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Chronik des Krieges gegen Afghanistan

November-Dezember 2002

November 2002
  • Die in Afghanistan im Anti-Terrorkampf tätigen Spezialkräfte der Bundeswehr (KSK) sind von Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) mit größeren Kompetenzen ausgestattet worden. Sie dürfen künftig in Eigenregie gegen das Terrornetzwerk Al Qaeda vorgehen. Bislang unterstanden die KSK-Soldaten im jeweiligen Einsatz dem Kommando der USA. Die Frankfurter Rundschau berichtete, im Berliner Verteidigungsministerium werde besonderer Wert darauf gelegt, den deutschen Beitrag am internationalen Anti-Terror-Kampf als exponiert herauszustellen. Struck lobte verschiedentlich den "wesentlichen Anteil", den die Bundeswehr an der Bekämpfung des Terrornetzwerks Al Qaeda habe. Dieser Anteil werde im Rahmen der Gesamtoperation "ständig überprüft und angepasst, um einen noch eigenständigeren Beitrag zu leisten". Erklärtes Ziel der rot-grünen Bundesregierung sei es, angesichts des angespannten Verhältnisses zur Regierung von US-Präsident George W. Bush die Solidarität mit den USA überall dort zu dokumentieren, wo es sich um originären Kampf gegen den internationalen Terrorismus handelt. Nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (3. November), werde sich das Einsatzgebiet der KSK-Soldaten direkt an die Hauptstadt Kabul anschließen - auch, um damit einen besseren Schutz für die knapp 1.300 in Kabul stationierten deutschen Isaf-Soldaten zu gewährleisten. Außerdem gibt es schon seit längerem Überlegungen, das deutsche Kontingent der Schutztruppe aufzustocken, wenn die Bundesrepublik gemeinsam mit den Niederlanden im nächsten Frühjahr die Führung für die multinationale Isaf-Truppe in Kabul übernehmen wird.
  • Zum ersten Mal seit 23 Jahren haben die afghanischen Behörden die nächtliche Ausgangssperre in der Hauptstadt Kabul aufgehoben. Die Straßen blieben in der Nacht vom 3. auf den 4. November dennoch verwaist, weil die Bewohner wie üblich zwischen Mitternacht und 03.30 Uhr zu Hause blieben.
  • Das Bundeskabinett und die Regierung in Den Haag haben am 6. November die geplante gemeinsame Übernahme des Kommandos über die Afghanistan-Schutztruppe Isaf gebilligt. Der Beschluss werde nun den Vereinten Nationen offiziell mitgeteilt, erklärte Regierungssprecher Bela Anda am Mittwochabend in Berlin. Das niederländische Verteidigungsministerium teilte mit, Den Haag werde die Zahl seiner Soldaten in Afghanistan während der kommenden sechs Monate auf 640 erhöhen. Deutschland stellt derzeit bereits 1.280 der insgesamt 4.400 Isaf-Soldaten aus 20 Ländern. In Zusammenhang mit der geplanten Übernahme des Kommandos von der Türkei soll das deutsche Kontingent aufgestockt werden. Vorgesehen ist, dass Bundeswehrsoldaten auch die Bewachung des Flughafens der afghanischen Hauptstadt Kabul übernehmen.
  • Nach einer Begnadigung durch den afghanischen Präsidenten Hamid Karsai sind am 9. November 20 aus religiösen Gründen inhaftierte Frauen frei gelassen worden. Die meisten waren ohne Prozess wegen Verstößen gegen islamische Vorschriften ins Gefängnis gesteckt worden.
  • Nach Angaben der russischen Agentur Interfax sollen am 10. November bei einer Reihe von Anschlägen in Afghanistan insgesamt 16 US-Soldaten getötet worden sein. So seien etwa in der Provinz Paktia drei amerikanische Jeeps mit ferngesteuerten Sprengsätzen in die Luft gesprengt worden. In der Provinz Khost seien ein Militärlager und ein Wachposten mit Artillerie beschossen worden; ähnliches passierte in der Provinz Gardes.
