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Chronik Afghanistan

Juni 2011


Mittwoch, 1. Juni, bis Sonntag, 5. Juni
  • Ein Warschauer Militärtribunal hat am 1. Juni sieben polnische Soldaten vom Vorwurf freigesprochen, im Jahr 2007 Kriegsverbrechen in Afghanistan begangen zu haben. Nach Aussage des Gerichts wurden damals in dem afghanischen Dorf Nangar Chel sechs Zivilisten getötet und mehrere verletzt. "Es gibt keine Beweise, dass bei dem Vorgang Kriegsverbrechen begangen worden sind", sagte Richter Miroslaw Jaroszewski bei der Urteilsverkündung. Die Militär-Staatsanwaltschaft hatte in dem Verfahren zwischen fünf und zwölf Jahren Haft für die Angeklagten gefordert. Die Ankläger wollen nun nach Lektüre des Urteils entscheiden, ob sie Berufung einlegen.
  • Nach dem Anschlag auf den Gouverneurssitz im nordafghanischen Talokan mit zwei getöteten Bundeswehrsoldaten (am 28. Mai) ist einer der mutmaßlichen Täter gefasst worden. Es handle sich um ein Mitglied der terroristischen Vereinigung Islamische Bewegung Usbekistan (IBU), teilte die NATO-Truppe ISAF am 1. Juni mit. Die bei dem Anschlag schwer verletzte Bundeswehrsoldatin schwebt nicht mehr in akuter Lebensgefahr. Der Verdächtige sowie mehrere seiner Komplizen seien bei einer nächtlichen Aktion in Masar-i-Scharif von afghanischen und NATO-Truppen gefasst worden, teilte die ISAF mit. Der Verdächtige sei "in direktem Kontakt mit der IBU-Führung in Pakistan gewesen, der er Informationen über die Verluste des Anschlags vom 28. Mai geliefert" habe.
    Die 1998 gegründete Terrorgruppe IBU kämpft in Usbekistan gegen den autoritären Machthaber Islam Karimow und soll für mehrere tödliche Anschläge verantwortlich sein. In Usbekistan ist die Vereinigung, die an das Terrornetzwerk El Kaida angegliedert sein soll, verboten. Während der Taliban-Herrschaft in Afghanistan fand sie bis 2001 dort Unterschlupf und ist heute weiterhin im Norden Afghanistans sowie in pakistanischen Stammesgebieten aktiv.
  • Bei einem Sprengstoffanschlag auf die Bundeswehr in Nordafghanistan ist am 2. Juni ein deutscher Soldat getötet worden. Fünf weitere Bundeswehrsoldaten seien bei dem Anschlag 36 Kilometer südlich von Kundus verletzt worden, teilte das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam mit. Nach Angaben eines Bundeswehrsprechers wurden zwei der Soldaten schwer verletzt. Die Verletzten wurden mit Rettungshubschraubern geborgen und in die Bundeswehrfeldlager Kundus und Masar-i-Scharif gebracht.
  • Im Nordwesten Pakistans haben Hunderte Aufständische aus Afghanistan einen Grenzposten angegriffen. 58 Menschen kamen Polizeiangaben zufolge bei den Kämpfen ums Leben, darunter 23 Sicherheitskräfte. Die Gefechte in der Stadt Shaltalo im Bezirk Upper Dir begannen bereits am 1. Juni, die Lage konnte aber erst am Mittag des 2. Juni unter Kontrolle gebracht werden. Wie in den angrenzenden Stammesgebieten sind auch in Upper Dir Kämpfer des Terrornetzwerks Al-Kaida sowie der radikalislamischen Taliban aktiv. Wie die Polizei am 2. Juni mitteilte, griffen etwa 200 Aufständische aus Afghanistan den Grenzposten an, der mit Polizisten und paramilitärischen Einheiten besetzt ist.
    Am 1. Juni hatten die pakistanischen Streitkräfte eine Offensive in der Stammesregion Kurram angekündigt, wo es seit Jahren immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten kommt. Das der afghanischen Taliban nahestehende Haqqani-Netzwerk soll einige seiner Kämpfer aus Nord-Waziristan dorthin verlegt haben.
  • Die ehemalige EKD-Vorsitzende Margot Käßmann hat die deutsche Rüstungsindustrie scharf kritisiert. "Unsere Volkswirtschaften profitieren von dem Krieg, den wir beklagen", sagte Käßmann am 2. Juni auf dem 33. Evangelischen Kirchentag in Dresden. "Kann es legitim sein, am Waffenhandel zu verdienen?", fragte sie vor Tausenden Zuhörern in einer Bibelstunde in einer überfüllten Sportarena. Die Frage richtete die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) auch an Bundespräsident Christian Wulff, der im Publikum saß. Unter Berufung auf das Stockholmer Institut für Friedensforschung sagte Käßmann, der deutsche Anteil am internationalen Waffenhandel sei zwischen 2005 und 2010 auf elf Prozent gestiegen und werde nur noch von Russland und den USA übertroffen. "Unsere Kirchen können angesichts dieser Situation nicht schweigen", betonte sie.
    Ferner kritisierte sie den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan und die Bombardierung Libyens durch die NATO. Eine Luftraumüberwachung in dem nordafrikanischen Staat habe ihr noch einleuchtend erschienen. Aber sofort habe die Bombardierung begonnen und auch der "gezielte Versuch, Gaddafi, mit dem man eben noch munter Geschäfte gemacht hatte, zu töten", kritisierte sie. "Das ist kein Weg zum Frieden."
  • Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière hat mit Bestürzung auf den Tod eines weiteren Bundeswehrsoldaten bei einem Anschlag in Afghanistan reagiert. "Einmal mehr haben wir einen gefallenen deutschen Soldaten und fünf zum Teil schwer verwundete zu beklagen", sagte de Maizière am 2. Juni in Dresden. "Diese Nachricht erschüttert uns alle." Den Verwundeten wünschte er baldige Genesung. Zugleich drückte er den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus. "Die Häufung der Anschläge sorgt uns", fügte der Minister hinzu. Er betonte zugleich, an dem Auftrag in Afghanistan festhalten zu wollen. "Wir werden in unserem Engagement nicht nachlassen." Die politische Entwicklung müsse aber besser vorangetrieben werden.
  • Nach dem jüngsten Tod eines Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan, verlangt der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus, eine verbesserte Ausrüstung für die Truppe am Hindukusch. Zwar seien solche Vorfälle wie dieser Anschlag mit einer Sprengfalle nicht immer zu verhindern, man könne aber das Risiko deutlich mindern, sagte Königshaus am 2. Juni im ZDF. Der Wehrbeauftragte forderte die Anschaffung von geschützten Fahrzeugen, aus denen heraus Sprengfallen erkannt und beseitigt werden können. "Die Amerikaner haben solche, wir haben sie leider noch nicht", bemängelte Königshaus.
  • Kritik an der Afghanistan-Strategie und am Reformkonzept des Verteidigungsministers übte der EKD-Ratsvorsitzenden Schneider während des Evangelischen Kirchentags in Dresden am 2. Juni. Über die konkrete Mission in Afghanistan hinaus warf Präses Schneider die Frage über die Grenzen militärischen Eingreifens im Ausland auf. In ungewöhnlich scharfer Form griff er die aktuellen Reformpläne des Verteidigungsministers zum Umbau der Streitkräfte an und forderte eine „breite gesellschaftliche Debatte darüber, wofür wir die Bundeswehr eigentlich brauchen“. Schneider warnte, die Bundeswehr dürfe nicht zum Instrument einer „Kanonenbootpolitik in neuer Form“ gemacht werden. Der Begriff der Kanonenbootpolitik stammt aus dem 19. Jahrhundert und beschreibt die Durchsetzung der nationalen Interessen von Kolonialmächten gegenüber militärisch unterlegenen Ländern mit Seestreitkräften. Im Umbau der Bundeswehr wittert der Präses offenbar Parallelen: „Es ist beunruhigend zu sehen, dass die Bundeswehr Stück für Stück zu einer Einsatzarmee umgebaut wird“, sagte Schneider. Er halte weitere „Kampfeinsätze zur Durchsetzung welcher Interessen auch immer“ jedenfalls nicht für den richtigen Weg.
