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Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.
Chronik des Krieges gegen Afghanistan
November 2001
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Am 1. November verstärken die USA ihre Luftangriffe in den nördlichen Landesteilen. B-52-Bomber flogen pausenlos Angriffe auf vermutete Taliban-Stellungen an der Front nördlich von Kabul und um die von der Nordallianz belagerte Stadt Masar-e-Scharif. Schwersten Angriffen mit Raketen und Bomben waren auch die Städte Kandahar und Herat ausgesetzt.
Taliban Sprecher Amir Khan Muttaki behauptete, die USA wollten den größten Staudamm Afghanistans zerstören. Der Kadschaki-Damm in der südlichen Provint Helmand sei in den Nacht zum 1. November sieben Mal bombardiert worden. "Es gibt keinerlei Militäranlagen am Kadschaki-Damm. Amerika will einfach alles zerstören", sagte Muttaki. Der Staudamm war vor 30 Jahren mit Hilfe aus den USA erbaut worden und drohe nun zu brechen. Er lieferte u.a. Strom nach Kandahar (die Leistungen sind inzwischen zerstört) und versorgt über ein Kanalsystem rund 75.000 landwirtschaftliche Höfe.
Auf Ersuchen der USA hat die türkische Regierung beschlossen, 90 Elitesoldaten nach Afghanistan zu entsenden. Sie sollen u.a. helfen, Taliban-Gegner militärisch auszubilden. Unterdessen bestätigte der französische Ministerpräsident Jospin, sein Land beteilige sich mit Mirage-Kampfjets zur Luftbeobachtung und mit Aufklärungsflugzeugen an der US-Militäraktion in Afghanistan.
Der Taliban-Botschafter in Pakistan, Abdul Salam Saif, sagte, seit Kriegsbeginn seien 1.500 Zivilisten getötet worden. Außerdem überraschte er die Zuhörer bei seiner Pressekonferenz mit der Mitteilung, dass sich "einige amerikanische Bürger" in afghanischer Gefangenschaft befänden. "Sie wurden verhaftet." Westliche Beobachter nehmen an, dass es sich bei den Gefangenen um Mitglieder der US-Eliteeinheit handelt, die in der vergangenen Woche von Pakistan aus nach Afghanistan eingedrungen sind, um dem afghanischen Rebellenkommandeur Abdul Haq zu Hilfe zu kommen. Haq war aber gefasst und laut Zeugenaussagen hingerichtet worden. -
Am 2. November flogen die US-Luftstreitkräfte einen der heftigsten Angriffe mit B-52-Bombern gegen Taliban-Stellungen nördlich von Kabul. Nach Berichten der Nordallianz waren die Angriffe mit ihnen abgestimmt und von US-Bodentruppen "dirigiert" worden.
Erstmals soll es auch zu Gefechten im Süden des Landes zwischen den Taliban und paschtunischen Oppositionellen gekommen sein. Bereits einen Tag zuvor (1. Nov.) soll eine Gruppe von rund 25 Kämpfern des Paschtunen-Führers Hamid Karsai festgenommen worden sein. Karsais Leute sind offenbar nach Afghanistan eingedrungen, um Taliban-Kommandanten zum Seitenwechsel zu überreden. Karsai berichtete indessen gegenüber BBC, seine Truppe habe den Taliban-Angriff erfolgreich zurückgeschlagen und selbst Gefangene gemacht. Seine Leute kontrollierten inzwischen einen Teil der Provinz Urusgan nördlich von Kandahar. Karsai war nach 1992 vorübergehend Vize-Außenminister in der ersten Mudschaheddin-Regierung, unterstützte anfangs auch die Taliban und gilt heute als enger Vertrauter des Exil-Königs Sahir Schah, dessen Klan er auch angehört.
Afghanische Kämpfer
haben Angaben der Taliban-Regierung
zufolge am Abend des 2. November einen
US-Militärhubschrauber abgeschossen.
Bei der Operation südlich der Hauptstadt
Kabul seien bis zu 50 US-Soldaten ums
Leben gekommen, sagte Kari Fasil Rabi,
ein Vertreter des afghanischen
Informationsministeriums. Der
Hubschrauber sei in der Nacht gegen
23.00 Uhr Ortszeit abgeschossen
worden, als er einen zweiten,
abgestürzten US-Hubschrauber zu retten versucht habe. Der Vorfall
habe sich im Bezirk Nawoor in der Provinz Ghasni ereignet.
Die Version des Pentagon lautet ganz anders: Nach Angaben eines
Sprechers der US-Regierung sind beim Absturz eines
Militärhubschraubers vier US-Soldaten verletzt worden. Das Unglück
ereignete sich am Freitagabend (2. Nov.) bei schlechtem Wetter, als der
Hubschrauber einen kranken Soldaten abholen wollte, so das
Pentagon. Der US-Hubschrauber stürzte nach Darstellung des
amerikanischen Verteidigungsministeriums gegen 19.30 Uhr
mitteleuropäischer Zeit ab. Die Crew wurde von einem zweiten
Helikopter gerettet. Weiter wurde erklärt, später hätten Kampfflugzeuge
den beschädigten Hubschrauber zerstört, damit er nicht in die Hände
der Taliban falle.
Der Widerstand gegen den Bombenkrieg wächst. Die Grünen-Fraktion im Europa-Parlament hat eine Unterbrechung der Bombardements empfohlen, um die Hilfe für die afghanische Bevölkerung wieder zu ermöglichen. Auch Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer kritisiert den Bombenkrieg, hinter dem "kein Ziel erkennbar" sei. In einem Interview mit SPIEGEL-Online setzte sie sich für die Schaffung von "Schutzzonen" ein. -
Am 3. November setzten die USA ihre Luftangriffe unvermindert fort. Die US-Luftwaffe griff Taliban-Stellungen nördlich von Kabul an. Im Norden des
Landes teilte die Nordallianz mit, sie habe nach heftigen Kämpfen die
Provinz Agopruk erobert, 50 Kilometer südwestlich von
Masar-i-Scharif.
Die Verfolgung des mutmaßlichen
Terroristenführers Osama Bin Laden gestaltet sich nach Angaben
von US-Konteradmiral John
Stufflebeem schwierig. Aus Geheimdienstkreisen verlautete, die
Suche konzentriere sich auf Höhlen und Tunnel im Osten und Süden
des Landes.
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld war am 3. November zu
Gesprächen mit seinem russischen Amtskollegen Igor Iwanow sowie
mit Präsident Wladimir Putin in Moskau. Im weiteren Verlauf seiner
Reise wird Rumsfeld in Usbekistan, Tadschikistan, Pakistan und Indien
erwartet. In Usbekistan haben die USA Truppen stationiert, darunter
Soldaten einer Gebirgsjägerdivision. Den Einsatz von Bodentruppen
zur Besetzung Afghanistans schloss Rumsfeld aus. -
Am Sonntag, den 4. November, flog die US-Luftwaffe die bislang schwersten Angriffe auf Ziele im
Nordosten Afghanistans. Nach Angaben des US-Senders CNN waren die
Angriffe auf Taliban-Positionen entlang der Frontlinie zur Nordallianz zeitweise
so heftig, dass es nicht mehr möglich war, die Explosionen zu zählen. Nach US-Medienberichten wurden am Wochenende neben der Umgebung der
Hauptstadt Kabul auch fünf weitere Ziele angegriffen.
Der seit vier Wochen andauernde US- Luftkrieg
in Afghanistan hat nach den Worten des amerikanischen Verteidigungsministers
Donald Rumsfeld inzwischen einen "messbaren Fortschritt" gebracht. Rumsfeld,
der derzeit zur Festigung der Anti-Terror-Allianz mehrere Nachbarstaaten der
Krisenregion bereist, nannte dazu allerdings keine Details.
Die zentralasiatische Republik Usbekistan lehnt nach den Worten von Rumsfeld
weiterhin Kampfeinsätze von US-Truppen von ihrem Gebiet gegen das
benachbarte Afghanistan ab. Usbekistan erlaubt den USA die Stationierung von
Flugzeugen und Truppen nur für humanitäre Einsätze und Rettungsflüge über
Afghanistan. Dagegen hatte Rumsfeld am 3. November in Tadschikistan die Erlaubnis
erhalten, dass die USA den Luftraum dieser GUS-Republik auch für
Kampfeinsätze nutzen dürfen.
