between President Paul Kagame and President Joseph Kabila to resolve the crisis, and encourage continued high-level dialogue at the bilateral and regional levels.

Source: UN News Centre, 16 July 2012; (SC/10709, AFR/2419); www.un.org




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