  • Der Deutsche Bundeswehrverband verlangt nach den jüngsten Anschlägen in Afghanistan eine Überprüfung der politischen und militärstrategischen Konzepte für den Einsatz der deutschen Soldaten. Verbandschef Ulrich Kirsch sagte am 3. Juni in Berlin, man trauere um den vierten gefallenen Soldaten in neun Tagen. "Die Taliban legen derzeit ein erschreckendes Tempo bei ihren Anschlägen vor. Es wird Zeit, dass Bundesregierung und Parlament reagieren." Kirsch erklärte, die Antworten der deutschen Politik auf die Situation in Afghanistan seien nicht ausreichend. "Unsere Soldatinnen und Soldaten stellen sich täglich tödlicher Gefahr und ertragen schwierigste Bedingungen in heldenhafter Art und Weise. Sie verdienen mehr als das immer gleiche 'weiter so'. Wer deutsche Soldaten in den Krieg schicke, schulde ihnen eine regelmäßige Überprüfung der Grundlagen und Ziele des Einsatzes.
  • Vertreter westlicher Geheimdienste befürchten laut dapd, dass die ISAF-Truppen angesichts der sich ständig zuspitzenden Lage in Afghanistan in eine Sackgasse geraten könnten. "Vielleicht sind wir schon drin und merken es gar nicht", sagte ein Angehöriger der CIA am 3. Juni der Nachrichtenagentur dapd in Kabul. Er verwies auf die Zahl der toten und verwundeten deutschen Soldaten in immer kürzerer Zeit. Alle Durchhalteparolen der westlichen Politiker würden bei den ISAF-Soldaten "zunehmend in Zweifel gezogen". Die gefährliche Entwicklung beginne die Moral der Truppe zu beeinträchtigen, berichtete der CIA-Mann.
  • Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält trotz der tödlichen Anschläge auf Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan an dem Einsatz in dem Land fest. So bestürzend der neue Anschlag und so bitter die vergangene Woche für die Bundeswehr in Afghanistan auch gewesen sei, die Terroristen dürften ihr Ziel nicht erreichen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am 3. Juni vor Journalisten in Berlin. Die Bundesregierung halte an ihrem Ziel einer schrittweisen Übergabe der Verantwortung an die afghanischen Kräfte fest.
  • Bei der Trauerfeier für drei vergangene Woche in Afghanistan getötete Bundeswehr-Soldaten hat Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) am 3. Juni Zweifel an dem Einsatz als "notwendig" bezeichnet. "Aber solche Zweifel müssen überwunden werden, wenn wir vom Ziel insgesamt überzeugt sind. Und das sind wir", sagte er. De Maizière sagte vor etwa 450 Trauergästen in der Epiphaniaskirche in Hannover: "Was in der vergangenen Woche in Afghanistan geschah, trifft uns tief im Herz." Ziel der Anschläge sei es, Vertrauen wegzusprengen. Doch dieses Ziel hätten die Taliban verfehlt. "Vertrauen kann und darf nicht erfolgreich weggesprengt werden." Nichts sei abstoßender als das Ziel der Taliban, auch Unschuldige zu treffen. Es gelte: "Terroristen dürfen nie das letzte Wort haben."
  • Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hat sein Festhalten an Auslandseinsätzen der Bundeswehr bekräftigt. "Die Bundeswehr hat sich seit 1990 von einer reinen Verteidigungsarmee zu einer Armee im Einsatz gewandelt", sagte de Maizière am 3. Juni beim 33. Evangelischen Kirchentag in Dresden. Damit reagierte er auf Kritik des EKD-Vorsitzenden Nikolaus Schneider am geplanten Umbau der Bundeswehr. Weiter sagte der Minister, für die Bundeswehr gehörten Auslandseinsätze zum Alltag. "Sich zurückzuhalten ist manchmal das Gegenteil von verantwortungsvollem Handeln", betonte der CDU-Politiker. Christen stünden bei der Entscheidung für einen Einsatz allerdings in einem Gewissenskonflikt. Es stehe immer die Frage im Raum, unter welchen Bedingungen ein Einsatz möglich sei. "Wenn Friede und Menschenrechte fundamental verletzt werden", beantwortete de Maizière die Frage.
    Bei einer Diskussion in der Technischen Universität in Dresden trafen Schneider und de Maizière am Freitag aufeinander. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sagte, er habe beim Betrachten der Politik "größte Sorge", weil es dort Versuche gebe, schneller das Militär einzusetzen. Soldaten in Afghanistan habe er hingegen als Menschen erlebt, "denen das Zweifelhafte des militärischen Einsatzes bewusst war".
  • Bei einem US-Drohnenangriff in den pakistanischen Stammesgebieten sind nach örtlichen Behördenangaben fünf Aufständische getötet worden. Eine Drohne habe drei Raketen auf ein Gebäude von Aufständischen abgefeuert, sagte ein pakistanischer Sicherheitsvertreter am 3. Juni. Der Angriff ereignete sich demnach zehn Kilometer westlich von Wana, der größten Stadt im Stammesgebiet Südwaziristan an der Grenze zu Afghanistan. Ein zweiter Sicherheitsvertreter bestätigte den Angriff und die Zahl der Toten; ihre Identität sei aber noch unklar.
  • Ein ranghoher Führer der Aufständischen in Pakistan war nach Angaben aus Sicherheitskreisen Ziel eines US-Drohnenangriffs vom 3. Juni nahe der Grenze zu Afghanistan. Ilyas Kashmiri wird mit Al-Kaida in Verbindung gebracht und für Anschläge in Pakistan und Indien verantwortlich gemacht. Bei dem Drohnenangriff kamen neun Aufständische ums Leben. Ob Kashmiri darunter war, wisse er nicht, sagte ein Geheimdienstmitarbeiter am 4. Juni. Ein örtlicher Militärkommandeur erklärte, Kashmiri habe sich nicht in der von dem Angriff getroffenen Anlage in Süd-Waziristan aufgehalten.
  • Die militante Gruppierung Harakat-ul-Jihad al-Islami bestätigte indessen den Tod Kashmiris am 4. Juni in einem Fax. Sie kündigte Vergeltung gegen die USA an. Kashmiri war nach Erkenntnissen des US-Außenministeriums der Kommandeur von Harakat-ul-Jihad al-Islami. Die Organisation verübte 2006 einen Selbstmordanschlag gegen das US-Konsulat in Karachi, bei dem vier Menschen getötet wurden.
    Aus pakistanischen Sicherheitskreisen verlautete am 5. Juni, man sei sich praktisch sicher, dass Kashmiri getötet worden sei.
  • Bei Kämpfen im Nordosten Pakistans haben Regierungstruppen nach Angaben der Polizei am 4. Juni 26 Aufständische getötet. Die Extremisten seien aus der Provinz Kunar an der Grenze zu Afghanistan gekommen und hätten im Bezirk Nusrat Darra das Feuer auf die Truppen eröffnet, sagte der Polizeibeamte Bahadur Khan. Regierungssoldaten seien bei den Gefechten nicht ums Leben gekommen. Seit Tagen kommt es in den Stammesgebieten der Region immer wieder zu schweren Kämpfen, nachdem am Mittwoch rund 400 Aufständische einen Grenzposten im Bezirk Upper Dir angegriffen und 25 Sicherheitskräfte getötet hatten. Nach Angaben von Khan töteten Regierungstruppen seitdem 100 Aufständische und brachten die Lage unter Kontrolle.