Nach Informationen der britischen "Sunday Times" wollen die USA und
Großbritannien im bisher von den Taliban beherrschten Grenzgebiet zu
Usbekistan einen "humanitären Brückenkopf" errichten. Von dort sollten
Hunderttausende von afghanischen Flüchtlingen während des Winters mit
Nahrung, Kleidung und Medikamenten versorgt werden.
Bei einem umstrittenen Treffen einer Reihe handverlesener EU-Regierungschefs in London bekräftigten die Teilnehmer einerseits ihre "absolute" Solidarität mit den USA. Andererseits teilte Frankreichs Staatschef Jacques Chirac aber auch mit, die
Teilnehmer der Gesprächsrunde hätten betont,
dass der militärische Weg nicht der einzige sein könne,
um den internationalen Terrorismus zu bekämpfen.
Humanitäre Hilfe für Afghanistan habe kurzfristig die
höchste Priorität, sagte der niederländische
Ministerpräsident Wim Kok.
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Am 5. November haben es die USA erneut abgelehnt, die Angriffe gegen Afghanistan im Fastenmonat Ramadan auszusetzen. Der US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld machte im
Gespräch mit den pakistanischen Präsidenten Pervez Musharraf klar, dass die Bombardierung fortgesetzt wird. Die Taliban-Regierung könne nach vier Wochen Angriffen nicht mehr voll funktionieren, sagte Rumsfeld. Das Netzwerk der Terrororganisation Al Qaeda müsse nun vollständig zerschlagen werden. Auch Bundeskanzler Schröder lehnte eine Feuerpause ab. Die Auseinandersetzung wurde damit nur verlängert. Man müsse allerdings Rücksicht auf "Empfindlichkeiten" nehmen, wenn die Angriffe im Ramadan weitergeführt würden.
Rumsfeld verteidigte unterdessen erneut die Luftangriffe auf Afghanistan. Es habe wohl noch nie zuvor so präzise und wirkungsvolle Bombardements gegeben. Afghanistan sei jedoch nur der Anfang. "Das Problem geht über Afghanistan hinaus. Afghanistan ist das erste Problem. Wir werden Terroristen-Netzwerke verfolgen, wo immer wir sie finden", sagte Rumsfeld am 5. November bei einem Besuch in Indien. -
Am 6. November gehen in Afghanistan die Angriffe routinemäßig weiter.
In Berlin tritt am selben Tag der Bundessicherheitsrat zusammen. Danach verkündet Bundeskanzler Schröder vor der Presse, die US-Regierung habe konkrete Anforderungen an die Bundesregierung gestellt, den Einsatz in Afghanistan mit Bundeswehreinheiten zu unterstützen. Eine Beteiligung Deutschlands an Luftangriffen oder die Bereitstellung von Bodentruppen für Afghanistan sei nicht gefordert worden, sagte Schröder. Es gehe zunächst nur um die Bereitstellung der Soldaten. "Für jeden konkreten Einsatz behalten wir die nationale Entscheidung." Nach den Worten des Kanzlers hat die US-Regierung insgesamt fünf Anforderungen gestellt. Im Einzelnen handelt es sich dabei um ABC-Spürpanzer, Einheiten zur Evakuierung von Verwundeten in einer
Größenordnung von 250 Mann, 100 Soldaten nicht näher bezeichneter Spezialeinheiten Damit sind die KSK-Kommando Spezialkräfte gemeint), 500 Mann für den Lufttransport und 1800 Marinesoldaten, die Seehäfen und Gefahrguttransporte sichern sollen. Insgesamt handele es
sich um 3900 Mann, die allerdings nicht alle gleichzeitig eingesetzt werden würden. -
Am 7. November werden weitere Erfolgsmedlungen der Nordallianz kolportiert. Die Talibangegner seien weiter auf die Stadt Masar-i-Sharif vorgerückt. Gezielte Bombenangriffe der US-Luftwaffe hätten zuvor die Taliban-Stellungen geschwächt. Das US-Verteidigungsminsterium bestätigte die Vorstöße der oppositionellen Nordallianz. US-Spezialeinheiten hätten von
Geländegewinnen der Oppositionstruppen um die strategisch wichtige Stadt Masar-i-Scharif berichtet, sagte Vize-Generalstabschef Peter Pace am Mittwoch in Washington. Über den genauen Frontverlauf sei er jedoch nicht unterrichtet. Wie weit die Truppen noch von Masar-i-Scharif entfernt seien, könne man nicht sagen.
Das Bundeskabinett verabschiedet in Berlin den Antrag an den Bundestag, wonach 3.900 Soldaten der Bundeswehr für den Krieg in Afghanistan bereitgestellt werden sollen. -
Am 8. November diskutiert der Deutsche Bundestag über den Antrag der Regierung, Bundeswehr für den Krieg in Afghanistan bereitzustellen. In den Reden des Bundeskanzlers und des Außenministers war mehr von der Verpflichtung zur Bündnissolidarität die Rede als von den militärischen Zielen des Einsatzes.
Die Offensive der Nordallianz auf die Stadt Marar-Scharif ging unvermindert weiter. Unterstützt wurde der Vormarsch von US-Luftangriffen rund um die Uhr.
Pakistans Staatschef versucht weiter den Spagat zwischen der Anti-Terror-Allianz und der eigenen Bevölkerung. Auf der einen Seite verfügte er die Schließung einer konsularischen Vertretung der Taliban in Karatschi, auf der anderen Seite forderte er abermals eine Unterbrechung des Krieges während des Fastenmonats Ramadan.
UNHCR-Flüchtlingskommissar Ruud Lubbers mahnte die Staaten der Anti-Terror-Allianz an ihre Verpflichtung zur humanitären Hilfe. Millionen von Afghanen seien im bevorstehenden Winter auf Hilfe von außen angewiesen. -
9. November: Nach einem weiteren Dauerbombardement der US-Luftwaffe haben die Kämpfer der Nordallianz nach eigenen Angaben die strategisch wichtige Stadt Masar-i-Scharif eingenommen. Die Taliban hätten sich aus der Stadt zurückgezogen, hieß es weiter. Die Taliban berichteten, bei den Angriffen seien 20 Zivilisten und vier Taliban-Kämpfer getötet worden. Eine der Bomben habe ein Dorf nördlich von Kabul getroffen und 16 Menschen getötet. Am schwersten seien die Angriffe in der südlichen Provinz Kandahar gewesen. Über die Einnahme der Stadt Masar-i-Scharif durch die Nordallianz wusste auch der Sprecher des Pentagon nichts zu berichten.
Nachdem US-Kriegsflugzeuge ein Wasserkraftwerk am Fuße eines Staudamms bombardiert haben (vgl. 1. November), droht vielen tausend Afghanen entweder Ernteausfall und Hunger oder die Überflutung ihres Landes. Die Schleusen können nicht mehr reguliert werden. Das Kraftwerk versorgte eine Region mit 500.000 Menschen mit Elektrizität. Mit dem produzierten Strom wurden allerdings auch die Schleusen des Staudamms betrieben, die den Pegelstand des Helmand-Flusses regulieren. Wenn die seit langem erwarteten Regenfälle einsetzen und die Schleusen nicht geöffnet werden können, könne dies zum Überlaufen des Stausees und - in der Folge - zum Bruch des Dammes führen. Die Konsequenz wäre nach Einschätzung von Uno-Mitarbeitern vor Ort eine "Katastrophe von riesigen Ausmaßen". Kollabiere der Damm, werde das gesamte Helmand-Tal unterhalb des Staussees überflutet und das Leben von mehreren zehntausend Menschen gefährdet, heißt es in einem internen Bericht des Uno-Regionalbeauftragten für Süd-Afghanistan. Stromabwärts seien die Menschen von der Bewässerung des Wüstenbodens abhängig. Wenn durch die nicht mehr funktionsfähigen Schleusen die gleichmäßige Wasserzufuhr unterbrochen werde, drohe Nahrungsknappheit und eine Hungernot. Zu wenig Wasser würde die Anpflanzung des Winter-Weizens unmöglich machen. Zu viel Wasser würde den Stausee entleeren und den Weizen im Frühjahr vertrocknen lassen. -
Am 10. November werden die Berichte über die Einnahme der Stadt Masar-i-Scharif auch von den Taliban und vom Pentagon bestätigt.