  • Bei einer Studentendemonstration in Kabul sind am 11. November vier Demonstranten erschossen worden. Augenzeugen sprachen von etwa 30 Verletzten. Etwa 1.500 Studenten protestierten gegen die Bedingungen in den Wohnheimen. In den Unterkünften gebe es weder etwas zu essen, noch Wasser oder Strom. Die Demonstranten gingen mit Stöcken und Steinen gegen die Polizei vor. Wie Innenminister Tadsch Mohammed Wardek mitteilte, seien bei den Auseinandersetzungen mehrere Polizisten durch Steinwürfe verletzt worden. Die Polizei setzte automatische Schusswaffen ein. Die Feuerwehr ging mit Wasserwerfern gegen die Menge vor. - Der stellvertretende Innenminister General Hilaluddin Hilal äußerte den Verdacht, die Studenten ständen mit Al Qaeda in Verbindung. Einige der Demonstraten hätten in Sprechchören Sympathie für Osama bin Laden geäußert. Präsident Hamid Karsai äußerte tiefes Bedauern für den Vorfall und sagte, die Polizei habe aus eigene Initiative gehandelt. Karsai kündigte eine Untersuchung zu den Ursachen der Todesfälle an.
    Wie die Netzeitung ergänzend mitteilte, liegt die Universität von Kabul in einem Stadtteil, der in dem Bürgerkrieg Anfang der neunziger Jahre schwer beschädigt wurde. In den Wohnheimen leben mehr als 3.000 Studenten aus dem ganzen Land. Am Abend der Demonstration hatten sie in einer Schlange gewartet, um nach dem Ende des Ramadan-Fastens ihre Mahlzeit abzuholen. Das Essen habe aber nur für 400 Personen gereicht.
  • Am 12. November gingen die Studenten erneut auf die Straße und protestierten mit "Tod den Mördern unserer Kommilitonen"-Rufen gegen das harte Vorgehen der Polizei. Abermals ging die Polizei mit Wasserwerfern gegen die Studenten vor und gab Warnschüsse in die Luft ab.
  • Die NATO wird formell am Einsatz der internationalen Friedenstruppe in Afghanistan beteiligt. Einen entsprechenden Beschluss wollen die Staats- und Regierungschefs der Allianz auf dem Gipfel kommende Woche in Prag treffen, wie am 14. November aus diplomatischen Kreisen der NATO in Brüssel verlautete. Danach soll die NATO die in Kabul stationierte 5.000 Mann starke Friedenstruppe ISAF bei Planung, Transport und Aufklärung unterstützen. Die Allianz soll damit bei der Übernahme der ISAF-Führung durch Deutschland und die Niederlande im Februar beginnen. Zurzeit steht die Truppe unter der Führung der Türkei. Davor stand der Einsatz unter dem Kommando Großbritanniens. Deutschland und die Niederlande sollen die Führung für sechs Monate übernehmen. Die NATO ist an dem Einsatz bislang nicht beteiligt. Den Angaben aus diplomatischen Kreisen zufolge ist nicht geplant, den Einsatz über die Grenzen der afghanischen Hauptstadt hinaus zu erweitern.