  • US-Verteidigungsminister Robert Gates sieht noch in diesem Jahr Chancen für Friedensverhandlungen mit den radikalislamischen Taliban. Militärischer Druck werde "politische Möglichkeiten" eröffnen, sagte Gates bei einer Konferenz in Singapur, bevor er am 4. Juni zu seinem letzten Besuch als Pentagon-Chef nach Afghanistan reiste. Rufen nach einem beschleunigten Abzug der US-Truppen erteilte Gates erneut eine Absage.
    Politische Verhandlungen und Versöhnungsgespräche mit den Taliban könnten möglicherweise bereits in diesem Winter angestoßen werden, sagte Gates, der Ende Juni in den Ruhestand geht, auf einer Sicherheitskonferenz in Singapur. Voraussetzung sei aber, dass die Taliban ihre Waffen niederlegten und einsähen, "dass sie militärisch gegen die USA und ihre Verbündeten nicht gewinnen werden". Zudem müssten die Islamisten ihre Verbindungen zum Terrornetzwerk El Kaida abbrechen, um politisch in der Zukunft eine Rolle spielen zu können.
    Aus Singapur reiste Gates überraschend nach Afghanistan weiter.
  • US-Verteidigungsminister Robert Gates ist am 4. Juni zu einem Überraschungsbesuch in Afghanistan eingetroffen. Dort will Gates unter anderem einige der rund 90.000 US-Soldaten vor Ort besuchen, wie ein AFP-Reporter berichtete. Es handelt sich um Gates' letzte Reise als Chef des Pentagon nach Afghanistan. Nach viereinhalb Jahren in dem Amt scheidet er im Sommer aus, Leon Panetta als derzeitiger Chef des US-Geheimdienstes CIA wird sein Nachfolger.
  • Der Deutsche Bundeswehrverband hat die Bundesregierung davor gewarnt, die Soldaten im Afghanistan-Einsatz im Stich zu lassen. "Wo sind die Besuche von Bundeskanzlerin Merkel in Afghanistan? Wann spricht sie mit (dem afghanischen Präsidenten) Karsai, wann mit den Vereinten Nationen?", fragte Verbandschef Ulrich Kirsch in der "Bild am Sonntag" (5. Juni). "Und was macht eigentlich Außenminister Westerwelle - immerhin der federführende Minister?" Eins sei klar, fügte der Oberst hinzu: "Chefsache ist der Afghanistan-Krieg wirklich nicht." Kirsch forderte die Regierung zu einem klaren Bekenntnis zu den Soldaten auf. "Alle Soldatinnen und Soldaten wollen wissen: Welchen Stellenwert hat der Einsatz am Hindukusch für die politisch Verantwortlichen?" Die Anschläge der vergangenen Tage zeigten, wie brutal die Realität des Soldatenberufs sei. Gerade deshalb müsse sich die Politik umso mehr zu ihren Soldaten bekennen. Kirsch brachte auch einen Rückzug aus Afghanistan für den Fall ins Gespräch, dass die selbst gesteckten Ziele nicht erreicht werden könnten: "Die Bundesregierung muss allen - den Soldaten wie der Gesellschaft - vermitteln, welche Ziele wir in Afghanistan verfolgen. Sie muss den Fortschritt überprüfen - und Konsequenzen ziehen, wenn sich die Ziele als unerreichbar erweisen." Wenn die Regierung das nicht tue, bleibe sie nicht nur Antworten schuldig, schrieb Kirsch. Dann ließe die Regierung "die Truppe im Stich".
  • Bei einer Bombenexplosion an einem Busbahnhof nahe Peshawar im Nordwesten von Pakistan sind am 5. Juni sechs Menschen getötet worden, darunter auch drei Frauen und ein Kind. Nach Angaben der Polizei war an der Busstation ein Auto geparkt, in dem ein Sprengsatz deponiert war, der dann offenbar ferngezündet wurde. Den Angaben der Beamten zufolge wurden bei dem Anschlag zudem elf Menschen verletzt, darunter auch zwei Frauen. Durch die Wucht der Detonation wurden nach Angaben der Polizei außerdem drei weitere Autos beschädigt.
  • In Afghanistan haben Taliban einen Mitarbeiter einer französischen Hilfsorganisation öffentlich hingerichtet. Der afghanische Mitarbeiter der Organisation Madera war Ende Mai in der Provinz Ghor verschleppt worden, sagte der örtliche Polizeichef am 5. Juni. Am Samstagabend (4. Juni) sei er dann von den Taliban aufgehängt und erschossen worden. Die Hilfsorganisation bestätigte den Tod ihres Mitarbeiters. Nach Angaben der Entwicklungshelfer wollten die Entführer die Frau eines örtlichen Talibananführers aus dem Gefängnis freipressen. "Als den Taliban klar wurde, dass die Regierung sie nicht freilässt, haben sie unseren Kollegen getötet", sagte Madera-Einsatzleiter Ramasan Mahdyar. Seinen Angaben zufolge wurde der Mann erschossen und seine Leiche an einem Baum aufgehängt. Die Bevölkerung wurde angewiesen, sie dort drei Tage und Nächte hängen zu lassen.
    Die 1988 gegründete Hilfsorganisation Madera beschäftigt in Afghanistan rund 600 Mitarbeiter, darunter gut ein dutzend Ausländer. Ihre Projekte richten sich vor allem an die Bevölkerung in ländlichen Gebieten.
  • Afghanische Aufständische haben nach amtlichen Angaben bei einem Angriff auf einen Polizeiposten im Südwesten des Landes zwei Polizisten getötet und fünf weitere verschleppt. Der Angriff der Taliban im Distrikt Chasch Rod in der Provinz Nimros ereignete sich demnach am Abend des 5. Juni. Zwei Polizisten, die mittlerweile untertauchten, sollen mit den Taliban zusammengearbeitet haben.
Montag, 6. Juni, bis Sonntag, 12. Juni
  • Drei Tage nach der mutmaßlichen Tötung eines der Anführer des Terrornetzwerks El Kaida in Pakistan sind bei einem erneuten US-Drohnenangriff sieben mutmaßliche Aufständische getötet worden. Nach Angaben lokaler Sicherheitsvertreter fand der Angriff am Montagmorgen (6. Juni) etwa zehn Kilometer nordwestlich von Wana statt, der wichtigsten Stadt im Stammesgebiet Süd-Waziristan. Dabei seien sieben Rebellen getötet worden.
  • Nach dem Tod von vier Bundeswehrsoldaten in Afghanistan in nur sieben Tagen fordert der Wehrbeauftragte der Bundesregierung, Hellmut Königshaus (FDP), die Bundesregierung auf, sofort ein System zur Minenräumung einzuführen. Doch aus Kostengründen sei die Sicherheitslücke immer noch offen, kritisierte Königshaus im Interview mit der in Düsseldorf erscheinenden "Westdeutschen Zeitung" (Ausgabe vom 6. Juni). Die Amerikaner verfügen seit Jahren über entsprechende "route clearance packages", Minenräumfahrzeug-Systeme. Die Deutschen entwickeln zwar ein eigenes System, das laut Köngishaus erst "in Teilen zum Jahresende" in Betrieb genommen werden kann. "Ich hoffe, dass es überhaupt irgendwann kommt. Doch das hilft den Soldaten in Afghanistan derzeit nichts." Dabei spreche die Bundesregierung bereits seit "2005 von der Hauptbedrohung unserer Soldaten durch IEDs (Sprengfallen) in Afghanistan. Doch der Einkauf beider System kostet zu viel Geld. Es fand eine Kosten-Nutzen-Rechnung statt. Man hat festgestellt, dass die Bundeswehr in Afghanistan ein System für den Feldlagerschutz benötigt. Gleichzeitig aber auch die "route clearance packages" für Patrouillen. Der Feldlagerschutz wurde als wichtiger erachtet. Er wurde bestellt - ist aber noch nicht im Einsatz ", sagte Königshaus.