Die Truppen der Nordallianz haben ihre Angriffe auf Taliban-Stellungen fortgesetzt. Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet, griffen sie die Taliban rund um Dascht-i-Kala im
Nordosten Afghanistans an. Sie hätten mit schwerer Artillerie geschossen, hieß es. Die Taliban hätten mit Granaten geantwortet.
Die pakistanische Zeitung "Dawn" zitiert den Terroristenführer Osama bin Laden am 10. November mit der Behauptung, das Al-Qaeda-Netzwerk verfüge über Atom- und Chemiewaffen und sei bereit, diese einzusetzen. "Wenn Amerika chemische oder nukleare Waffen gegen uns einsetzt, werden wir mit chemischen oder nuklearen Waffen zurückschlagen", heißt es in dem Zeitungsbericht. Das Interview mit Osama bin Laden führte der pakistanische Journalist
Hamid Mir. Es erschien nicht nur in der englischsprachigen Zeitung "Dawn", sondern in anderer Version auch in der urdusprachigen Zeitung "Ausaf", deren Herausgeber Hamid Mir ist. In
"Ausaf" fehlt allerdings - nach Darstellung der Internetzeitung "Netzeitung" die Atomwaffen-Drohung des Terroristenführers in "Dawn". (Spiegel-Online dagegen zitiert die Drohung angeblich aus "Ausuf".) In dieser Version des Gesprächs warnt bin Laden lediglich: "Wenn es keine Sicherheit für uns gibt, wird es keine Sicherheit für die Amerikaner geben." Wie der britische Sender BBC berichtet, sind die beiden Versionen des Interviews ansonsten sehr ähnlich. - Die britische Regierung zweifelte den Wahrheitsgewalt des Bin-Laden-Interviews an. Man glaube nicht, dass bin Laden tatsächlich über Atom- oder Chemiewaffen verfüge, sagte ein
Regierungssprecher nach einem Bericht der Nachrichtenagentur AFP. Bin Laden versuche
allerdings in den Besitz solcher Waffen zu kommen. Die Regierung nehme deshalb seine Drohung deshalb "sehr ernst". -
Am 11. November bestätigten die Taliban, dass sie drei weitere Provinzen an die Nordallianz verloren haben. Wie AIP meldete, hätten sich die Kämpfer der Taliban aus den Hauptstädten der Provinzen Samangan, Jauzjan und Sar-i-Pol zurückgezogen.
Trotz der Mahnung des US-Präsidenten Bush an die Adresse der Nordallianz, Kabul nicht anzugreifen oder gar erobern zu wollen, setzte die Nordallianz ihren Vormarsch fort. Kabul müsse für alle politischen Kräfte offen bleiben, erklärte Bush am Abend des 10. November bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem pakistanischen Präsidenten Musharraf. "Wir ermutigen unsere Freunde von der Nordallianz, in der Schomali-Ebene südwärts
vorzurücken", sagte Bush, "aber nicht in die Stadt Kabul
einzudringen". Pervez Musharraf sagte,
er befürchte Gräueltaten gegen die Einwohner, wenn
die Nordallianz "zu früh" nach Kabul einrücke. So sei es
auch nach dem Abzug der sowjetischen Truppen
gewesen. Außerdem könnte die Anwesenheit der
Nordallianz-Kämpfer "Schwierigkeiten und
Spannungen" auslösen, da die Bevölkerung ihnen
"nicht zwangsläufig wohlgesonnen" sei. Die Haltung von Bush und Musharraf wird vom britischen Verteidigungsminister Geoff Hoon nicht geteilt. Der Zeitung "Sunday Telegraph" gegenüber erklärte er, den Vormarsch zu befürworten. Wenn die Nordallianz
weitere Regionen einnehme, blieben Terroristenführer
Osama bin Laden und seinen Anhängern weniger
Möglichkeiten, sich zu verstecken.
Die USA bombardierten in der Nacht zum und am 11. November wiederholt die Hauptstadt Kabul und andere Stellungen. Nach Angaben der talibannahen Nachrichtenagentur AIP griffen US-Flugzeuge Frontlinien in der nordöstlichen Provinz Takar an. Außerdem soll die Luftwaffenbasis Bagram bei Kabul bombardiert worden sein. -
Am 12. November kamen drei westliche Journalisten ums Leben, als sie mit einem Truppenkonvoi der Nordallianz in einen Hinterhalt von Taliban-Soldaten gerieten. Unter den Getöteten befand sich der "Stern"-Reporter Volker Handloik (40 J.), die beiden anderen Journalisten waren Franzosen; es handelt sich um die 34-jährige Johanne Sutton von Radio France Internationale (RFI) und um Pierre Billaud vom Sender RTL.
Die Nordallianz rückt unterdessen unbeeindruckt von den Warnungen des US-Präsidenten weiter auf die afghanische Hauptstadt Kabul vor. Angeblich habe man bereits eine Siocherheitstruppe von 7.500 Mann aufgestellt, die für die Sicherheit in der Stadt nach der Eroberung sorgen solle. Viele Menschen in Kabul fürchten sich vor den Truppen der Nordallianz. Unvergessen sind ihnen die grausamen Kämpfe zwischen den verschiedenen Mudschaheddin-Fraktionen in den Jahren 1992 bis 1996. Damals herrschten in Kabul der Tadschike Rabbani und der vor zwei Monaten ermordete Achmed Schah Massud. Sie wurden von ihrem ehemaligen Verbündeten Hekmatjar aus den Außenbezirken Kabuls beschossen, bis die Taliban 1996 die Stadt eroberten. "Ein Führer ist wie der andere", sagt Said Abbas, der in Kabul einen kleinen Laden für Fahrradersatzteile unterhält. Die Menschen seien ihnen nicht wichtig, "nur die Macht". (Zit. nach SPIEGEL-Online, 12.11.2001)
Nachdem am Freitag die strategisch wichtige Stadt Masar-i-Scharif an die Nordallianz gefallen ist, haben die oppositionellen Milizen nach eigenen Angaben im Norden inzwischen neun Provinzen erobert. Dabei handelt es sich um Samangan, Jauzjan, Sar-i-Pul, Tachar, Bamian, Badghis, Bamiyan, Balch und zuletzt Faryab. Nur noch die Provinz Kundouz werde von den Taliban kontrolliert, hieß es. -
Am 13. November scheint das Schicksal der Taliban besiegelt. Die Nordallianz hielt sich nicht an die Warnungen aus Washington und Islamabad und zog in der afghanischen Hauptstadt Kabul ein. Es habe keinen Widerstand gegeben, die Taliban hätten sich kampflos aus der Stadt zurückgezogen. Während die ARD (Tagesschau und Brennpunkt) von lediglich vier getöteten Taliban-Soldaten sprach - ansonsten sei alles ruhig und friedlich verlaufen - meldete Spiegel-Online, die Übernahme von Kabul sei nicht ohne Plünderungen, Exekutionen und Lynchmorde abgegangen.
Damit hätte sich wiederholt, was bei der Einnahme der Stadt Masar-i-Sharif passiert sei. Truppen der Nordallianz haben angeblich nach der Einnahme Stadt 100 junge Soldaten der Taliban getötet. Eine Uno-Sprecherin sagte am 13. November in Islamabad, die Taliban-Kämpfer hätten sich am 10. November in einem Schulgebäude versteckt. Sie seien offenbar nach ihrer Entdeckung exekutiert worden, sagte Stephanie Bunker vom Uno-Koordinationsbüro für Humanitäre Hilfe in Afghanistan. Sie erklärte ferner, Büros der Uno und anderer Hilfsorganisationen seien in Masar-i-Scharif und Kabul geplündert worden.
