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Störmanöver aus Washington

Sanktionen der US-Regierung gegen angebliche Führungspersonen des afghanischen Widerstandes

Von Knut Mellenthin *

Das US-Finanzministerium hat am Donnerstag (22. Juli) drei angebliche Führungspersonen des bewaffneten afghanischen Widerstands auf die Sanktionsliste gesetzt. Das bedeutet unter anderem, daß Konten der drei beschlagnahmt werden können, daß sie mit einem Einreiseverbot in die USA belegt werden und daß USBürger keinerlei Kontakt zu ihnen haben dürfen.

Neben zwei Vertretern der Taliban gehört auch Nasiruddin Haqqani zu den Geächteten. Zusammen mit seinem Bruder Siradschuddin und seinem Vater Jalaluddin, die beide schon länger auf der Liste stehen, leitet er angeblich das sogenannte Haqqani-Netzwerk. Die aktuelle Maßnahme gegen Nasiruddin Haqqani wird als Vorbereitung für die Listung des »Netzwerks« als Terrororganisation interpretiert. Das fällt in die Zuständigkeit des Außenministeriums. US-amerikanische Militärs und Politiker drängen seit einiger Zeit auf diesen Schritt. Die Mainstreammedien der USA werten die Ächtung von Nasiruddin Haqqani und die bevorstehende Brandmarkung des »Netzwerks« als Teil der Störmanöver der US-Regierung gegen eine Verständigung zwischen dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai und Teilen der Aufständischen. In den letzten Monaten war mehrfach über angebliche Verhandlungen zwischen Kabul und dem »Netzwerk« berichtet worden. Die US-Regierung lehnt jeden politischen Kompromiß ab, der zu einer Machtteilung führen könnte.

Die Ächtung des »Haqqani-Netzwerks « gilt auch als Mittel, um den Druck auf die pakistanische Regierung zu steigern, in deren Land sich dessen Führer angeblich aufhalten. In der offiziellen Bekanntmachung des US-Finanzministeriums heißt es, die Rebellenorganisation operiere von Stützpunkten in der Region Nordwasiristan aus. Die US-Regierung bedrängt Pakistan seit Monaten, eine Großoffensive gegen dieses Gebiet zu starten. Indessen unternahm das Wall Street Journal, ein Sprachrohr der US-amerikanischen Neokonservativen, am Dienstag einen offenkundig provokatorischen Versuch, die Regierung in Islamabad in Schwierigkeiten zu bringen. In triumphierender Weise behauptete das Blatt, daß die Streitkräfte und die Special Operation Forces der USA in den vergangenen Monaten erfolgreich begonnen hätten, ihre »Präsenz« in Pakistan und ihre Zusammenarbeit mit den dortigen Sicherheitskräften zu erweitern. Unter anderem war die Rede von immer häufigeren gemeinsamen Aktionen des in den Aufstandsgebieten operierenden Grenzkorps und amerikanischer Spezialeinheiten. Ein anonymer höherer US-Offizier wurde mit dem aufreizenden Spruch zitiert: »Zum Tanz muß man etwas mitbringen. Und das macht man am besten, indem man Bargeld bereithält.« Nach Umfragen haben nur etwa 17 Prozent der Pakistanis eine positive Meinung über die USA. Die militärische Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten wird deshalb normalerweise mit allergrößter Diskretion und Geheimhaltung behandelt.

* Aus: junge Welt, 24. Juli 2010


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