  • Der frühere afghanische Wiederaufbauminister Amin Farhang hat angesichts der jüngsten Anschläge auf die Bundeswehr vor der Unterwanderung afghanischer Sicherheitskräfte durch die Taliban gewarnt. "Die Terroristen haben überall Zugang", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Ausgabe vom 6. Juni). "Sie gehen sehr geschickt vor und haben seit Jahren Spitzel in Armee und Polizei geschleust. Immer wenn die Lage günstig ist, dann schlagen sie zu." Man müsse diese Leute durch Kontrollen fassen und unschädlich machen. Das gelte besonders für Leibwächter. Die Unterwanderung sei nicht auf das Hoheitsgebiet der Bundeswehr beschränkt, so Farhang. "Das ist überall so, in ganz Afghanistan.
  • Im Nordwesten Pakistans sind bei zwei US-Drohnenangriffen mindestens 15 mutmaßliche Aufständische getötet worden. Wie örtliche Sicherheitsvertreter mitteilten, wurden bei einem Angriff etwa zehn Kilometer nordwestlich von Wana, der wichtigsten Stadt im Stammesgebiet Süd-Waziristan, sieben Rebellen getötet. Wenige Minuten später sei zwölf Kilometer nordwestlich von Wana ein weiterer US-Drohenangriff erfolgt, bei dem mindestens acht Rebellen ums Leben gekommen seien. Bei dem ersten Angriff seien ausländische Rebellen unter den Opfern gewesen, der zweite Angriff habe pakistanischen Taliban gegolten.
    Die Angriffe erfolgten am 6. Juni, drei Tage nach der mutmaßlichen Tötung eines der Anführer des Terrornetzwerks El Kaida, Ilyas Kashmiri, bei einem US-Drohnenangriff am 3. Juni in derselben Gegend.
  • Wie später gemeldet wurde, gab es noch einen dritten Drohnenangriff in derselben Gegend. Dabei schoss die Drohne den Angaben zufolge zwei Raketen auf ein Fahrzeug mit Aufständischen im Gebiet von Dray Nishtar an der Grenze zu Nord-Waziristan ab und tötete drei Rebellen.
  • Sicherheitsberater des Weißen Hauses wollen offenbar weit mehr Soldaten aus Afghanistan abziehen als bisher erörtert. Wie die "New York Times" am 6. Juni berichtete, rechtfertigten sie dies mit den steigenden Kriegskosten und dem Tod von Osama bin Laden. Dem Bericht zufolge ist damit zu rechnen, dass US-Präsident Barack Obama die entsprechenden Entscheidungen in einer Rede an die Nation diesen Monat bekannt geben wird. Der Nationale Sicherheitsrat kommt am 6. Juni zu seinem monatlichen Treffen zu Afghanistan und Pakistan zusammen.
    Der geplante stufenweise Abzug der US-Truppen aus Afghanistan soll im Juli beginnen und bis zum Ende des Jahres 2014 abgeschlossen sein. Bislang war laut "NYT" ein erster Abzug von 3000 bis 5000 Soldaten vorgesehen. Bei den neuen Überlegungen gehe es aber um sehr viel mehr als um die Zahl der im Juli abziehenden Soldaten. Es gehe auch um die Festlegung eines Datums für den vollständigen Abzug der 30.000 von Obama im vergangenen Jahr entsandten zusätzlichen Soldaten, mit denen die Initiative im Krieg gegen die islamistischen Taliban-Kämpfer gewonnen werden sollte. Derzeit sind fast 100.000 US-Soldaten in Afghanistan stationiert.
  • Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus, sieht das Verhältnis der in Afghanistan kämpfenden deutschen Soldaten zum Bündnispartner USA schwer belastet. Während die USA im Norden Afghanistans viele Kampfhubschrauber und Rettungsflugzeuge einsetzten, habe die Bundeswehr "ihre Flugstunden massiv reduziert", sagte Königshaus dem "Handelsblatt" vom 7. Juni. Damit stelle die Bundeswehr "die Bündnissolidarität mit ihrem wichtigsten Partner auf eine harte Probe". In den USA gebe es Verstimmung, weil die Bundeswehr ihre in Afghanistan stationierten Hubschrauber "immer weniger" einsetze, sagte Königshaus.
  • US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) haben zum Auftakt ihrer Gespräche in Washington am 7. Juni die Bedeutung der transatlantischen Partnerschaft betont. Obama nannte Deutschland bei der Begrüßung "einen unserer engsten Verbündeten". Merkel sagte, Deutschland habe in der Welt keinen besseren Partner als die USA. In der Libyen-Frage demonstrierten beide Politiker Einigkeit. Ein Berlin-Besuch Obamas steht aber weiter in den Sternen.
  • Die Vereinten Nationen erwägen die afghanische Taliban von ihrer Liste terroristischer Organisationen streichen, in der auch das Terrornetzwerk Al-Kaida aufgeführt ist. Wie Deutschlands UN-Botschafter Peter Wittig am 7. Juni mitteilte, wird ein Gremium in der kommenden Woche darüber entscheiden, Mitglieder der Taliban auf eine gesonderte Liste zu setzen. Damit würden die UN anerkennen, dass das Terrornetzwerk Al-Kaida und die Taliban unterschiedliche Ziele verfolgten, hieß es.
    Der jüngste Vorstoß der UN gilt Beobachtern als politische Geste, mit der Friedensgespräche zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban angestoßen werden sollen.
  • Zwei Drittel der Deutschen (66 Prozent) sind dafür, dass sich die Bundeswehr sofort oder bis spätestens Ende des Jahres aus Afghanistan zurückzieht. In einer Umfrage für das Hamburger Magazin stern, über die das Nachrichtenportal ots am 8. Juni berichtete, sprachen sich 38 Prozent für einen sofortigen Abzug aus, 28 Prozent plädierten für einen Rückzug bis Ende des Jahres. Dass die Bundeswehr bei Bedarf länger am Hindukusch stationiert bleiben sollte, meinen 27 Prozent. Mit "weiß nicht" antworteten 7 Prozent.
    Dass der Bundeswehr-Einsatz, falls nötig, über 2011 hinaus fortgesetzt werden soll, meinen vor allem die Anhänger der Union (41 Prozent). Aber auch 35 Prozent der SPD-Wähler vertreten diese Auffassung. Bei den Grünen wünschen dies 29 Prozent, bei den Liberalen 21 Prozent. Am stärksten ist die Ablehnung bei den Wählern der Linken: Lediglich ein Prozent wollen ein Engagement am Hindukusch über 2011 hinaus.
  • Der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Philipp Mißfelder (CDU), spricht sich für eine Debatte über Ausstiegsszenarien von NATO-Einsätzen aus. In Afghanistan habe man den Fehler gemacht, nicht vorher zu sagen, unter welchen Bedingungen man das Land wieder verlassen werde, sagte Mißfelder dem Radiosender MDR info am 8. Juni. Vor einer ähnliche Frage stehe man jetzt in Libyen, auch wenn die Probleme in Afghanistan deutlich gravierender seien. Deshalb müsse man eine Diskussion führen, wie und nach welchen Kriterien man Einsätze bewerten wolle. Daraus müssten dann Schlussfolgerungen gezogen werden, auch in Richtung Abzug, sagte Mißfelder.
  • Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, verlangt Aufklärung über die jüngsten Anschläge und Demonstrationen im afghanischen Hoheitsgebiet der Bundeswehr. "Wir haben die Erwartung, dass das Einsatzführungszentrum über alle Vorfälle der letzten Wochen in Afghanistan mal etwas präziser berichtet", sagte Arnold dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Ausgabe vom 8. Juni). Seit Ende Mai wurden vier deutsche Soldaten in Afghanistan getötet. Die Bundeswehr soll drei Demonstranten erschossen haben. Arnold beklagte: "Wir kriegen zwar schnell Informationen. Meistens steht aber nicht viel drin." Der SPD-Politiker sagte, er wolle zudem wissen warum die Flugstunden der Bundeswehr in Afghanistan reduziert worden seien. "Wenn sie wegen des Geldes reduziert werden, wäre das ein kritischer Punkt", sagte er.
