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Der Krieg ist verloren *

Pakistans Präsident Asif Ali Zardari gibt den Krieg der USA und der NATO gegen die Aufständischen in Afghanistan verloren. Es werde den ausländischen Truppen nicht gelingen, die Islamisten am Hindukusch zu besiegen, sagte Zardari während eines zweitägigen Frankreich-Besuchs in einem Interview, das die Pariser Tageszeitung Le Monde in ihrer heutigen Ausgabe veröffentlicht. »Die internationale Gemeinschaft, zu der Pakistan gehört, verliert gerade den Krieg gegen die Taliban«, äußerte der Staatschef. »Das liegt vor allem daran, daß wir den Kampf um die Herzen und um die Köpfe verloren haben.« Die Zeit spiele für die Taliban, denn diese hätten gelernt abzuwarten. Die USA und die NATO hätten die Lage in Afghanistan »unterschätzt«.

Nach seinem Aufenthalt in Frankreich wurde Zardari gestern abend in London erwartet. Gegenüber Le Monde kündigte Zardari an, dem britischen Premierminister David Cameron ins Gewissen reden zu wollen: »Wir sollten den Krieg gegen den Terrorismus gemeinsam und nicht gegeneinander führen.« Cameron hatte Pakistan in der vergangenen Woche vorgeworfen, den Terrorismus im Nachbarland Afghanistan zu nähren. Nach Protesten aus Islamabad erklärte eine Regierungssprecherin in London, der Premier bleibe bei seiner Einschätzung. Er habe sich ausdrücklich auf »Teile« Pakistans bezogen, nicht auf die Regierung.

In Pakistan haben die Menschen in diesen Tagen jedoch ganz andere Sorgen als diplomatische Verstimmungen zwischen Islamabad und London. Im Nordwesten des Landes sind offiziellen Angaben zufolge bislang mehr als 3,2 Millionen Menschen Opfer der schweren Überschwemmungen geworden. Unter den Notleidenden seien 1,4 Millionen Kinder, von denen bereits unzählige an lebensgefährlichem Durchfall erkrankt seien, bestätigte ein Sprecher des UN-Kinderhilfswerks UNICEF in Genf. Die Zahl der in den Fluten ums Leben Gekommenen wird auf etwa 1500 Menschen geschätzt. Rund eine Million Menschen, die ihr Dach über dem Kopf verloren haben, kampieren oft mit ihren letzten geretteten Habseligkeiten auf der Straße. Auch am Dienstag regnete es wieder in Strömen, neue Überschwemmungen drohten.

Angesichts des Elends und der nur schleppend anlaufenden Hilfe wächst bei den Betroffenen der Zorn auf die Regierung. In der nordwestpakistanischen Stadt Peschawar demonstrierten Hunderte Menschen gegen das Krisenmanagement. Ihr Zorn richtet sich vor allem gegen den Staatschef. »Zardari hätte uns hier besuchen und sich um unser Wohlergehen kümmern sollen, statt auf Vergnügungsreise zu gehen«, hieß es. Tatsächlich hatte der Präsident zwischen seinen Terminen in Paris und London noch die Zeit für einen privaten Abstecher in die Normandie gefunden, wo seine Familie ein Anwesen besitzt.

Unterdessen ist es in der pakistanischen Metropole Karatschi nach der Ermordung eines prominenten Politikers zu schweren Unruhen gekommen, bei denen mindestens 45 Menschen getötet und 100 verletzt wurden. Bewaffnete zogen mordend durch die Straßen, Dutzende Fahrzeuge und Geschäfte standen in Flammen. Schulen und die meisten Geschäfte in der größten Stadt des Landes blieben geschlossen. Raza Haider, ein Abgeordneter des Provinzparlaments, war am Montag zusammen mit seinem Leibwächter in einer Moschee erschossen worden.

jW-Bericht

* Aus: junge Welt, 4. August 2010


Kriegsschauplatz Afghanistan: Gefechte und Anschläge in der Provinz Kandahar **

Aufständische versuchten am Dienstag (3. Aug.) zum zweiten Mal, den größten NATO-Stützpunkt im Süden des Landes einzunehmen. Der Angriff auf den Luftwaffenstützpunkt Kandahar dauerte nach Angaben eines NATO-Sprechers etwa eine Stunde. Anschließend flüchteten die Angreifer, ohne auf das Gelände gelangt zu sein. Ein Sprecher der Provinzregierung in Kandahar sagte, von den fünf Rebellen seien zwei getötet worden. Sie hätten zwei Raketen auf den Stützpunkt abgefeuert. Dabei seien zwei Zivilisten sowie ein NATO-Soldat verletzt worden, die zur medizinischen Versorgung ausgeflogen wurden. Bereits am 22. Mai hatten Taliban versucht, den Stützpunkt zu stürmen.

In Kandahar hat die Zahl der Anschläge in den vergangenen Monaten zugenommen. Außerdem kam es gehäuft zu Gefechten zwischen Besatzern und Aufständischen. Am Montag mußten verletzte afghanische Soldaten mit Hubschraubern der US-Armee aus dem Kampfgebiet geflogen werden (Foto). Auch aus der benachbarten Provinz Helmand wurden immer wieder Angriffe gemeldet.

Bei einem Bankraub in der nordafghanischen Stadt Masar-i-Scharif wurden unterdessen sechs Wachleute getötet. Nach Polizeiangaben vom Dienstag wurden die Sicherheitskräfte offenbar vergiftet. Jemand scheine ihnen am Montag abend Gift ins Essen gemischt zu haben. Laut Polizei entkamen die Täter mit etwa 269000 Dollar (205000 Euro) in afghanischer und in US-Währung.

(apn/AFP/jW)

* Aus: junge Welt, 4. August 2010


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