Über die Zukunft Kabuls hatten auch Bundesaußenminister Joschka Fischer und Uno-Generalsekretär Kofi Annan am Montagabend am Rande der Uno-Generaldebatte in New York gesprochen. Annan wolle versuchen, mit den verschiedenen Bevölkerungsgruppen einen Konsens über Kabul herzustellen, verlautete aus Delegationskreisen. Annan und Fischer hätten betont, dass Kabul eine "offene Stadt" bleiben müsse, hieß es. Die Sicherheit und die Versorgung der Bewohner müssten gewährleistet sein. -
Am 14. November geht der Vormarsch der Nordallianz auf breiter Front weiter. Der arabische Sender Al Dschasira meldet sogar schon die Einnahme der Stadt Kandahar, die immer als "Hochburg" der Taliban gegolten hatte. Der US-Sender CNN dagegen berichtete, der Kampf um die Stadt sei noch längst nicht entschieden. Immerhin sollen nur noch sechs der insgesamt 29 Provinzen in der Hand der Taliban sein.
Kritisch könnte die Situation in Dschalalabad im Osten des Landes werden. Hier übergaben die Taliban offenbar die Macht an den paschtunischen Mudschaheddin-Führer Mohammed Junis Chalis. Chalis warnte die Nordallianz davor, weiter auf die Stadt vorzurücken. Vier weitere Provinzen seien in die Gewalt örtlicher Machthaber übergegangen, die der Nordallianz feindlich gegenüber stehen.
Bei der Suche nach Osama bin Laden konzentrieren sich die USA jetzt auf den Süden des Landes. Hier sind nach Angaben des US-Verteidigungsministers Rumsfeld Spezialeinheiten eingesetzt, die wichtige Verbindungsstraßen kontrollieren.
Die Vereinten Nationen legten unterdessen einen 5-Punkte-Plan vor. Der UN-Sonderbeauftragte Lakhdar Brahimi sagte, das wichtigste sei die Gewährleistung der Sicherheit für die Bevölkerung. Der Plan sieht u.a. vor: Verhandlungen mit der Nordallianz und mit anderen Gruppen aufnehmen; die afghanischen Gruppen bilden einen provisorischen Rat, an dessen Spitze eine allgemein akzeptierte Symbolfigur der afghanischen Einheit stehen solle (Brahimi denkt an den Exil-König Sahir Schah); eine Übergangsverwaltung soll für zwei Jahre eingesetzt werden; die Versammlung der Stammesfürsten (Loya Jirga) soll einberufen werden; diese Versammlung soll eine neue Verfassung annehmen und die Übergangsverwaltung durch eine Regierung ablösen. -
Am 15. November bestätigte der UN-Sicherheitsrat mit einer Resolution den Fünf-Punkte-Plan.
Die USA bombardieren vor allem die Umgebung der Städte Kandahar und Kundus. Bei Angriffen auf Kabul und Kandahar sind nach Angaben des Pentagon führende Mitglieder der Taliban und der Al-Qaida-Organisation getötet worden. Zur gleichen Zeit meldete sich Taliban-Führer Omar zu Wort. Dem BBC gegenüber erklärte er, die Taliban hätten sich aus den Städten zurückgezogen und verfolgten nun eine Strategie der Vernichtung der USA. "Der Plan geht voran und wird, so Gott will, umgesetzt werden", wird er zitiert.
Kundus im Norden des Landes ist nach Berichten die einzige Stadt, die noch in den Händen der Taliban ist. Aus Kandahar wurden Straßenkämpfe gemeldet. Eine Delegation afghanischer Stammesführer kündigte an, zu Verhandlungen nach Kandahar reisen zu wollen. Unterdessen lud die Nordallianz örtliche Kommandeure der Paschtunen zu Gesprächen nach Kabul ein.
Am 15. November ging auch die dreimonatige Gefangenschaft für acht Mitarbeiter der christlichen Hilfsorganisation "Shelter Now" zu Ende. Die vier Deutschen, zwei Amerikaner und zwei Australier seien aus einem Gefängnis in der Nähe Kabuls befreit worden, nachdem die Taliban geflohen waren. -
Am 16. November setzten die USA ihre Luftschläge am Freitag trotz des Beginns des Fastenmonats Ramadan fort. In Kandahar wurden nach einer Meldung der Nachrichtenagentur AIP (Afghan Islamic Press) das Außenministerium der Taliban und eine Moschee im Osten der Stadt getroffen (dies wird von einem US-Sprecher einen Tag später zugegeben). Mindestens elf Bewohner seien getötet worden. - "Die Taliban haben in Kandahar noch eine starke Stellung", teilte ein Sprecher der paschtunischen Stammesführer in der pakistanischen Stadt Quetta mit. "Sie graben sich dort jetzt ein." Nach seinen Schätzungen haben sich etwa sieben von zehn Taliban-Kommandeuren entschieden, dem Aufruf von
Taliban-Führer Mullah Mohamed Omar zu folgen und den Kampf fortzusetzen, berichtete Spiegel-Online. Flüchtlinge aus Kandahar bestätigten, dass Stadt und Flughafen weiter in der
Hand der Taliban seien.
Nach einem Bericht der Netzeitung werden noch immer unbewaffnete Zivilisten in Afghanistan ohne Prozess hingerichtet. Nicht nur die Taliban, sondern auch andere Kriegsparteien seien dafür verantwortlich, sagte die UN-Sonderberichterstatterin für willkürliche Hinrichtungen in Afghanistan, Asma Jahangir. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur epd in Genf lägen den Vereinten Nationen Beweise vor, erläutert wurden sie jedoch nicht. Jahangir betonte nur, dass derartige Exekutionen in großer Zahl vorkämen. Sie forderte eine schnelle Untersuchung der Ereignisse und die Bestrafung der Täter nach internationalen Standards. Jahangir: "Es darf keine Straflosigkeit für diese weit verbreiteten und systematischen Hinrichtungen geben, die sogar das Ausmaß von Verbrechen gegen die Menschlichkeit haben könnten".
Einer der wichtigsten Männer des Al-Qaida-Netzwerkes ist wahrscheinlich tot. Mohammed Atef soll bei US-Luftangriffen im Süden von Kabul getötet worden sein. Das meldet CNN am 16. November unter Berufung auf nicht näher bezeichnete Regierungsquellen.
Der Deutsche Bundestag sprach in namentlicher Abstimmung mit den Stimmen der Regierungskoalition dem Bundeskanzler das Vertrauen aus und stimmte damit gleichzeitig für die Entsendung von Bundeswehr in den Krieg in und um Afghanistan. Fünf Gegenstimmen kamen aus den Reihen der Grünen (4) und von einer fraktionslosen Abgeordneten, die zuvor aus der SPD-Fraktion ausgetreten war. -
Amerikanische Eliteeinheiten greifen zunehmend in den Kampf um die Herrschaft in dem zerklüfteten Land ein. Nach einem Bericht im Spiegel-Online vom 17. November sind ihre Kampfmethoden denen von Guerillakämpfern oder Partisanen sehr ähnlich: Sie galoppieren auf Pferden durch die Berge, sprengen Brücken und erschießen Taliban-Anführer. "Sie töten Taliban, die nicht aufgeben wollen und Al-Qaida-Terroristen, die von einem Ort zum nächsten
ziehen", sagte Verteidigungsminister Donald Rumsfeld am 16. November bei einem Gespräch mit Journalisten. Nach Angaben aus dem US-Verteidigungsministerium sind mittlerweile rund 300 Elite-Soldaten in Afghanistan unterwegs. Von ihnen würden 200 im Norden des Landes kämpfen, rund 100 im Süden, wo die Lage besonders unübersichtlich sei. Dort sollen sie den Druck auf die noch ausharrenden Taliban-Truppen erhöhen, Straßen zerstören und fliehenden Terroristen den Weg abschneiden. Sie haben Verbindungen zu Taliban-feindlichen Paschtunen-Führern aufgenommen. Unterstützt werden die Amerikaner durch Elitetruppen aus anderen Ländern, vermutlich vor allem aus Großbritannien. In den nächsten Tagen sollen auch französische Jagd-Bomber in den Kampf eingreifen und die Verstecke der Terroristen unter Beschuss nehmen.