    US-Kampfflugzeuge haben am 14. November gegnerische Stellungen in Afghanistan angegriffen, nachdem zwei US-Stützpunkte im Südosten des Landes mit Raketen und Werfergranaten beschossen worden waren. Eigene Verluste habe es nicht gegeben. Auf der Gegenseite seien mindestens zwei Menschen getötet worden, teilten die US-Streitkräfte einen Tag später mit. Ihren Angaben zufolge warfen Kampfflugzeuge der Typen A-10 und Harrier sechs Bomben ab und setzten ihre Bordkanonen ein. Es seien mehrere tausend Schuss abgefeuert worden. Der Stützpunkt Gardez war bei dem Angriff am Abend des 14. November mit neun Raketen des Kalibers 107 Millimeter nicht getroffen worden. In Luara schlug drei Stunden später eine Werfergranate ein. Die Raketen und die anderen Granaten seien außerhalb der Basis detoniert, teilten die Streitkräfte mit. Die Angriffe waren die schwersten seit Monaten gewesen und kamen zwei Tage nach dem Auftauchen eines Tonbandes, auf dem angeblich der El-Kaida-Chef Osama bin Laden die Fortsetzung des Kampfes gegen die USA ankündigt. In Kreisen der früheren Taliban-Regierung Afghanistans hieß es am Donnerstag, bin Laden sei am Leben und leite die Angriffe auf die US-Truppen, die ihn seit über einem Jahr in Afghanistan jagen. (Nach einem Bericht von Reuters)
  • Am 15. November beschloss der Deutsche Bundestag die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes "Enduring Freedom" um ein weiteres Jahr. Damit bleiben auch die rund 100 Elitesoldaten des Kommandos Spezialkräfte in Afghanistan. Das Ergebnis der Abstimmung: Abgegebene Stimmen: 589; davon 573 Ja-Stimmen, 11-Nein-Stimmen, 5 Enthaltungen. Bei der Abstimmung habe es eine eigene Mehrheit der rot-grüne Koalition gegeben, sagte Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck nicht ohne Stolz. Von den Grünen hätten lediglich Hans-Christian Ströbele und Winfried Hermann gegen die Verlängerung des Mandates gestimmt. Die Grünen-Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk habe sich enthalten. Außerdem hätten vier Abgeordnete von CDU/CSU sowie drei FDP-Parlamentarier die Verlängerung abgelehnt. Vier Unionsmitglieder hätten sich enthalten. Mit Nein stimmten die beiden PDS-Abgeordneten.
  • Der US-Auslandsgeheimdienst CIA soll insgesamt 70 Millionen Dollar an afghanische Warlords gezahlt haben, damit diese den Angriff der USA gegen die Taliban unterstützen. CIA-Mitarbeiter hätten das Bargeld in 100-Dollar-Scheinen an verschiedene Kriegsherren ausgezahlt, berichtete die "Washington Post" am 16. November 2002. Die Zeitung druckte Auszüge aus einem neuen Buch ihres Starreporters Bob Woodward. Woodward ist einer jener zwei "Post"-Reporter, deren Enthüllungen über die Watergate-Affäre US-Präsident Nixon zu Fall gebracht hatten. Das Einkaufen der afghanischen Stammesfürsten war vom amtierenden US-Präsidenten George W. Bush als "Geschäft" gebilligt, schreibt Woodward.
  • Boxlegende Muhammad Ali ist als Friedensbotschafter der Vereinten Nationen nach Afghanistan gereist. Der 60jährige Ali traf am 17. November in Kabul ein, wo er von Vertretern des afghanischen Außenministeriums begrüßt wurde. Nach Regierungsangaben wollte sich Ali zunächst mit Präsident Hamid Karsai treffen. Außerdem stand der Besuch einer Mädchenschule, einer von Frauen betriebenen Bäckerei sowie ein Treffen mit jungen Sportlern auf dem Programm der dreitägigen Reise, wie ein UN-Sprecher e Silva mitteilte. Ali sei nach Afghanistan gekommen, um auf die Notwendigkeit anhaltender internationaler Unterstützung für das Land aufmerksam zu machen.
  • Am 18. November wurde aus Pakistan berichtet, dass wieder zahlreiche afghanische Flüchtlinge ihr Land verlassen haben und nach Pakistan gekommen sind. Grund sind die schlechten Lebensbedingungen und die Angst vor dem strengen Winter. Das UN-Flüchtlingskommissariat warnte davor, dass etwa eine halbe Million Menschen, die meisten von ihnen erst im Laufe dieses Jahres nach Afghanistan zurückgekehrt, vor einem schweren Winter stünden.