  • Gut ein Jahr nach seinem Rücktritt als Bundespräsident hat Horst Köhler sein Schweigen gebrochen und sich zu seinen Beweggründen geäußert. "Ich bin zurückgetreten, um Schaden vom Amt abzuwenden. Die Angriffe auf mich im Zusammenhang mit meinen Äußerungen über sicherheitspolitische Interessen Deutschlands waren ungeheuerlich und durch nichts gerechtfertigt. Es war die Rede von der Befürwortung von Wirtschaftskriegen und möglichem Verfassungsbruch", sagte Köhler der Wochenzeitung "Die Zeit" laut Vorabbericht vom 8. Juni. Köhler fragte: "Kann man einem Bundespräsidenten angesichts der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts Schlimmeres vorwerfen?" Seine Äußerungen seien im Vorfeld der Diskussion über die Verlängerung des Afghanistan-Mandats der Bundeswehr bewusst missverstanden und für parteipolitische auch innerparteiliche Ziele instrumentalisiert", worden.
  • Ein Einsatzführungskommando für Polizisten im Auslandseinsatz hat die Gewerkschaft der Polizei verlangt. Derzeit seien zahlreiche unterschiedliche Stellen für Polizeieinsätze außerhalb Deutschlands zuständig, darunter das Kanzleramt, verschiedene Bundesministerien und Landesbehörden, sagte Gewerkschaftschef Bernhard Witthaut am 8. Juni in Berlin. "Inhaltliche und organisatorische Mängel bei der Planung und Umsetzung" müssten dringend abgestellt werden. Nach Witthauts Angaben arbeiten aktuell 364 Beamte in zwölf Auslandsmissionen. Die Einsätze seien zum Teil aber nicht transparent, kritisierte er. Die Bundesregierung müsse verpflichtet werden, den Bundestag über jeden Auslandseinsatz von deutschen Polizisten umfassend zu informieren. Das Parlament brauche zudem die Möglichkeit, Missionen mit einem entsprechenden Beschluss zu beenden und die eingesetzten Polizisten zurückzuholen. Das Bundesinnenministerium versprach, die Forderung nach einem Einsatzführungskommando - analog zu dem der Bundeswehr in Potsdam - zumindest zu prüfen. Sprecher Jens Teschke sagte, der Bundestag habe heute schon laut Polizeigesetz ein Mitspracherecht, wenn Polizisten zurückgeholt werden sollen. "Darüber hinausgehende Forderungen nach einem Mitspracherecht sehen wir eher kritisch", sagte Teschke. Denn es handele sich überwiegend um Berater- und Trainertätigkeiten der Polizisten.
  • Der US-Senat hat der Entwicklungshilfe der Vereinigten Staaten in Afghanistan in einem Untersuchungsbericht ein schlechtes Zeugnis ausgestellt, meldet AFP am 8. Juni. "Die Beweise, dass Stabilisierungsprogramme in Afghanistan Stabilität fördern, sind begrenzt", heißt es in dem Rapport des Auswärtigen Ausschusses. Die 320 Millionen Dollar (219 Millionen Euro), die Washington jeden Monat zum Wiederaufbau an den Hindukusch schickt, könnten "wirksamer" ausgeben werden. In den vergangenen zehn Jahren flossen den Angaben zufolge 18,8 Milliarden Dollar an US-Hilfen an den Hindukusch.
    Der Bericht warnte vor allem vor "ungewollten Folgen" der Geldströme. Falsch eingesetzte Hilfszahlungen könnten die Korruption fördern, die Arbeits- und Gütermärkte verzerren und die Kontrolle der Regierung über die Ressourcen des Landes einschränken. Außerdem sei die Abhängigkeit Afghanistans von ausländischer Unterstützung bedenklich und werde das Land nach dem geplanten Abzug der internationalen Truppen Ende 2014 vor große Probleme stellen. Schätzungen der Weltbank zufolge sind 97 Prozent der afghanischen Wirtschaftsleistung auf internationale Hilfsgelder zurückzuführen.
  • Der langjährige Stellvertreter des getöteten El-Kaida-Chefs Osama bin Laden, Aiman el Sawahiri, hat einen fortgesetzten Kampf des Terrornetzwerks angekündigt. In einer Videobotschaft würdigte er Bin Laden als "Pionier des Dschihad", wie das auf die Überwachung islamistischer Internetseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE am 8. Juni mitteilte. "Wir müssen den Weg des Dschihad fortsetzen, um die Besatzer aus dem Land des Islam zu vertreiben", sagte Sawahiri laut SITE in der Botschaft. Bin Laden werde den USA, Israel und ihren Verbündeten auch nach seinem Tod "Angst" einflößen. Der Ägypter rief "alle Mudschahedin in Afghanistan, Pakistan, im Irak, in Somalia, auf der arabischen Halbinsel und im islamischen Maghreb" auf, ihre Bemühungen im Kampf gegen den Westen zu "verdoppeln". Außerdem schwor er dem Anführer der radikalislamischen Taliban, Mullah Omar, erneut seine Treue.
  • Der Schlüssel zur Lösung des Konflikts in Afghanistan liegt nach Ansicht des designierten neuen US-Botschafters in Kabul im Nachbarland Pakistan. "Wir können keinen Erfolg haben ohne eine gutes Maß an Erfolg in Pakistan", sagte der Diplomat Ryan Crocker am 8. Juni bei einer Anhörung im Senat in Washington, der seiner Ernennung zustimmen muss. Die USA müssten sicherstellen, dass die Extremisten nicht Unterschlupf auf der anderen Seite der Grenze fänden. Daher wolle er eng mit seinem künftigen Kollegen in Islamabad, Cameron Munter, sowie dem US-Sondergesandten für Afghanistan und Pakistan, Marc Grossman, zusammenarbeiten, sagte Crocker, der von 2004 bis 2007 selbst Botschafter in Pakistan war.
  • Bei einem Anschlag auf einen Armeestützpunkt in Pakistan sind acht Soldaten und ein Dutzend Talibankämpfer ums Leben gekommen. Mehr als hundert bewaffnete Taliban hätten den Posten in Marubi in Südwaziristan an der Grenze zu Afghanistan gegen Mitternacht (8. auf 9. Juni) angegriffen, teilten örtliche Sicherheitsbeamte mit. Es habe einen mehr als dreistündigen Schusswechsel gegeben. Die Angreifer verwendeten Raketenwerfer und Sturmgewehre. Neben den acht getöteten Soldaten seien zudem zehn verletzt worden.
  • Bei einem bewaffneten Angriff auf eine Hochzeitsgesellschaft im Osten von Afghanistan sind neun Menschen getötet und mindestens fünf weitere verletzt worden. Nach Angaben der Behörden in Dur Baba in der Provinz Nangarhar stürmten Bewaffnete das Haus, in dem die Feier stattfand, in der Nacht zum Donnerstag (9. Juni). Unter den Toten waren demnach auch Frauen und Kinder. Der Bräutigam sei mit dem Verwaltungschef der entlegenen Region Dur Baba verwandt gewesen. Außerdem hätten die Angreifer zunächst einen der Hochzeitsgäste festgehalten und ihm Spionage für die USA vorgeworfen.