Am 17. November ist Kandahar immer noch heftig umkämpft. Ein Sprecher des Außenministeriums der Taliban-Regierung dementierte einen zuvor von verschiedenen Sendern gemeldeten Rückzug. Der Nachrichtenagentur Reuters sagte der Taliban-Sprecher am Morgen des 17. November: "Kandahar ist unter der vollständigen Kontrolle der Taliban und Berichte über einen Abzug entbehren jeder Grundlage. Das Leben in Kandahar verläuft normal." Auch in den USA bestehen Zweifel, dass die Berichte über den Rückzug aus Kandahar zutreffen. "Ich glaube das nicht", sagte Admiral John Stufflebeem in Washington. Stufflebeem verwies auf US-Erkenntnisse, die auf anhaltende Kämpfe in der Region hindeuteten.
Inzwischen ist Rabbani, der vor fünf Jahren von den Taliban vertrieben worden war und von den meisten Staaten als legitimer Präsident Afghanistans anerkannt wird, am 17. November nach Kabul zurückgekehrt. Der 61-jährige Tadschike hielt sich aber nicht an die internationalen Absprachen und zog als Präsident in Kabul ein. Dies hatte Kritik im Ausland hervorgerufen. Bei einer künftigen Regierung geht es vor allem darum, die Paschtunen, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, in eine Regierung einzubeziehen. "Wenn nur eine Gruppe die Macht zu ergreifen versucht, haben wir in Zukunft ein Problem", warnte z.B. UN-Generalsekretär Kofi Annan am Abend des 17. November bei einem Besuch in der kanadischen Hauptstadt Ottawa. "Und ich hoffe, dass sich Herr Rabbani dessen auch bewusst ist. Schließlich kennt er die Geschichte seines Landes nur zu gut". Andernfalls drohe die Fortsetzung des seit 22 Jahren bestehenden Konflikts. Derzeit gebe es auch Gespräche in Rom mit dem dort lebenden Ex-König Sahir Schah. -
In Kabul beginnt ein regelrechter Wettlauf mit der Zeit. Verschiedene Großmächte und die Vereinten Nationen versuchen, internationale Gespräche mit der Nordallianz und anderen Volksgruppen möglichst rasch zustande zu bringen, bevor die Nordallianz ihre politische Macht im Land fest zu etablieren.
Am 18. November hat sich die Nordallianz einverstanden erklärt, dass die Verhandlungen über die künftige Regierung auf neutralem Boden in Europa stattfinden. Nach anfänglichem Beharren auf Kabul als Konferenzort sagte ihr Außenminister Abdullah Abdullah am Sonntag in Taschkent, alle von der UNO vorgeschlagenen Treffpunkte in Deutschland, Österreich oder der Schweiz seien akteptabel. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes sagte in Berlin, im Gespräch seien die UNO-Standorte Bonn, Wien und Genf. Sollte es auf eine Konferenz in Bonn zulaufen, sei man gerne bereit, diese auszurichten. Im Moment gebe es noch keine Planungen. Eine Sprecherin des Außenministeriums in Bern sagte, auch die Schweiz sei bereit, eine solche Konferenz auszutragen.
Im Auftrag Annans versucht der UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Lakhdar Brahimi, unter höchstem Zeitdruck alle Fraktionen des Landes zur Regierungsbildung an einen Tisch zu bekommen. Inzwischen traf auch eine ranghohe russische Delegation in der afghanischen Hauptstadt ein. Wie das Verteidigungsministerium in Moskau mitteilte, soll die Gruppe unter Leitung von Sonderbotschafter Alexander Orlow mit Vertretern der USA und der Vereinten Nationen Gespräche über die Bildung einer neuen Regierung für Afghanistan führen.
Die letzte Stadt neben Kandahar, die sich noch in der Gewalt der Taliban befindet, steht vor der Kapitulation. Nach pausenlosen schweren Luftangriffen der USA haben die von der Nordallianz eingeschlossenen Taliban-Kämpfer in Kundus am 18. November ihre Kapitulation angeboten. Bei den Luftangriffen auf die Stadt am 18. November wurden auch Langstreckenbomber des Typs B-52 eingesetzt. Die Stadt ist von etwa 30.000 Soldaten der Nordallianz umringt und wurde nahezu ständig von den Amerikaner bombardiert. Als Bedingung für ihre Kapitulation verlangten die Taliban in Verhandlungen über Funk Sicherheitsgarantien für 3.000 Ausländer aus Pakistan, Tschetschenien und arabischen Ländern sowie die Mitwirkung von Vertretern der Vereinten Nationen. Nach Berichten des US-Senders CNN spielten sich in der belagerten Stadt dramatische Szenen der Verzweiflung ab. Um einer Gefangennahme durch die Truppen der Nordallianz zu entgehen, hätten sich rund 60 tschetschenische Söldner im Fluss Amur ertränkt. 25 Taliban, die in einen Hinterhalt gerieten, hätten sich gegenseitig erschossen. -
Am 19. November sollen sich nach einem Bericht von BBC die Taliban in der Stadt Kundus im Norden Afghanistans ergeben haben. Das Dauerbombardement mit B-52-Bombern der USA habe die rund 30.000 belagerten Taliban-Kämpfer völlig zermürbt. Der örtliche Führer der Taliban, Mullah Dadullah hat zugesichert die Stadt verlassen zu wollen, wenn ihm und seinen Leuten freies Geleit zugesichert würde. Unter den 30.000 Taliban-Kämpfern sollen sich rund 10.000 arabische, pakistanische und tschetschenische Anhänger von Al-Qaida befinden. Während die Nordallianz davon sprach, dass zur Zeit der Verhandlungen über eine Übergabe der Stadt von ihrer Seite keine Angriffe stattfinden würden, soll die US-Luftwaffe pausenlos weiter bombardiert haben. Ein Talibansprecher sprach von 1.000 Todesopfern in Kundus und der benachbarten Region allein am Wochenende (17./18. November). Eine arabische Zeitung ("al-Hayat") berichtete, eine Gruppe von Al-Qaida-Terroristen hätten etwa 300 Taliban-Soldaten, die sich der Nordallianz ergeben wollten, umgebracht.
Bei den Kämpfen um Kundus soll auch der usbekische Fundamentalistenführer Dschuma Namangani getötet worden sein. Namangani gehörte zur Islamischen Bewegung Usbekistans, die in der früheren Sowjetrepublik ein islamisches Regime erreichten wollte und enge Verbindung zu Osama bin Laden hatte. Nach Moskauer Angaben soll die Gruppe auch im Drogenhandel aktiv sein.
Wieder sind mehrere Journalisten einem Anschlag zum Opfer gefallen. Etwa in der Mitte der Strecke zwischen Dschalalabad und Kabul sei ein Autokonvoi von unbekannten bewaffneten Männern angehalten worden. Fünf Reporter (eine andere Quelle sprach von 4 Personen) seien aus den Fahrzeugen gezerrt und erschossen worden. Die Gegend, in der der Überfall geschah, wird von Taliban-Gegnern kontrolliert, gilt aber als unsicher. Hier werden immer noch vereinzelte Taliban-Kämpfer oder Al-Qaida-Terroristen vermutet. Bereits am 12. November waren drei Journalisten getötet worden. (Siehe unsere Chronik vom 12. November). -
Am 20. November werden die schwersten Bombenangriffe auf Kundus und Kandahar gemeldet. Um beide Städte wird weiterhin gekämpft. Die Nordallianz hat den Taliban drei Tage Zeit zur Kapitulation gegeben. Von den in Kundus eingeschlossenen Taliban-Kämpfern gingen verschiedene Versuche aus, gegen freies Geleit zu kapitulieren. Außerdem sollen Verhandlungen unter Leitung der UNO stattfinden. Von den Vereinten Nationen sei dies abgelehnt worden, da die UNO nicht vor Ort präsent sei.
Am kommenden Montag, so verlautbarte am 20. November aus dem Verteidigungsministerium in Berlin, werde die Bundeswehr mit den ersten Transportflügen in die Türkei beginnen. Transportiert werde militärisches Gerät, aber auch Hilfsgüter. Die Bundeswehrmaschinen sollen vorerst zwischen dem amerikanischen Stützpunkt Ramstein und dem türkischen Flughafen Incirlic pendeln werden.
Der UN-Sonderbeauftragte für
Afghanistan, Francesc
Vendrell, hat am 20. November
in Kabul angekündigt, die
Gespräche mit Vertretern
der afghanischen
Bevölkerungsgruppen über
die Zukunft Afghanistans
würden am kommenden
Montag (26. November) in Berlin beginnen.