  • Am 19. November bestätigte eine Regierungssprecherin in Berlin, dass für den 5. Dezember eine internationale Afghanistan-Konferenz einberufen werde, bei der auch der afghanische Präsident Hamid Karsai erscheinen werde. Es soll sich nicht um eine Geberkonferenz handeln, sondern um eine "politische" Konferenz. Titel der Veranstaltung: Afghanistan im Wiederaufbau Frieden und Stabilität". Nächste Woche (am 26. November) will Außenminister Fischer einen Besuch in Kabul abstatten.
    Ein US-Berufungsgericht hat am 19. November eine Klage auf Freilassung der Guantánamo-Häftlinge als unzulässig abgewiesen. Auf Guantánamo (Kuba) sind immer noch etwa 625 Männer gefangen, die beim Krieg in Afghanistan festgenommen wurden.
  • Am 20. November gab die australische Regierung bekannt, dass sie die rund 150 in Afghanistan eingesetzten Elitesoldaten in den nächsten Wochen abziehen werde. Die Spezialkräfte würden dort nicht mehr benötigt, hieß es.
    Radio Kabul berichtete am 20. November, die afghanische Polizei habe ein Attentat auf eine Kraftwerk in der Nähe von Kabul vereitelt. Mehrere Männer seien festgenommen und eine große Menge Sprengstoff sichergestellt worden.
  • Am 21. November wurden bei einer Explosion in Kandahar mindestens elf Menschen verletzt, davon drei schwer. Über die Täter wurde zunächst nichts bekannt.
  • Zwei deutsche Helfer sind am 24. November in der Nähe von Kabul von bewaffneten Männern überfallen, misshandelt und ausgeraubt worden.
  • Bei einem Besuch in Kabul am 26. November stellte der deutsche Außenminister Fischer klar, dass die deutsche Führung der ISAF-Truppe wie vorgesehen auf ein halbes Jahr beschränkte bleibe. Karsai hatte eine dauerhafte deutsche Führungsrolle vorgeschlagen. Außerdem drang er darauf, das Einsatzgebiet über Kabul hinaus zu erweitern. - Der deutsche Truppenkommandeur Manfred Schlenker bezeichnete die Sicherheitslage in Kabul als "stark verbessert". Auch Karsai sprach davon, die Lage sei "relativ positiv". - Nichtsdestotrotz waren in der Nacht davor (vom 25. auf den 26.11.) in der Nähe des deutschen ISAF-Quartiers mehrere Raketen eingeschlagen. Es kam aber niemand zu Schaden.
    Am 26. November ist erneut ein US-Stützpunkt in Afghanistan mit einer Rakete beschossen worden, teilte eine US-Militärsprecherin in Bagram mit.

Dezember 2002
  • Am Wochenende 30. November/1. Dezember haben schwere Gefechte die prekäre Situation in Afghanistan aufgezeigt. In die Kämpfe zwischen Truppen des tadschikischen Provinzfürsten Ismail Chan und paschtunischen Rivalen gerieten auch amerikanische Soldaten. Daraufhin setzten die USA erstmals seit fünf Monaten wieder schwere B-52-Bomber in Afghanistan ein. Bei den Kämpfen zwischen Tadschiken und Paschtunen kamen am Wochenende mindestens elf Menschen ums Leben. 15 wurden verletzt. Der paschtunische Kommandeur Ammanullah Chan beschuldigte seinen langjährigen Rivalen Ismail Chan, seine Truppen angegriffen zu haben. Ismail Chan ist Gouverneur der westafghanischen Provinz Herat. Beide Seiten lieferten sich heftige Gefechte mit Artilleriegeschützen und Maschinengewehren, die am 1. Dezember andauerten. Ammanullah Chan forderte die Regierung in Kabul auf, in den seit Monaten schwelenden Konflikt einzugreifen.
