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NATO-Transit durch Russland

Abkommen dürfte noch nicht das Ende des Erreichbaren sein

Von Irina Wolkowa, Moskau *

»Es ist vollbracht«, sagte eine NATO-Sprecherin am Freitag in Bukarest mit hörbarem Seufzer der Erleichterung. Gemeint war eine Vereinbarung, zu deren Inkrafttreten kurz zuvor Russlands Außenminister Sergej Lawrow und NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer Noten austauschten.

Die Vereinbarung sieht vor, dass die NATO zur Versorgung ihrer Truppen in Afghanistan künftig russisches Territorium nutzen kann. Moskau will jedoch nur nichtmilitärische Transporte - vor allem Verpflegung, Treibstoff und Ersatzteile - passieren lassen.

Beide Seiten verständigten sich auch darüber, das gemeinsame Programm zur Schulung von Beamten der afghanischen Antidrogenbehörde zu intensivieren.

Ein Sprecher des russischen Außenministeriums bezeichnete die Vereinbarungen als Geste guten Willens. Moskau wolle damit auch ein deutliches Zeichen setzen, dass der Kalte Krieg zu Ende sei.

Die NATO indes hatte mehr erhofft. Vor allem direkte Truppentransporte und Überflugrechte. Über beides sind Moskau und Washington bereits seit Beginn der Antiterroroperation am Hindukusch im Herbst 2001 im Gespräch.

Zusätzlichen Verhandlungsbedarf sieht die Allianz seit Sommer 2005. Unter dem Druck der von Moskau und Peking dominierten Shanghai-Organisation kündigte Usbekistan den USA damals die Nutzungsrechte für eine Luftwaffenbasis bei Karschi: Chanabad, das bis dahin als Drehkreuz für den Nachschub in Afghanistan fungierte. Die Basis Manas in der Nähe des internationalen Flughafens von Bischkek, der Hauptstadt Kirgistans, ist wegen der großen Entfernung nur kümmerlicher Ersatz und potenziell ebenfalls von Schließung bedroht.

Über die Nutzung russischen Luftraums und über militärische Transporte aber will Moskau momentan nicht mit sich reden lassen. Offiziell wurden dafür keine Gründe genannt. Experten gehen jedoch davon aus, dass Moskau zum Einlenken nur dann bereit ist, wenn die NATO beim Beitritt der Ukraine und Georgiens, vor allem aber beim Streit um die Stationierung von Raketenabwehrstellungen in Mittelosteuropa auf russische Bedenken Rücksicht nimmt.

Er, so ein russischer Diplomat, der anonym bleiben wollte, könne sich mittelfristig eine Paketlösung durchaus vorstellen. Die Nordatlantische Allianz werde gezwungen sein, am Hindukusch noch lange präsent zu bleiben, der Einsatz von Menschen und Material eher zu- denn abnehmen. Zusammen bringen Antiterroreinheiten und die NATO-geführte Schutztruppe ISAF es dort bereits auf rund 55 000 Mann.

Ähnliche Befürchtungen treiben auch die NATO-Staaten, allen voran deren Führungsmacht USA, und den afghanischen Präsidenten um: Hamid Karsai, der bei der NATO-Russland-Tagung als Gast zugegen war. Er und de Hoop Scheffer dankten Moskau auf ihrer gemeinsamen Pressekonferenz ausdrücklich für das Zustandekommen des Transitabkommens. Es biete kürzere, leichtere Wege und eine Alternative zu den gegenwärtigen, sagte Karsai.

De Hoop Scheffer würdigte die Abmachungen als Unterstützung für die neue taktische Konfiguration, wie sie die Allianz in Afghanistan anstrebt. Details sind in einem vierseitigen Strategiepapier enthalten. Demzufolge sollen militärischer Einsatz und Wiederaufbau noch enger miteinander verwoben, die militärische Komponente jedoch allmählich zurückgefahren und an die Afghanen delegiert werden. 2010 soll Wirklichkeit werden, was ursprünglich bereits für 2004 geplant war: Der Aufbau einer 80 000 Mann starken nationalen multiethnischen afghanischen Armee

Deren Truppen, so der afghanische Präsident, würden zunächst vor allem für Sicherheit im Großraum Kabul sorgen. Antiterroreinheiten und ISAF würden dadurch die Hände freibekommen für ein geballtes Engagement in Problemprovinzen im Süden. Die Wachablösung könne bereits im August beginnen.

Gleichzeitig tadelte Karsai Experten, die Afghanistan zu einem gescheiterten Staat erklären, in dem islamische Rebellen seit geraumer Zeit erneut die strategische Initiative an sich gerissen hätten. Positive Nachrichten würden zu selten Schlagzeilen machen.

* Aus: Neues Deutschland, 9. April 2008


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