US-Außenminister Colin
Powell und sein deutscher Kollege Joschka Fischer
bestätigten auf einer gemeinsamen Pressekonferenz,
dass die Konferenz in Berlin stattfinden soll.
Das Treffen werde so repräsentativ sein, wie es in der
kurzen Zeit möglich sei, versprach Vendrell, der sich in
diplomatischen Geprächen um die Zustimmung der
Afghanen bemüht. Vendrell sagte, dass Vertreter der paschtunischen
Bevölkerungsmehrheit Afghanistans an der Konferenz
teilnehmen sollten. Auch der ehemalige afghanische Präsident und jetzige
Führer der Nordallianz, Burnahuddin Rabbani, und der
Taliban-Außenminister Abdullah erklärten sich mit dem
Termin einverstanden. Er werde eine Delegation
entsenden, sagte Abdullah in Kabul. -
Am 21. November forderte die Nordallianz die in Kundus eingeschlossenen Taliban-Kämpfer ultimativ auf sich zu ergeben.
Die USA haben nach usbekischen Militärangaben rund 2.000 Marine-Infanteristen an der Grenze zu Afghanistan stationiert. US-General Tommy Franks schloss den Einsatz regulärer Bodentruppen in Afghanistan nicht aus. US-Präsident Bush sprach von ieiner "schwierigen Zeitperiode", die jetzt bevorstünde. Es könne sein, "dass wir noch eine ganze Weile dort bleiben müssen", sagte er.
Die geplante UN-Konferenz über die politische Zukunft Afghanistans wird nun doch nicht in Berlin, sondern am Petersberg bei Bonn stattfinden. Am 26. November soll die Konferenz beginnen. Es werden 80 Teilnehmer erwartet, darunter auch der "Innenminister" der Nordallianz Junus Kanuni. -
22. November: Die Taliban in der umzingelten und bombardierten nordafghanischen Stadt Kundus haben am 22. November nach übereinstimmenden Berichten westlicher Nachrichtenagenturen
kapituliert. Vereinbarungsgemäß sollen die Taliban und ihre ausländischen
Mitkämpfer ohne Waffen durch fünf bis acht Korridore die Stadt verlassen.
Die Nordallianz habe dem Taliban-Befehlshaber in Kundus, Mullah Dodullo,
zugesichert, die afghanisch-stämmigen Taliban zu amnestieren und in ihre
Heimatorte zu entlassen. Die Ausländer würden in spezielle
"Filtrationslager" gebracht. Bei den ausländischen Kämpfern soll es sich vor
allem um Araber, Pakistaner, Tschetschenen und Usbeken handeln. Washington
geht davon aus, daß diese Kämpfer zu dem Al-Qaida-Netzwerk Bin Ladens
gehören. "Über das Schicksal von Ausländern, die auf Seiten der Taliban
gekämpft haben, werden die gesetzliche Regierung Afghanistans und die Länder
der Anti-Terror-Koalition entscheiden", erklärte ein Vertreter der
Nordallianz.
Die Nordallianz bestätigte den neuerlichen Tod von mehreren Journalisten, nachdem das iranische Fernsehen darüber berichtet hatte. Es soll sich um drei ausländische Reporter handeln, die sich auf dem Weg von Dschalalabad nach Kabul befanden. Die Nordallianz behauptet, Taliban-Kämpfer hätten, als Soldaten der Nordallianz getarnt, die Journalisten umgebracht. Die Zahl der in Afghanistan getöteten Journalisten erhöhte sich damit auf 10.
Pakistan hat inzwischen die Botschaft der Taliban in Islamabad geschlossen. Die afghanischen Diplomaten wurden angewiesen, das Land in "angemessener" Zeit zu verlassen. Derweil eröffnete Großbritannien als erstes westliches Land wieder eine diplomatische Vertretung in Kabul.
Inzwischen mehren sich die Berichte, wonach in Afghanistan nicht nur Freude über teilweise wieder gefundene Freiheiten (z.B. Kinobesuch) herrscht, sondern das offene Chaos ausgebrochen sei. Überfälle von bewaffneten Banden auf Büros und Lager von Hilfsorganisationen und auf Lebensmittelkonvois sind an der Tagesordnung. In der Kasseler "Hessischen Allgemeinen" heißt es dazu: "Die Wiederkehr jener Zustände, die die Mehrheit der Bevölkerung vor fünf Jahren die Machtergreifung der Taliban begrüßen ließ, bedroht nun jeden Ansatz, im Land am Hindukusch eine stabile Nachkriegsordnung aufzubauen." (HNA, 23.11.01) -
Am 23. November wird berichtet, dass in Masar-i-Scharif Mitarbeiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) dabei seien, die bis zu 600 dort gefundenen Leichen zu bergen. Die Sprecherin des IKRK, Antonella Notari, äußerte sich aber nicht zu den Todesursachen. "Das ist nicht unsere Aufgabe", sagte sie. Die Bergung erfolge aus
Gesundheitsgründen. Es werde versucht, die Toten für ihre Hinterbliebenen zu identifizieren und ihnen ein würdiges Begräbnis zu verschaffen. Das IKRK-Team ist seit dem Fall der Stadt am 9. November vor Ort aktiv. Zu unbestätigten Meldungen über mögliche Massaker der Nordallianz an Taliban-Kämpfern in Masar-i-Scharif nach der Einnahme der Stadt vor zwei Wochen gab sie keine Auskünfte.
Die US-Regierung veröffentlichte nach einem Bericht von SPIEGEL-ONLINE eine Liste mit angeblichen Massakern der Taliban. Zur Festigung ihres Terrorregimes hätten die Taliban Kinder hingerichtet, Frauen vergewaltigt und Männer als Abschreckung an Straßenlaternen
aufgehängt. Die Details sind in einem Bericht enthalten, den das eigens für die Informationsoffensive in Islamabad, London und Washington eingerichtete "Koalitionsinformationszentrum" präsentierte. So seien in Afghanistan acht Jungen ermordet worden, weil sie über Soldaten gelacht haben. Ganze Familien, die das Talibanregime ablehnten, seien verbrannt und hundert Männer, die den Taliban den Rücken gekehrt hatten, an
Straßenlaternen aufgehängt worden. Der Report listet insgesamt 22 Massaker auf. So sollen die Taliban 1998 rund 600 usbekische Dorfbewohner in Westafghanistan massakriert haben und bei der Einnahme von Masar-i-Scharif im gleichen Jahr Männer und Jungen hingerichtet und Frauen vergewaltigt haben. In Yakaolang sollen in diesem Jahr 170 Männer hingerichtet worden sein. SPIEGEL-ONLINE mutmaßt über die Hintergründe des Berichts: "Die US-Regierung will mit der Veröffentlichung vor allem mögliche Sympathisanten der Taliban in den arabischen Ländern von der brutalen Natur der talibanischen Terrorherrschaft überzeugen. Das Informationszentrum war kurz nach Beginn des Krieges ins Leben gerufen worden, um direkt auf Äußerungen der Taliban über den Kriegsverlauf reagieren zu können." -
Am 24. November ergeben sich immer mehr Taliban-Kämpfer in der umlagerten Stadt Kundus. Der Nordallianz-Kommandeur Daud Husaini sagte am Samstag der russischen Nachrichtenagentur Interfax, dass sich rund 1.200 Kämpfer in der Ortschaft Amirabad, fünf Kilometer von Kundus
entfernt, ergeben hätten. Die Soldaten seien überwiegend aus dem Gebiet bei Kundus rekrutiert worden. Die Nachrichtenagentur AP meldete, dass auch rund 600 Soldaten der in Kundus eingeschlossen ausländischen Soldaten den Kampf aufgegeben hätten. Dabei handele es sich um Tschetschenen, Araber und einige Pakistani, sagte Nordallianz-Sprecher Amananullah Khan in Masar-i-Scharif. Die Gefangenen würden nach Masar-i-Scharif gebracht. Die Söldner würden vor islamische Gerichte gestellt und deren Verbindung zu Terroristenführer Osama bin Laden untersucht.
