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Karsai verurteilt Tod von vier Zivilisten

ISAF hatte Bus in Kandahar beschossen

Afghanistans Präsident Hamid Karsai hat den tödlichen NATO-Angriff auf einen mit Zivilisten besetzten Bus scharf verurteilt.

Der Angriff mit vier Todesopfern als Folge sei »durch nichts zu rechtfertigen«, sagte Karsai in einer am Montag (12. April) veröffentlichten Erklärung. Der Beschuss laufe der Verpflichtung der NATO entgegen, Zivilisten zu schützen.

Der Vorfall erfülle ihn »mit tiefer Trauer«, so Karsai. Der Präsident rief die NATO-Truppe ISAF auf, »beträchtliche Vorsichtsmaßnahmen« zu ergreifen, um den Tod weiterer Zivilisten zu verhindern. Die ISAF räumte den Angriff ein und teilte mit, sie bedaure den Tod der Zivilisten »zutiefst«.

ISAF-Soldaten hatten zuvor in der südafghanischen Provinz Kandahar das Feuer auf einen mit Zivilisten besetzten Bus eröffnet. Dabei wurden nach Angaben afghanischer Behörden vier Zivilisten getötet, darunter eine Frau und ein Kind. 18 weitere Menschen seien verletzt, hieß es in einer Erklärung der Provinzregierung. Der Bus war demnach unterwegs in die westliche Provinz Herat und hatte sich auf einer Hauptstraße in Kandahar einem Konvoi der ISAF genähert.

Der Oberbefehlshaber der US- und NATO-Truppen in Afghanistan, Stanley McChrystal, hatte im vergangenen Jahr versprochen, mehr für den Schutz der Zivilisten zu tun. Erst in der vergangenen Woche waren bei einem Luftangriff der NATO im Süden Afghanistans vier Zivilisten ums Leben gekommen. Zuvor hatte die NATO die Verantwortung für den Tod von fünf Zivilisten eingestanden, die bereits Mitte Februar bei einem Einsatz in der Provinz Paktia gestorben waren.

Nach dem Streit mit Präsident Karsai hat sich die US-Regierung derweil um eine Wiederannäherung bemüht. »Wir betrachten ihn als verlässlichen Partner«, sagte US-Außenministerin Hillary Clinton in einem Interview mit dem Fernsehsender CBS. Verteidigungsminister Robert Gates betonte das gute Verhältnis zwischen Karsai und dem Oberbefehlshaber der NATO-Truppen in Afghanistan, McChrystal.

* Aus: Neues Deutschland, 13. April 2010


Afghanen protestieren gegen NATO

Nach tödlichen Schüssen auf vier Zivilpersonen ist es am Montag (12. April) in der südafghanischen Stadt Kandahar zu Protesten gegen die westlichen Besatzungstruppen gekommen. NATO-Soldaten haben zuvor auf einen Bus geschossen und dabei vier Menschen getötet. 18 weitere wurden verletzt. Unter den Opfern seien Frauen, Kinder und Männer, sagte Selmai Ajubi, der Sprecher des örtlichen Gouverneurs. Wenige Stunden nach den Schüssen blockierten Demonstranten die größte Straße von Kandahar mit brennenden Reifen und riefen: »Tod Amerika«. Sie warfen auch der Regierung von Präsident Hamid Karsai, der selbst aus Kandahar stammt, vor, die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft zu ziehen. »Wir fordern Gerechtigkeit von der Karsai-Regierung und die Bestrafung der Soldaten«, sagte ein Mann. Karsai selbst verurteilte den NATO-Angriff auf den mit Zivilisten besetzten Bus in einer gestern verbreiteten Erklärung scharf. Die Attacke sei »durch nichts zu rechtfertigen«.

Nach dem tödlichen Angriff auf die Bundeswehr in Afghanistan fordert die Partei Die Linke eine Regierungserklärung von Angela Merkel (CDU). Es sei notwendig, daß die Kanzlerin vor dem Parlament eine Stellungnahme zur Lage in Afghanistan und der weiteren Strategie abgebe, sagte Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch am Montag in Berlin. Zudem habe die Regierung eine bemerkenswerte Neubewertung des Einsatzes vorgenommen, indem Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gesagt habe, umgangssprachlich könne man von Krieg reden, monierte Bartsch. Der Bundestag habe jedoch keinen Kriegseinsatz beschlossen. Es müsse sofort eine Abzugsperspektive für die Soldaten entwickelt werden.

Zu Guttenberg sprach sich derweil für weitere Reformen bei der Bundeswehr aus, »um deren Strukturen besser der Einsatzrealität anzupassen«, wie AFP den Krieg umschrieb. Am Montag (12. April) wurde die neue Bundeswehr-Strukturkommission eingesetzt. (AFP/apn/jW)

** Aus: junge Welt, 13. April 2010


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