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Grüne Revolution in Afrika?

Unter Kofi Annan soll Stiftungsallianz Landwirtschaftsstruktur stärken

Von Thomas Nitz *

Um den Folgen der globalen Nahrungsmittelkrise zu begegnen, fordern Politiker und Experten eine Grüne Revolution in Afrika.

Die immergleichen Hiobsbotschaften, mag man sagen, wenn Caroline Morel, Leiterin des Schweizer Entwicklungshilfeprojektes Swissaid, angesichts der weltweiten Lebensmittelkrise vor einer »neuen Ära des Hungers« in Afrika warnt. Und es mag wie Hohn klingen, wenn der Nigerianer Akin Adesina von einer Herausforderung für Afrika spricht. Adesina ist Vizepräsident der 2006 von der Rockefeller- und der Bill-Gates-Stiftung ins Leben gerufenen Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (AGRA). Seit sich die Preise für Weizen binnen zwei Jahren verdoppelt, für Reis und Mais sogar verdreifacht haben, drohen Unruhen und Hungerkatastrophen, nicht nur in Afrika. Und während Nahrungsmittelkonzerne Rekordgewinne erzielen, können sich viele Familien in Entwicklungsländern, die drei Viertel ihres Einkommens für Lebensmittel aufwenden müssen, die Preise nicht mehr leisten.

Vergangene Woche trafen sich Minister, Wissenschaftler und Agrarexperten zu einer dreitägigen Fachtagung in Nairobi, um eine Grüne Revolution in Afrika auf den Weg zu bringen. »Die Lebensmittelkrise ist nicht neu«, betonte Adesina und richtete seine Kritik an die Adresse der afrikanischen Staaten: »Der Agrarsektor in Afrika ist jahrzehntelang vernachlässigt worden.« Zudem wurde es in der Entwicklungszusammenarbeit mit dem Norden ebenso lang versäumt, die Landwirtschaft nachhaltig zu entwickeln. Nennenswerte Agrarforschung existiert bis heute in Afrika nicht. Längst können die bescheidenen Erträge mit dem Geburtenwachstum nicht mithalten. Viele afrikanische Länder verlieren 40 Prozent und mehr ihrer Agrarproduktion, weil es an Kühlanlagen, Konservierungsmethoden, Silos und Speichern fehlt und Schädlinge und Schimmelpilze die Ernten vernichten. Schlechte und vor allem zu wenige Straßen erschweren es, Produkte zu den Märkten und Technik zu den Bauern zu transportieren.

Der EU-Entwicklungskommissar Louis Michel geht davon aus, dass Afrika nur zehn Prozent der Nahrungsmittel herstellt, die produziert werden könnten. Für Nigerias Agrarminister Sayyadi Abba Ruma ist die Lebensmittelkrise ein Weckruf, die lange verschobene Grüne Revolution zu starten. Damit, so der ehemalige UN-Generalsekretär und amtierende AGRA-Präsident, Kofi Annan, müsste in Afrika kein Mensch mehr verhungern oder astronomischere Preise für Grundnahrungsmittel zahlen.

Wie aber diese Revolution aussehen soll, darüber herrscht Uneinigkeit. Agrarkonzerne wollen mit Hightech-Saatgut, Kunstdünger, Pestiziden und einer verbesserten landwirtschaftlichen Infrastruktur die Produktion verdoppeln oder gar verdreifachen. Mitte der 60er Jahre wurde mit diesen Mitteln in Asien Millionen Menschen das Leben gerettet. Allerdings wurde ebenso vielen Kleinbauern die Lebensgrundlage genommen, weil sie Kredite für Saatgut und Düngermittel nicht zurückzahlen konnten. Einige Jahre später scheiterte ein ähnliches, von der Rockefeller-Stiftung unterstütztes Agrarprogramm an der politischen Zersplitterung Afrikas. Unter Kofi Annan soll ein neuer Anlauf genommen werden.

Zahlreiche Organisationen, darunter die Deutsche Welthungerhilfe, der Weltagrarrat, Swissaid und Nichtregierungsorganisationen wie das Food First Informations- und Aktionsnetzwerk fordern eine Abkehr von dieser gescheiterten Strategie und eine an afrikanische Strukturen angepasste Förderung von Kleinbauern und mehr staatliche Agrarforschung in Afrika. Sie fürchten eine von Konzernen dominierte Landwirtschaft und die Erschließung von Märkten für genmanipuliertes Saatgut. Egal wie diese Grüne Revolution in Afrika geartet sein wird, eines dürfte klar sein: Der Kontinent wird in Zukunft nur satt werden, wenn die Bauern ihre traditionellen Anbaumethoden grundlegend verbessern.

* Aus: Neues Deutschland, 30. Juni 2008


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