Ein enger Vertrauter des afghanischen Taliban-Führers Mullah Mohammed Omar lief am 24. November zur Nordallianz über. Der stellvertretende Taliban-"Innenminister", Hadschi Mullah Khaksar, erklärte in Kabul seine Unterstützung für die Nordallianz. Er vertrete nun nicht mehr die Taliban und wolle sich für den Frieden einsetzen.
Mindestens acht Bomben sollen am 24. November nach Berichten von Augenzeugen auf pakistanischem Boden eingeschlagen sein. In der Grenzregion zu Afghanistan habe es jedoch keine Toten oder Verletzte gegeben, so pakistanische Behörden. Auf afghanischer Seite der Grenze seien aber mindestens 13 Menschen getötet und zwei weitere verletzt worden, so Augenzeugen. Das meldet die Nachrichtenagentur AP. Das amerikanische Verteidigungsministerium verweigerte zunächst eine Stellungnahme. Ziel des Angriffs war wahrscheinlich ein verlassenes Taliban-Trainingslager in der Provinz Paktia, meldete die "Netzeitung".
Auf dem Parteitag der Grünen in Rostock entschied sich die Mehrheit für den Bundeswehreinsatz in Afghanistan und für den Verbleib in der Regierungskoalition.
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Am 25. November berichtet die afghanische Nachrichtenagentur AIP, Truppen unter dem
Kriegsherrn Raschid Dostum hätten über zwei Drittel der Stadt Kundus unter ihre Kontrolle
gebracht. Auch andere Truppen der Nordallianz rückten in die Stadt ein, in der zeitweise
angeblich bis zu 30.000 Menschen eingekesselt waren. Flüchtende Taliban berichteten, tagelange Angriffe amerikanischer B-52-Bomber hätten sie zermürbt. Außerdem sei Nahrung, Wasser und Munition knapp geworden. Nordallianz-General Burhanuddin Rabbani rief auch die ausländischen Taliban-Mitkämpfer auf, sich zu ergeben. Die arabischen, pakistanischen und tschetschenischen Söldner, von denen nach Angaben der USA viele zum Terrornetz al-Qaida gehören, sollen nach Vorstellungen Rabbanis den Vereinten Nationen übergeben werden. In einer künftigen Regierung in Kabul könnten auch moderate Taliban mitmachen, wenn sie sich ergeben.
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Am 26. November sind erstmals über 1.000 US-Marine-Infanteristen, die sog. "Ledernacken" mit schwerem Gerät in der Nähe von Kandahar gelandet. Ihr Auftrag besteht darin, Osama bin Laden zu jagen.
Auch die Bundeswehr greift nun in den Konflikt ein. Vorerst allerdings nur mittels Unterstützungsflügen für die US-Truppen. Die ersten drei Transall-Flugzeuge der Bundesluftwaffe starteten in Ramstein, um mehrere tausend Wolldecken zu den US-Soldaten nach Incirlik (Türkei) zu bringen. In den nächsten zwei Monaten soll ein regelrechter Pendelverkehr mit Nachschubgütern für die US-Truppen in Afghanistan eingerichtet werden.
US-Präsident Bush hat mit seiner Aufforderung an den irakischen Präsident Saddam Hussein, sein Land für Rüstungskontrolleure zu öffnen und nachzuweisen, dass der Irak keine Massenvernichtungswaffen entwickle, Spekulationen neue Nahgrung gegeben, als wolle er einen Krieg gegen den Irak vorbereiten.
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Am 27. November ist der Aufstand gefangen genommener Al-Qaida-Kämpfer bei Masar-i-Scharif nach heftiger amerikanischer Luftunterstützung wohl endgültig blutig niedergeschlagen worden. Nach verschiedenen Berichten sollen dabei Hunderte von Gefangenen und zahlreiche Kämpfer der Nordallianz ums Leben gekommen sein. Die Rede ist auch von einem getöteten US-Soldaten. Fünf amerikanische und vier britische Soldaten wurden bei den Gefechten schwer verletzt. Pakistanische Medien und Regierungskreise bezweifelten schon am Vortag, dass es sich um einen Aufstand gehandelt habe. Sie verdächtigten die Nordallianz, die Gefängnisrevolte nur vorgeschoben zu haben, um ein Massaker an den Gefangenen zu rechtfertigen.
Am 27. November spitzt sich die Lage im Land weiter zu. Nach Berichten aus Kabul geriet die Nothilfe für bis zu sieben Millionen Menschen ins Stocken. Der Einsatzleiter der Uno, Mike Sackett, sagte, bewaffnete Banden belagerten zum Beispiel die Straße von Peschawar in Nordpakistan in die afghanische Hauptstadt Kabul, so dass die Fahrten statt zwei Tagen dreieinhalb Tage dauerten. Die Hilfsorganisationen stünden vor der schwierigen Aufgabe, monatlich 52.000 Tonnen Nahrungsmittel zu verteilen, die nach Schätzungen des Welternährungsprogrammes gebraucht würden, um im herannahenden Winter eine Katastrophe zu vermeiden.
Nach dem Tod eines weiteren Journalisten im Norden Afghanistans will das ZDF seine
Berichterstatter in dem Land vorerst in Kabul konzentrieren. "Es herrscht totale Anarchie",
sagte der stellvertretende ZDF-Chefredakteur Helmut Reitze am Dienstag. "Journalisten sind
dabei die leichtesten Opfer, weil sie nicht bewaffnet sind." Ein schwedischer Kameramann war in der Nacht zum Dienstag vermutlich Opfer eines Raubüberfalls geworden.
Die amerikanische Marineinfanterie hat unterdessen ihren Brückenkopf im Süden Afghanistans ausgebaut. Ihr Einsatzziel sind die auf Kandahar und Umgebung zurückgedrängten Islamisten der Taliban und al-Qaida. In der Nacht zum Dienstag hatten die Ledernacken ihren ersten Kampfeinsatz, als eine Panzerkolonne der Taliban auf den Feldflugplatz zufuhr, den sie seit Montag zum Brückenkopf ausbauen. Kampfhubschrauber stoppten die Kolonne. Bis zu 1.000 Marineinfanteristen sollen auf dem Flugplatz in der Wüste stationiert werden, dessen Name der Militärzensur unterliegt. Er liegt etwa 90 Kilometer südwestlich von Kandahar und wurde nach Berichten der Einheimischen früher von Osama Bin Laden benutzt. Ihn vermuten die USA im Raum Kandahar und seinen Beschützer, das Taliban-Oberhaupt Mullah Mohammad Omar, in Kandahar selbst.
Vertreter der afghanischen Volkstämme und die Vereinten Nationen verhandeln seit dem 27. November auf dem Petersberg bei Bonn über die Bildung einer Übergangsregierung in Afghanistan. In der Eröffnungsrede sprach Bundesaußenminister Joschka Fischer von einer historischen Chance für Frieden in einem geeinten und stabilen Afghanistan. Die Vereinten Nationen hoffen vor allem auf zukünftigen Schutz der Menschenrechte. UN-Generalsekretär Kofi Annan schickte einen Appell an die afghanischen Delegationen. Diese müssten für ihre Bevölkerung die Stammesrivalitäten überwinden. Die Vereinten Nationen seien nur Helfer auf dem Weg in eine friedliche Zukunft des Landes. Die Verantwortung liege allein bei den Afghanen. - Am Petersberg demonstrierten afghanische und iranische Frauen gegen die Bildung einer neuen "islamischen" Regierung. Kleinere Kundgebungen hofften auf demokratische Wahlen in Afghanistan. -
Am 28. November wird bekannt, dass es in der afghanischen Stadt Takteh Pol vor wenigen Tagen eine Massenhinrichtung von Taliban-Kämpfern gegeben. Ein paschtunischer Kommandeur berichtet, die Kämpfer seien mit leichten Maschinengewehren erschossen worden. Sieben bis acht anwesende US-Soldaten hatten vergebens dagegen protestiert. Unter den Getöteten sollen sich auch einige Pakistaner befunden haben, wie der Kommandeur einer loyal zum früheren Gouverneur von Kandahar, Gul Agha, stehenden Einheit am Mittwoch in Quetta vor Journalisten berichtete. Nach Angaben des Kommandeurs hofft Gul Agha auf eine Rückeroberung der Stadt Kandahar, seine alte Machtbasis vor der Zeit der Taliban. Stammesälteste seien bereits in Verhandlung mit den Taliban-Kommandeuren Hafis Madschid und Mullah Saleh um eine Übergabe der befestigten Stadt, sagte er.