    In der Nähe des westafghanischen Stützpunkts Schindand wurde am 1. Dezember der Konvoi einer US-Spezialeinheit von unbekannten Kämpfern angegriffen. Die Amerikaner ergriffen die Flucht und forderten Unterstützung aus der Luft an. Die daraufhin eingesetzten B-52-Bomber warfen in der Region sieben Bomben ab, wie der amerikanische Militärsprecher Roger King in Bagram mitteilte. Nach Angaben von Ammanullah Chan wurden die Bomben auf beiden Seiten der Frontlinie abgeworfen.
    Der weiterhin bestehende Mangel an Sicherheit und Stabilität stellt nach Einschätzung der Vereinten Nationen (UNO) die größte politische Herausforderung für Afghanistan dar. "Haben wir ein vollkommen stabiles Afghanistan? Nein, wir haben kein vollkommen stabiles Afghanistan", sagte der UNO-Sprecher Manoel de Almeida e Silva am 1. Dezember in Kabul. Die Bevölkerung Afghanistans habe nach einem Vierteljahrhundert Krieg ein großes Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität. Viele Regionen Afganistans stehen unter der Kontrolle lokaler Kriegsherren und einflussreicher Gouverneure, deren Einheiten sich Gefechte liefern. Die lokalen Herrscher fühlen sich der Regierung in Kabul in unterschiedlichem Maße verpflichtet.
    Der afghanische Präsident Hamid Karsai brach am 1. Dezember zu einer internationalen Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg bei Bonn auf. Gemeinsam mit weiteren Regierungsvertretern will Karsai hier am 2. Dezember den Jahrestag des Afghanistan-Abkommens feiern, mit dem im im vergangenen Jahr der Grundstein für eine neue Regierungsbildung gelegt worden war. Rund 30 weitere Delegationen haben sich für das eintägige Treffen mit dem Titel "Afghanistan im Wiederaufbau: Frieden und Stabilität" angekündigt, unter ihnen der UN-Beauftragte für Afghanistan, Lakhdar Brahimi, der EU-Außenbeauftragte Javier Solana und Bundesaußenminister Joschka Fischer.
  • Die wichtigsten Ergebnisse der Petersberg-II-Konferenz in Königswinter bei Bonn vom 2. Dezember:
    Der afghanische Präsident Karsai will eine Armee von 70.000 Soldaten aufbauen und beanspricht für sich auch das Amt des Oberbefehlshabers. Die Armee soll sich aus allen Ethnien des Landes zusammensetzen.
    Die Delegierten der Konferenz verpflichteten sich zur langfristigen Unterstützung verschiedener institutioneller Reformen der Regierung.
    Karsai versprach den vor einem Jahr beschlossenen Zeitplan einzuhalten. Danach soll bis Ende 2003 eine Verfassung verabschiedet werden. Bis Sommer 2004 sollen freie Wahlen abgehalten werden. Außerdem wolle die Regierung ihr Möglichstes tun, um den Drogenhandel zu bekämpfen.
    In einem Gespärch mit Bundekanzler Schröder bat Karsai um zusätzliche Hilfe beim Aufbau des Innenministeriums. Bisher schon bilden deutsche Ausbilder die afghanische Polizei aus.
    Am 22. Dezember soll ein Gipfeltreffen Afghanistans mit den Nachbarstaaten stattfinden. Dort soll mit Pakistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Isan, Usbekistan und China ein Nicht-Einmischungs-Abkommen geschlossen werden.
    Wähend die Konferenz in Bonn tagte, gingen die Kämpfe in Afghanistan weiter. Im afghanischen Kandahar kam es zu einem Schusswechsel, bei dem drei Menschen getötet wurden. Der Vorfall ereignete sich, als eine örtliche Entwaffungskommission versuchte, einen illegalen Kontrollposten in der Stadt aufzulösen.