  • Die NATO hält an dem Ziel fest, bis Ende des Jahres 2014 seine Truppen aus Afghanistan abzuziehen. "Ich bin zuversichtlich, dass wir die Übergabe der Verantwortung für die Sicherheit an die Afghanen bis Ende 2014 abschließen können", sagte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am 9. Juni in Brüssel. Allerdings hänge das Ende des Einsatzes "von den Bedingungen ab, nicht von Daten". Am zweiten Tag ihres Treffens im Hauptquartier der Militärallianz in Brüssel berieten die NATO-Verteidigungsminister mit den Partnerländern, die sich ebenfalls an dem Einsatz am Hindukusch beteiligen.
  • Etwa 2.000 Soldaten vom Bundeswehrstandort Munster sind am 9. Juni bei einem feierlichen Appell auf dem Rathausplatz in den Einsatz nach Afghanistan verabschiedet worden. Ab Ende Juni werden die Soldaten der Panzerlehrbrigade 9 für acht Monate in Kabul, Faisabad, Kundus sowie Masar-i-Scharif tätig sein. "Wir verabschieden Sie in einen herausfordernden und gefährlichen Einsatz", sagte der Bürgermeister von Munster, Adolf Köthe (parteilos). An dem Appell, bei dem 400 Soldaten in Vertretung antraten, nahmen auch der niedersächsische Landtagspräsident Hermann Dinkla und Innenminister Uwe Schünemann (beide CDU) teil. "Es ist ein gefährlicher Einsatz, in den Sie gehen. Wir sprechen heute zu Recht von einem Krieg in Afghanistan und der Krieg hat, so notwendig Ihr Einsatz ist, immer ein ungerechtes und grausames Gesicht", sagte Dinkla.
  • Der Einsatz der deutschen Soldaten in Afghanistan hat im Jahr 2010 nach dem Haushaltsabschluss fast 1.082 Millionen Euro gekostet. Das sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums (BMVg) der Nachrichtenagentur dapd auf Nachfrage. Somit wurde die Teilnahme am ISAF-Einsatz (International Security Assistance Force) mehr als 70 Millionen Euro teurer als ursprünglich geplant. Für 2010 waren dem Bundestag zunächst 785 Millionen Euro angekündigt, die dann wegen der Ausweitung des Einsatzes um 226 Millionen Euro erhöht wurden.
    Experten kritisieren die Aufstellung der "einsatzbedingten Zusatzausgaben" durch das Verteidigungsministeriums seit langem. Nach Einschätzung des Leiters der Abteilung für Entwicklung und Sicherheit im Berliner Wirtschaftsforschungsinstitut DIW, Tilman Brück, "sind sowohl die finanzpolitischen als auch die allgemein wirtschaftspolitischen Kosten der deutschen Beteiligung am Krieg in Afghanistan höher als die Zahlen des BMVg". Nach Brücks Analyse summieren sich die tatsächlichen Ausgaben des Verteidigungsministeriums, die Mittel der anderen Ressorts und weitere einsatzbedingte Kosten auf bis zu 3 Milliarden Euro pro Jahr. (dapd, 10. Juni.)
  • Die US-Armee will laut einem Zeitungsbericht 80 Beamte der Spionageabwehr nach Afghanistan schicken, um die Infiltration der afghanischen Sicherheitskräfte durch Taliban-Kämpfer zu bekämpfen. Wie die "New York Times" am 10. Juni unter Berufung auf nicht näher genannte Armeevertreter berichtete, sollen die US-Experten die Sicherheitsüberprüfung von afghanischen Rekruten unterstützen, die Profile von Soldaten in Ausbildung überprüfen und herausfinden, bei welchen Soldaten die Gefahr besteht, dass sie sich von den radikalislamischen Taliban anwerben lassen.
  • Zwei französische Soldaten sind nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Paris bei Unfällen in Afghanistan getötet worden. Einer sei seinen Verletzungen erlegen, die er beim Absturz eines Hubschraubers nördlich von Kabul erlitten habe. Ein anderer Soldat sei gestorben, nachdem seine Waffe losgegangen sei, während er sich auf der Fahrt in einem gepanzerten Fahrzeug östlich der Hauptstadt befunden habe, teilte das Verteidigungsministerium am 11. Juni mit.
    Beide Vorfälle ereigneten sich bereits am 10. Juni. Damit sind seit dem Sturz des Taliban-Regimes 61 französische Soldaten in Afghanistan ums Leben gekommen. Frankreich hat rund 4.000 Soldaten in dem Land stationiert.
  • Mehrere Bombenanschläge haben am 11. Juni in Afghanistan mindestens 21 Menschen das Leben gekostet. Der folgenschwerste Anschlag ereignete sich im Bezirk Chakres in der südafghanischen Provinz Kandahar. Dort tötete nach Polizeiangaben eine am Straßenrand abgelegte Bombe alle 16 Insassen eines Kleinbusses, darunter acht Kinder. Polizeichef Abdul Rasik machte die Taliban für die Tat verantwortlich. Ziel der Bombe seien afghanische oder NATO-Truppen gewesen, sagte er.
    Im Osten Afghanistans wurden bei einem Selbstmordanschlag vier Menschen getötet, darunter drei Polizisten. 25 weitere Menschen wurden verletzt. Der Täter sprengte sich vor einem Polizeigebäude in der Provinz Chost in die Luft. Unter den Toten war nach Angaben des Chefs der Provinzpolizei der örtliche Kommandeur einer Kommandoeinheit, Mohammed Sahir Chan. In der Hauptstadt der Provinz Ghasni tötete ein Selbstmordattentäter ein Kind, drei weitere wurden verletzt. Der Täter schob nach Polizeiangaben einen Wagen zum Verkauf von Eiskrem.
  • Laut einem am 11. Juni veröffentlichten Bericht der UN-Mission in Afghanistan (UNAMA) kamen in dem Konflikt in Afghanistan im Mai 368 Zivilpersonen gewaltsam ums Leben, 593 wurden verletzt. Der vergangene Monat war damit der blutigste für Zivilpersonen seit 2007. Die UN machten Aufständische für 82 Prozent der Todesopfer verantwortlich, internationale und afghanische Truppen für zwölf Prozent. Auf NATO-Luftangriffe waren drei Prozent der Todesopfer zurückzuführen.
Montag, 13. Juni, bis Sonntag, 19. Juni
  • Bei einem Anschlag im Süden Afghanistans ist ein NATO-Soldat getötet worden. Nach Angaben der internationalen Schutztruppe vom 13. Juni fand der Angriff Aufständischer am 12. Juni statt. Details, auch zur Nationalität des Soldaten, wurden nicht mitgeteilt. In diesem Monat sind damit 25 NATO-Soldaten in Afghanistan getötet worden, insgesamt in diesem Jahr 231.
  • Die Deutsche Welthungerhilfe, die trotz zunehmender Gewalt an ihrer Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan festhält, sieht sich durch die jüngste Entwicklung in ihrer Ansicht bestätigt, dass erst nach Ende der militärischen Auseinandersetzungen die eigentliche Aufbauarbeit Erfolg haben könne. Bärbel Dieckmann, Präsidentin der Welthungerhilfe, sagte in einem Gespräch mit der "Leipziger Volkszeitung" (Ausgabe vom 14. Juni): "Wir werden länger in Afghanistan bleiben als die Bundeswehr. Afghanistan zeigt, dass Entwicklung nicht allein über militärische Auseinandersetzungen zu gewinnen ist." Für ihre Organisation, die in der Provinz Nangarhar ein Vorzeigeprojekt ins Leben gerufen hat, das Bauern beim Anbau von Rosen und bei der Herstellung von Rosenöl unterstützt, sei das Ende der Unterstützungsarbeit dann erreicht, "wenn das Leben unserer Mitarbeiter in besonderer Weise gefährdet ist". Das sei momentan in Afghanistan nicht so, trotz aller schmerzhaften Vorkommnisse. "Die eigentliche Arbeit der Entwicklungsorganisationen wird aber erst einsetzen nach Ende der militärischen Auseinandersetzungen. Deshalb werden wir in Afghanistan bleiben", sagte Frau Dieckmann. (ots, 13. Juni.)