Der US-Geheimdienst CIA hat am 28. November bestätigt, dass einer seiner Agenten bei dem Aufstand gefangener Taliban-Kämpfer in der Festung bei Masar-i-Scharif getötet wurde. Der 32-jährige Johnny Spann ist der erste Amerikaner, der bei Kampfhandlungen in Afghanistan ums Leben gekommen ist. Spanns Leiche konnte am Mittwoch geborgen werden. Zu den Umständen von Spanns Tod äußerte sich die CIA nicht.
Bei der Gefangenenrevolte in der nordafghanischen Stadt Masar-i-Scharif wurden laut BBC 600 Menschen getötet. Fünf US-Soldaten wurden dabei verletzt. Die meisten von ihnen waren Aufständische. Die USA hatten dementiert, dass es zu einem Massaker gekommen sei. Journalisten, die das Lager besichtigen konnten, waren entsetzt. Hunderte von Leichen hätten im Hof des Forts gelegen. Die BBC sprach von einer "grausamen Effektivität" der Niederschlagung. Die Menschenrechtsorganisation amnesty international verlangte inzwischen eine Untersuchung der Ereignisse. Truppen der Nordallianz hatten die dreitägige Revolte gefangener ausländischer Taliban-Kämpfer in der Festung Kala-i-Jhangi bei Masar-i-Scharif mit Panzern, Granatwerfern und massiver Unterstützung amerikanischer Kampfjets niedergeschlagen. Auch amerikanische und britische Spezialeinheiten waren an der Erstürmung beteiligt.
Insgesamt sind nach Angaben des Pentagons im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Krieg fünf
Amerikaner ums Leben gekommen, bis auf Spann aber alle außerhalb Afghanistans. Zwei Soldaten starben bei einem Hubschrauber-Absturz in Pakistan, ein Militärangehöriger wurde bei einem Gabelstapler-Unfall getötet, und ein weiterer stürzte von Bord eines Flugzeugträgers. Wie am Mittwoch zudem bekannt wurde, wird ein weiterer auf einem Zerstörer im Indischen Ozean stationierter Marine-Angehöriger vermisst. Die Suche dauert noch an. Es wird aber befürchtet, dass er ebenfalls über Bord gefallen und ertrunken ist.
Inzwischen verstärken die USA ihre Bombenangriffe auf Kandahar. Flüchtlinge berichteten, der amerikanische Bombenhagel habe in Kandahar ein Chaos ausgelöst. Lagerhäuser und verwaiste Polizeiwachen seien geplündert worden. US-Kommandeur Tommy Franks sagte, er habe Hinweise dafür, dass al-Qaida-Mitglieder versuchen wollten, Kandahar zu verlassen. Der zu Wochenbeginn errichtete Stützpunkt der US-Marineinfanterie im Süden Afghanistans wurde unterdessen kontinuierlich ausgebaut. US-Sonderkommandos intensivierten die Zusammenarbeit mit paschtunischen Stämmen, um den Angriff auf Kandahar vorzubereiten. Zu den Bombenangriffen auf
mutmaßliche Verstecke Omars und Bin Ladens - darunter zwein Gebäudekomplexe in Kandahar - sagte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, man wisse nicht, wer dabei getötet worden sei. "Es war ganz klar eine Führungszentrale", erklärte er. Der ehemalige Taliban-Botschafter in Pakistan, Abd al-Salam Saif, sagte der afghanischen Nachrichtenagentur AIP, weder Omar noch andere Taliban-Führer seien in den Gebäudekomplexen gewesen. -
Am 29. November sind nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums etwa hundert US-Soldaten im Norden Afghanistans stationiert worden. Die Infanteristen würden zur Sicherung des Flughafens von Masar-i-Scharif eingesetzt, hieß es in einer Meldung der Nachrichtenagentur AFP. Laut Pentagon dient der Einsatz bei Masar-i-Sharif zur Vorbereitung einer "humanitären Luftbrücke". Soldaten hätten dazu am Donnerstagmorgen mit der Minenräumung und der Instandsetzung des zivilen Flughafens begonnen. Das Pentagon bestätigte zudem den Einsatz von Soldaten am ehemaligen Flughafen von Bagram nördlich der Hauptstadt Kabul.
Unterdessen gehen die US-Luftangriffe auf Kandahar pausenlos weiter. Am Abend des 29. November meldete zuuerst die Nordallianz die Einnahme der Stadt, wenig später behaupten paschtunische Truppoen im Anmarsch auf Kandahar zu sein. Der paschtunische Kommandeur Mohammed Dschalal Chan erklärte: "Unsere Einheiten sind fünf Kilometer östlich des Flughafens. Wir hoffen, dass wir Kandahar bald einnehmen."
Auf der Afghanistan-Konferenz in Bonn keimte am 29. November wieder Hoffnung auf, nachdem sich die Delegierten in den Kernfragen für die Zusammensetzung einer künftigen Übergangsregierung näher gekommen waren. Vor allem die Vertreter der Nordallianz und der "Rom-Gruppe", die dem ehemaligen König nahe steht, haben sich über die Grundstrukturen eines Obersten Rats ("Supreme Council") geeinigt, der Afghanistan auf dem Weg zur Bildung einer "Loya Jirga" (verfassungsgebenden repräsentativen Versammlung) führen soll. Eine solche "Interims-Autorität" in Afghanistan zu schaffen, ist ein wesentliches Anliegen der Uno-Konferenz. Einer Übereinkunft nach soll für drei bis vier Monate eine Administration aus 15 bis 25 Ministern gebildet werden. Sie steht über dem Obersten Rat mit 120 bis 200 Mitgliedern. Deren Namen sollen nach Möglichkeit noch in dieser Woche festgelegt werden. Über beiden Institutionen soll voraussichtlich der König als symbolische Figur für Afghanistans neue Einheit stehen.
US-Außenminister Colin Powell hat Spekulationen als haltlos bezeichnet, wonach die USA bei ihrem Anti-Terror-Kampf bereits konkrete militärische Maßnahmen gegen den Irak planten. Powell sagte am 29. November in Washington, entsprechende Medienberichte entbehrten jeder Grundlage. Zu Wochenbeginn hatte US-Präsident George W. Bush vom Irak verlangt, die Rüstungsinspektoren der Uno wieder ins Land zu lassen. Sie sollen sicherstellen, dass der Irak keine Massenvernichtungswaffen herstellt. -
Am 30. November halten die Gefechte um Kandahar unvermindert an. US.Kampfflugzeuge flogen fast pausenlos Angriffe gegen die letzte große Stadt, die noch von den Taliban gehalten wird. Der Sprecher des Pentagon, Admiral John Stufflebeem, erklärte, er sehe Anzeichen dafür, dass sich das Taliban-Regime auflöse. Außerdem wurde berichtet, dass der Geheimdienstchef der Taliban, Kari Amadullah, zur Nordallianz übergelaufen sei.
Der britische Außenminister Jack Straw lehnte eine Untersuchung der Begleitumstände der blutigen Niederschlagung des Gefangenenaufstands in derv Festung in Masar-i-Scharif ab. SSStraw sagte dem Sender BBC, die Lage in Afghanistan sei derzeit furchtbar und Recht und Ordnung seien vollkommen zusammengebrochen. Straws Äußerungen wurden von amnesty international heftig kritisiert. ai wiederholte die Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung des Todes von mehreren Hundert Taliban-Kämpfern.
Die Afghanistan-Konfernz auf dem Petersberg bei Bonn scheint ins Stocken geraten zu sein. Streit gebe es vor allem um die konkrete Zusammensetzung einer Übergangsregierung. Aus Protest gegen den Leiter der paschtunischen Delegation Junus Kanuni und wegen der mangelnden Repräsentanz der Paschtunnen hat der paschtunische Delegierte Hadschi Abdul Qadir die Konferenz verlassen. Hadschi Abdul Qadir war früher Gouverneur der Provinz Nangarhar und verfügt über großen Einfluss.
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