  • Amerikanische Stützpunkte in Afghanistan sind abermals Ziele von Raketenangriffen geworden. Zwei Geschosse landeten in der Nacht zum 14. Dezember auf der Luftwaffenbasis Schkin, rund 240 Kilometer südlich der Hauptstadt Kabul. Auch bei Chost an der Grenze zu Pakistan schlugen nahe eines US-Stützpunktes zwei Raketen ein. Amerikanische Kampfflugzeuge stiegen in die Luft und feuerten Leuchtgeschosse ab, konnten aber die Abschussstellen der Raketen beziehungsweise die Urheber nicht ausfindig machen.
    Unterdessen berichtete laut einer Meldung von AP der Polizeipräsident von Kandahar, innerhalb seiner Truppe finde ein Machtkampf statt zwischen den Anhängern von Staatspräsident Hamid Karsai und dem örtlichen Gouverneur Agha Schersai. Schersai habe unlängst bewusst falsche Angaben gemacht, um die US-Truppen in der Region in den Konflikt hineinzuziehen, erklärte Polizeigeneral Mohammed Akram. Demnach wurden die US-Truppen unter dem Vorwand nach Kandahar gelockt, auf der dortigen Polizeistation hätten sich Anhänger des regierungsabtrünnigen Milizenführers Gulbuddin Hekmatjar versteckt. Damit habe Schersai die Polizei als regierungsfeindlich diskreditieren wollen. In Wirklichkeit aber wolle sich der Gouverneur eine uneingeschränkte Machtposition in Kandahar sichern, sagte Akram. Ein Sprecher Schersais wies die Vorwürfe zurück.
    Bei der Explosion einer Landmine sind am 14. Dezember im Osten Afghanistans drei Menschen ums Leben gekommen. Sie waren nach Angaben der afghanischen Nachrichtenagentur AIP in einem Auto auf einer Landstraße unterwegs. Ein örtlicher Militärkommandeur vermutete einen terroristischen Hintergrund. In der betreffenden Region suchen US- Spezialeinheiten noch nach Talibankämpfern und Mitgliedern des Terrornetzwerks El Kaida.
    Bei einer Militärübung in Afghanistan sind am 14. Dezember vier Kinder ums Leben gekommen, drei weitere wurden verletzt. Die Opfer wurden von Mörsergranaten getroffen, die afghanische Soldaten unter Aufsicht amerikanischer Ausbilder abgefeuert hatte. Die acht- bis 14-Jährigen hätten in der Nähe des Übungsplatzes Pul-i-Schakri östlich von Kabul gespielt, sagte ein Sprecher der US-Armee am 16. Dezember. Laut Armee war vor der Übung ein Warnsignal gegeben worden. Soldaten hätten das Gelände zudem gründlich kontrolliert. Auch die Bewohner nahegelegener Dörfer seien über die Gefahr informiert worden. US-Militärausbilder trainieren derzeit mehrere hundert afghanische Soldaten. Sie bilden eines der ersten Kontingente für die künftige Armee Afghanistans.
  • In Flüchtlingslagern im Süden Afghanistans sind nach Angaben einer Hilfsorganisation 41 Kinder ums Leben gekommen, die dort extremer Kälte ausgesetzt waren. Ein Sprecher der in Afghanistan beheimateten Organisation Edhi Welfare Trust teilte am 15. Dezember mit, die Kälte und die unzureichenden Lebensbedingungen in vier Lagern nahe der Stadt Spin Boldak bedrohten das Leben weiterer 1200 Kinder. In den Lagern seien Lungenentzündungen sowie zahlreiche Fälle von Tuberkulose und Malaria aufgetreten. In den Lagern leben rund 100.000 Menschen unter elenden Lebensbedingungen. Es mangelt insbesondere an Kleidung und winterfesten Unterkünften. Die Temperaturen in der Region erreichen nachts Tiefstwerte von minus 15 Grad. Jenseits der Grenze in Pakistan sind weitere 35.000 Flüchtlinge in Notunterkünften und Zelten untergebracht. Die Grenze ist von Pakistan abgeriegelt worden. (Quelle: Der Standard-online, 15.12.2002)
  • Der afghanische Präsident will mit einem Dekret die Macht der Warlords beschneiden. Am 16. Dezember wurde bekannt gegeben, dass künftig militärische und zivile Verwaltungsbereiche strikt getrennt würden. Die militärischen "Direktorate" würden ab sofort abgeschafft. Dies soll einflussreiche regionale Kriegsherren wie Ismail Khan in der Region Herat oder Abdul Raschid Dostam in Masar-i-Scharif schwächen.