  • Knapp vier Monate nach einem brutalen Angriff auf eine Bank in Afghanistan mit 38 Toten hat der Oberste Gerichtshof des Landes zwei Männer zum Tode verurteilt. Es handle sich um einen Pakistaner, der an dem Anschlag beteiligt gewesen sei, sowie um einen afghanischen Komplizen, sagte ein Gerichtssprecher am 14. Juni. Ein dritter Täter erhielt 20 Jahre Haft.
    Fünf in Polizei- und Armeeuniformen gekleidete Selbstmordattentäter hatten am 19. Februar eine Filiale der Kabul Bank in der afghanischen Stadt Dschalalabad gestürmt und bei einer mehrstündigen Schießerei zahlreiche unbewaffnete Zivilisten erschossen. Von den Angreifern konnte lediglich der jetzt zum Tode verurteilte Pakistaner lebend ergriffen werden.
    Zu der Tat hatten sich die Taliban bekannt. In einem mutmaßlichen Bekennervideo hatte der Pakistaner erklärt, es "genossen" zu haben, die Menschen zu erschießen, von denen er annahm, sie seien Ausländer.
  • Wegen der fahrlässigen Tötung eines afghanischen Zivilisten ist ein früherer Mitarbeiter der umstrittenen US-Sicherheitsfirma Blackwater zu 37 Monaten Haft verurteilt worden. Wie das US-Justizministerium am 14. Juni mitteilte, sah es ein Bundesgericht in Virginia als erwiesen an, dass der 31-Jährige bei einem Zwischenfall in Kabul im Mai 2009 "rücksichtslos" auf Unbewaffnete schoss und dabei einen Passanten in einem vorbeifahrenden Auto tötete. In einem zweiten Prozess soll demnach Ende Juni ein weiteres Urteil gegen einen 29 Jahre alten Ex-Kollegen des Mannes gesprochen werden.
    Die US-Staatsanwaltschaft hatte beiden Männern vorgeworfen, nach einem nächtlichen Verkehrunfall eines Blackwater-Wagens in der afghanischen Hauptstadt Kabul mit ihren Pistolen ein Auto beschossen zu haben, das sich dem Unfallort näherte. Dabei wurde ein Insasse des Wagens getötet, der Fahrer wurde verletzt. Zudem wurde ein Fußgänger erschossen. Die beiden Blackwater-Angestellten gaben nach dem Vorfall an, zum Selbstschutz geschossen zu haben. Das private Sicherheitsunternehmen hatte in Afghanistan im Auftrag der US-Regierung gearbeitet und firmiert mittlerweile unter dem Namen Xe.
  • Die Bundeswehr will für Soldaten im Afghanistan-Einsatz Helmkameras anschaffen. Oberstleutnant Jörg Langer bestätigte gegenüber dem Medienmagazin "ZAPP" am 15. Juni, "dass die Helmkameras in einem offiziellen Beschaffungsgang sind, das heißt die Bundeswehr diese Kameras kauft und dann in den Einsatz bringen wird." Im Interview mit "ZAPP" äußerte der Pressesprecher des Einsatzführungskommandos außerdem, dass es dabei unter anderem darum ginge, dass der Zuschauer sich ein Bild vom Einsatz machen könne. Ausgewählte Videos vom Afghanistan-Einsatz sollen laut Langer veröffentlicht werden. Auf verschiedenen Internet-Plattformen sind schon jetzt Helmkamera-Videos von US-Soldaten zu sehen, die Kampfbilder, Schießereien sowie Verwundungen und Soldaten in Angst zeigen. Die Ästhetik der Bilder erinnert durch die subjektive Kameraführung an PC-Videospiele.
  • Roshan, Afghanistans führender Telekommunikationsanbieter, gab am 15. Juni bekannt, dass das Unternehmen der erste Mobilfunknetzbetreiber in Afghanistan sei, der mehr als fünf Millionen aktive Teilnehmer vorweisen kann. 2003, als das wegbereitende Arbeit leistende Unternehmen sein Netzwerk einführte, waren es 30.000 Teilnehmer. Das Erreichen dieses Meilensteins macht erneut deutlich, dass Roshan sowohl hinsichtlich der Teilnehmerzahl als auch der Zahl der verkauften SIM-Karten der führende Telekommunikationsanbieter in Afghanistan ist.
  • Die Bundesregierung stemmt sich einem Bericht zufolge gegen die Veröffentlichung von Informationen über die Kosten des umstrittenen Bundeswehrstützpunkts Termes in Usbekistan. Auf Bitten des Verteidigungsministeriums habe die Bundestagsverwaltung entsprechende Zahlen aus der Internetversion einer bereits veröffentlichten Parlamentsdrucksache entfernt, berichtete die Süddeutsche Zeitung am 15. Juni. Demnach zahlt die Bundesrepublik nach einem neuen Abkommen für die Nutzung des Stützpunkts an der Grenze zu Afghanistan jährlich knapp 16 Millionen Euro. (Siehe hierzu ausführlich: Angeblich "sensible Daten" zum Geheimnis erklärt und aus einem Bundestagsprotokoll entfernt.)
  • In Afghanistan sind der Innenminister und einer der beiden Vize-Präsidenten einem Raketenanschlag entgangen. Der Angriff richtete sich nach Angaben der Behörden gegen eine Polizeizentrale in der zentralafghanischen Stadt Tschaki Wardak in der unruhigen Provinz Wardak. Im dortigen Ausbildungszentrum hatten kurz zuvor Innenminister Besmullah Mohammadi und Vizepräsident Karim Chalili, einer der beiden Stellvertreter von Staatschef Hamid Karsai, an einem Treffen zu Sicherheitsfragen teilgenommen. Nach dem Ende der Beratungen sei unweit des Gebäudes eine Rakete eingeschlagen, sagte ein Sprecher der Provinzbehörden am 15. Juni. Niemand sei verletzt worden. "Eine Rakete von Feinden Afghanistans landete dort, wo der Innenminister, der zweite Vizepräsident und Provinzvertreter sich versammelt hatten, um ein neues Trainingszentrum der Polizei einzuweihen", sagte der stellvertretende Sprecher des Innenministeriums Nadschib Niksad.
  • Die Sicherheitslage im Norden Afghanistans ist laut einem Bericht der "Bild"-Zeitung offenbar deutlich dramatischer als von der Bundeswehr und vom Verteidigungsministerium dargestellt. Die Zeitung zitierte am 16. Juni aus als geheim eingestuften internen Bewertungen der Bundeswehr in Afghanistan, in denen es heiße, die Taliban seien "unverändert im Raum vorhanden". Ein "Anstieg" von Bombenanschlägen auf die Deutschen werde in den Dokumenten "als wahrscheinlich" bewertet. Die Hauptbedrohung werde dabei vermutlich von versteckten Sprengsätzen ausgehen, heißt es demnach in den Dokumenten.
  • In den pakistanischen Stammesgebieten haben hunderte afghanische Kämpfer nach Angaben örtlicher Behörden ein Dorf angegriffen und mindestens fünf Zivilisten getötet. Zwischen 250 und 300 Aufständische hätten in der Nacht zum 16. Juni die Grenze von Afghanistan nach Pakistan überquert und die Bewohner des Dorfes Mamoond angegriffen, sagte ein Behördenvertreter des Bezirks Bajaur, der an die afghanische Provinz Kunar grenzt. Mindestens drei Männer und zwei Frauen seien getötet worden. Zudem seien drei Frauen verletzt worden. Der Angriff ereignete sich demnach 65 Kilometer nordwestlich der Bezirkshauptstadt Khar.
