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Hindukusch für immer

Washington führt mit Kabul Gespräche über permanente US-Basen in Afghanistan. Bautrupps schaffen unterdessen dafür schon die Fakten

Von Rainer Rupp *

Die Obama-Administration führt derzeit mit den befreundeten Kriegsherren in der afghanischen Regierung in Kabul Gespräche über permanente Stützpunkte der US-Armee am Hindukusch. Mit den Worten »Das ist ein Thema, zu dem wir in Verhandlungen sind«, bestätigte das der US-Marionettenpräsident Hamid Karsai am Dienstag in Kabul. Die Vertreter der US-Regierung seien daran interessiert, längerfristig mit Militäreinheiten in Afghanistan präsent zu sein. Die vorsichtige Wortwahl ist dem Umstand geschuldet, daß das US-Militär auf keinen Fall mit dem Gebrauch des Begriffs »permanente Basen« schlafende Hunde im Kongreß in Washington wecken will. Aber die vom Pentagon in Auftrag gegebenen gewaltigen landesweiten Bautätigkeiten am Hindukusch zur Ausweitung und Verbesserung der zahlreichen mittleren und großen US-Militärbasen lassen keinen anderen Schluß zu, als daß hier auf Dauer die US-Militärpräsenz abgesichert werden soll.

Obama hat wiederholt öffentlich versprochen, ab Juli dieses Jahres mit dem Abzug der US-Kampftruppen aus Afghanistan zu beginnen. Im Schlepptau Washingtons haben die Bundesregierung und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ähnliche Vorstellungen geäußert. Gemäß der auf dem NATO-Gipfel in Lissabon Ende November 2010 beschlossenen Pläne, sollen die afghanischen Marionettentruppen bis Ende 2014 derart kampftüchtig gemacht werden, daß die US- und NATO-Kampftruppen zu einem guten Teil abgezogen werden können. Dadurch soll das Sterben westlicher Soldaten und der Protest zu Hause wegen erhöhter einheimischer Opferzahlen vermieden werden. Zugleich jedoch wollen sich US-amerikanische und europäische Neokolonialisten die Fäden der politischen Kontrolle über die wichtige geostrategische Position am Hindukusch nicht wieder aus den Händen gleiten lassen, woraus sich der Drang zu permanenten Militärbasen erklärt.

Eine Analyse US-amerikanischer Militärzeitschriften und Regierungspublikationen, einschließlich der Ausschreibungen der U.S. Army und des Army Pionier Corps macht deutlich, mit welchen gigantischen Baumaßnahmen an Hunderten von kleineren und größeren Basen in Afghanistan die US-Militärpräsenz auf Dauer gesichert werden soll. Typisch für die Bauaktivitäten am Hindukusch ist z.B. die Expansion von Camp Leatherneck, über die ein Artikel in der Marine Corps Times vor einem halben Jahr berichtete.

Laut der Zeitung der US-Marineinfanterie wurde die Basis jüngst von 2,7 Quadratkilometer auf 6,7 Quadratkilometer ausgeweitet, um unter anderem Platz zu machen für drei neue Sportkomplexe, zusätzlich zu dem bereits vorhandenen. Weiter wird an drei getrennten Gebäuden für religiöse Zwecke gebaut, davon eine Kirchenhalle, die mindestens 200 Soldaten Platz bietet. Auch ein weiteres Kantinengebäude wird erreichtet, das 4000 Marineinfanteristen zugleich mit Essen versorgen kann. Außerdem wird ein neues Einkaufszentrum mit einer Verkaufsfläche von 1000 m² hochgezogen.

Bedeutender sind jedoch die Baumaßnahmen zur Ausweitung und Verbesserung der militärischen Infrastruktur zur Stärkung der Schlagkraft der US-Soldaten bei zukünftigen Operationen, für deren Auflistung hier der Platz fehlt. So wie in Camp Leatherneck geht es überall auf den US-Basen in Afghanistan zu, und viele der Neubauten werden erst lange nach dem von Obama verkündeten Abzugs­termin im Juli 2011 fertig sein. An der Absicht einer permanenten US-Militärpräsenz in Afghanistan besteht nicht der geringste Zweifel.

* Aus: junge Welt, 10. Februar 2011


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