    Die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch stellete am 16. Dezember fest, dass der Sturz der Taliban den afghanischen Frauen keine Freiheit gebracht hätte. Immer noch würden Frauen und Mädchen verfolgt, missbraucht und unterdrückt. Symptomatisch sei die Situation in Herat, wo die Polizei Mädchen und Frauen zu gynäkologischen Untersuchungen zwinge, wenn sie alleine mit einem nicht-verwandten Mann "aufgegriffen" werden.
  • Bei einem Granatenanschlag in Kabul sind am 17. Dezember zwei US-Soldaten und ihr Dolmetscher verletzt worden. Anschließend wurden drei Verdächtige festgenommen.
  • Mit Hilfszusagen in Höhe von 1,2 Milliarden Dollar ist am 18. Dezember in Oslo eine internationale Geberkonferenz für Afghanistan beendet worden. Der stellvertretende norwegische Außenminister Vidar Helgesen zeigte sich überrascht über die Höhe der zugesagten Spenden, berichtete die Nachrichtenagentur AP. Am Dienstag hatte Norwegen allerdings noch auf Zusagen von 1,7 Milliarden Dollar gehofft. Angesichts der noch ausstehenden Haushalte in einigen Ländern komme vielleicht sogar noch mehr Geld zusammen, sagte Helgesen. Eine Gesamtsumme von rund zwei Milliarden Dollar sei daher realistisch. Von den für 2002 zugesagten Spenden über zwei Milliarden Dollar seien 1,5 Milliarden Dollar eingegangen. Weitere Zahlungen gingen aber vielleicht noch ein.
  • Bei einem Anschlag auf das deutsche ISAF-Lager in Kabul ist am 19. Dezember einer der Attentäter getötet worden. Möglicherweise wurden auch zwei afghanische Dolmetscher getötet. Dies verlautete aus französischen Militärkreisen. Ein britischer Armeesprecher konnte den Tod der Dolmetscher jedoch nicht bestätigten. Nach seinen Informationen seien die beiden nur verletzt worden. Aus französischen Kreisen hieß es außerdem, es seien auch zwei Mitarbeiter der französischen Medienorganisation Aina verletzt worden.
  • Am 20. Dezember hat der Bundestag mit 565 von 576 Stimmen einer Verlängerung der ISAF-Beteiligung zugestimmt. Das Bundeswehrkontingent wird auf 2.500 Soldaten aufgestockt (doppelt so viel wie bisher).
  • Ein Bundeswehr-Hubschrauber ist am 21. Dezember bei Kabul in Afghanistan abgestürzt. Es handelt sich um einen mittleren amerikanischen Transporthubschrauber des Typs Sikorsky CH-53. Dabei sind sieben deutsche Soldaten ums Leben gekommen. Dies bestätigte Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) in Berlin. Eine bisher noch unbekannte Zahl von Afghanen sei ebenfalls von dem Absturz betroffen, sagte Struck. (einen Tag später wurde gemeldet, dass kein Zivilist ums Leben gekommen sei.) Zum Zeitpunkt des Unglücks habe es keinen Schusswechsel gegeben, sagte der britische Isaf-Sprecher Gordon McKenzie. Vermutlich seien technische Probleme verantwortlich für den Absturz. Das Unglück ereignete sich rund sechs Kilometer östlich der Hauptstadt Kabul.
  • Erstmals seit August ist in Afghanistan ein US-Soldat im Kampfeinsatz ums Leben gekommen. Der 22-jährige Fallschirmjäger gehörte zu einer Einheit, die in der Nacht zum 22. Dezember in der ostafghanischen Provinz Paktia von unbekannten Männern beschossen wurde. Der erschossene Soldat wurde über den pfälzischen US-Stützpunkt Ramstein ausgeflogen. Seit Beginn des Afghanistan-Kriegs im Oktober 2001 sind 16 US-Soldaten im Kampfeinsatz getötet worden.
    Bei einem Granaten-Anschlag in der südafghanischen Provinzhauptstadt Kandahar sind zwei Menschen getötet worden. Mindestens fünf weitere Menschen wurden verletzt, wie ein Sprecher von Gouverneur Gul Agha sagte. Unbekannte hätten an einer Straßenkreuzung vermutlich eine Handgranate in einen vorbeifahrenden Geländewagen geworfen. Der Anschlag ereignete sich genau ein Jahr nach der Regierungsübernahme von Präsident Hamid Karsai in Afghanistan. (Meldung: AFP)
    In Kabul unterzeichneten am 22. Dezember Regierungsvertreter aus den sechs Nachbarstaaten Afghanistans einen Nichtangriffspakt. "Ein sicheres, friedliches und freundliches Afghanistan ist ein Schlüssel für unseren gemeinsamen Erfolg", sagte Ministerpräsident Hamid Karsai bei der Eröffnung der Konferenz. "Ich hoffe, dass wir alle von unseren Fehlern in der Vergangenheit gelernt haben." Von den vertraglichen Garantien mit China, Pakistan, Iran, Turkmenien, Usbekistan und Tadschikistan erhofft sich Afghanistan mehr außenpolitische Sicherheit.
  • Am 23. Dezember galt es als "so gut wie sicher", dass der Hubschrauber-Absturz vom 21. Dezember auf einen technischen Defekt zurückzuführen sei. Zu diesem Ergebnis kamen die Experten der Bundeswehr-Flugsicherheit, die seit dem 22. Dezember in Kabul Nachforschungen anstellten. Baugleiche US-Hubschrauber seien nach einem Bericht von CNN zu Beginn des Jahres ebenfalls in Afghanistan abgestürzt. Auch damals seien technische Probleme als Absturzursache genannt worden. Zwei US-Soldaten waren dabei ums Leben gekommen.
    In der Nähe des Kabuler Flughafens im Norden der Stadt kam es am 23. Dezember zu einer Explosion. Über Ursache und Folgen gab es zunächst keine Hinweise.
    Im Oste des Landes haben am 23. Dezember afghanische Soldaten eine größere Menge Raketen beschlagnahmt. Die Raketen waren auf zwei Lastwagen transportiert worden und sollen für Al-Qaida- oder Taliban-Kämpfer bestimmt gewesen sein.
    Russische Grenztruppen in Tadschikistan stellten nach einem Gefecht mit Drogenschmugglern aus Afghanistan am 23. Dezember etwa 200 Kilogramm Rohopium sicher. Die Schmuggler entkamen dahin, woher sie gekommen waren: nach Afghanistan.
  • Am 27. Dezember haben die Regierungschefs von Afghanistan, Turkmenistan und Pakistan ein Abkommen unterzeichnet, welches den Bau einer 1.500 km langen Pipeline von den Gasfeldern im südlichen Turkmenistan bis an das Arabische Meer (Pakistan) regelt. An einem solchen Plan hatte sich schon seit Jahren US-amerikanische Firmen interessiert gezeigt. Die Unterzeichnung des Vertrags wurde in Ashkabad (Turkmenistan) vorgenommen. Der afghanische Präsident Karsai erwartet jährliche Durchleitungsentschädigungen in Höhe von 300 Millionen US-Dollar, falls die Leitung gebaut würde. Pakistan plant im Hafen von Gwadar eine Gasverflüssigungsanlage zu bauen.


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