  • Der Kommandeur der US-Truppen in Afghanistan, General David Petraeus, hat Präsident Barack Obama verschiedene Optionen für Rückzug der amerikanischen Truppen vorgelegt, der im kommenden Monat beginnen soll. Obamas Sprecher Jay Carney sagte zu dem Treffen des Nationalen Sicherheitsrats am 15. Juni im Weißen Haus, es seien mehrere Szenarien diskutiert worden. "Dies war eine Frage der Optionen, nicht einer Option", betonte Carney laut dapd vom 17. Juni. Mitarbeiter des Weißen Hauses wollten sich nicht zu Details dieser Optionen äußern. Die Konsultationen würden fortgesetzt, sagte Carney, Obama wolle in Kürze seine Entscheidung bekannt geben.
    Der Krieg in Afghanistan ist im zehnten Jahr. Die USA haben rund 100.000 Soldaten in dem Land stationiert, dreimal so viel als zu der Zeit, als Obama Präsident wurde. Ende 2009 hatte Obama 30.000 Soldaten nach Afghanistan entsandt und dabei angekündigt, der Rückzug sollte im Juli dieses Jahres beginnen.
  • Am 17. Juni ist Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) zu einem Truppenbesuch an den Hindukusch gereist. Auf den Stützpunkten Masar-i-Scharif und Kundus gedachte der Minister der Getöteten und informierte sich über die Lage vor Ort, wie das Verteidigungsministerium in Berlin mitteilte. Der Besuch war öffentlich zuvor nicht angekündigt worden. "Ich bin heute hierher gekommen, ohne Begleitung, ohne Presse, um ein ungeschminktes Bild von der Lage zu erhalten", sagte de Maizière nach Angaben des Ministeriums vor Soldaten im Hauptquartier Masar-i-Scharif. Vor dem Flug nach Afghanistan hatte er im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz die bei den jüngsten Anschlägen verwundeten Soldaten besucht. In den vergangenen drei Wochen waren bei einer Attentatsserie vier deutsche Soldaten in Nordafghanistan getötet worden.
    Der Minister nutzte den Besuch, um die Soldaten über die geplante umfassende Reform der Bundeswehr zu informieren. "Ich bitte Sie, bei der Neuausrichtung aktiv mitzumachen, und zwar nicht, weil sie müssen, sondern weil Sie wollen", sagte de Maizière nach Ministeriumsangaben in Masar-i-Scharif. "Wichtig bei der Neuausrichtung der Bundeswehr ist, dass wir Mentalitäten und Denkweisen positiv ändern."
  • Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat Afghanistan-Hilfen in Höhe von 70 Millionen Dollar (50 Millionen Euro) nach dem Beinahe-Kollaps der größten Privatbank des Landes gestoppt. Ein Regierungsberater sagte am 17. Juni, dies sei ein Problem für die Regierung und für das Land, der Schritt aber erwartet worden. In einer Erklärung vom IWF hieß es, es gebe noch wichtige Punkte, die angegangen werden müssten. Wie schnell die Gelder freigegeben würden, hänge von den Behörden ab. Die Kabul-Bank verwaltet die Gehälter für Regierungsangestellte, Soldaten und die Polizei in Afghanistan.
    Nach Vorwürfen des Missmanagements, der Vetternwirtschaft und fragwürdiger Kreditvergabepraktiken wurde das größte Kreditinstitut Afghanistans der Kontrolle der afghanischen Zentralbank unterstellt. Die Krise bei der Kabul-Bank begann im vergangenen Jahr, als bekannt wurde, dass Millionen Dollar an fragwürdigen Krediten an Anteilseigner vergeben wurde, darunter den Bruder des Präsidenten Hamid Karsai. Einige nutzten die Darlehen, um Luxus-Anwesen in Dubai zu bauen oder in riskante Prestigeprojekte wie eine Fluglinie und Einkaufszentren in Kabul zu investieren.
  • Im Bemühen um ein Ende des Afghanistan-Konflikts nimmt die UNO künftig eine schärfere Trennung zwischen den Taliban und dem Terrornetzwerk El Kaida vor. Der UN-Sicherheitsrat beschloss am 17. Juni, in Zukunft für beide Gruppen getrennte Sanktionslisten zu führen. Mit den UN-Resolutionen 1988 und 1989 werden Mitglieder der radikalislamischen Taliban und der Terrororganisation El Kaida künftig auf getrennten Sanktionslisten geführt statt wie bisher auf einer gemeinsamen Liste. Die Strafmaßnahmen, wie etwa das Einfrieren von Vermögen oder Reiseverbote, bleiben aber unverändert.
    Mit der neuen Regelung will der Westen auf die unterschiedlichen Strukturen und Zielsetzungen beider Gruppen reagieren: Während El Kaida vor allem auf den weltweiten "Heiligen Krieg" gegen den Westen abzielt, konzentrieren sich die Taliban auf den Kampf im eigenen Land.
    Die verabschiedeten Resolutionen sendeten eine "klare Botschaft an die Taliban", sagte die UN-Botschafterin der USA, Susan Rice: "Es gibt eine Zukunft für diejenigen, die El Kaida den Rücken kehren, der Gewalt abschwören und die afghanische Verfassung respektieren." Der deutsche UN-Botschafter Peter Wittig, der dem Sanktionskomitee vorsitzt, sprach von einem "starken Signal des Vertrauens und der Unterstützung des Friedens und der Versöhnungsbemühungen der afghanischen Regierung".
  • Afghanistan und die USA führen nach Angaben des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai Friedensverhandlungen mit den Taliban. Es ist die erste offizielle Bestätigung solcher Gespräche zur Beendigung des jahrelangen Konflikts. "Friedensgespräche (mit den Taliban) haben bereits begonnen und es läuft gut", sagte Karsai am 18. Juni in Kabul. Vertreter ausländischer Streitkräfte, insbesondere der USA, seien bei den Verhandlungen führend, sagte der Präsident. Vertreter der US-Botschaft in Kabul waren für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. Karsai machte Taliban-Anhängern schon zuvor Friedensangebote. Die Extremisten hatten das Land vor der US-Invasion 2001 fünf Jahre lang regiert und während dieser Zeit auch das Terrornetzwerk Al-Kaida beherbergt.
  • Das US-Außenministerium hat am 18. Juni einen Kommentar zu Berichten abgelehnt, wonach Washington Friedensgespräche mit den afghanischen Taliban führt. Eine Sprecherin des Ministeriums sagte lediglich, dass es im Zuge des Versöhnungsprozesses in Afghanistan auf "zahlreichen Ebenen" ein "breites Spektrum an Kontakten in ganzen Land und in der ganzen Region" gebe.
  • Bei einem Angriff von Aufständischen ist ein NATO-Soldat in Afghanistan getötet worden. Damit stieg die Zahl der am 18. Juni in Afghanistan ums Leben gekommenen Soldaten des Militärbündnisses auf acht. Zuvor hatte die NATO bereits erklärt, dass bei Kämpfen am 18. Juni drei NATO-Soldaten ums Leben gekommen seien.
    Bei einem Verkehrsunfall im Süden Afghanistans waren am 18. Juni vier Soldaten der NATO getötet worden. Der Unfall habe in keinem Zusammenhang mit Kämpfen gestanden, teilte das Militärbündnis am Sonntag mit. Über Einzelheiten, wie es zu dem Unfall gekommen war, machte NATO-Sprecher Tim James keine Angaben.
  • US-Verteidigungsminister Robert Gates hat Kontakte des US-Außenministeriums zu den Taliban in Afghanistan bestätigt. "Bei einer Reihe von Ländern gab es den Willen zu Gesprächen mit den Taliban, die USA eingeschlossen", sagte Gates am 19. Juni dem US-Sender CNN. Die Kontakte befänden sich allerdings noch im Anfangsstadium. Entscheidend sei es zunächst herauszufinden, "wer die Taliban tatsächlich vertritt". "Wir wollen uns schließlich nicht in Verhandlungen mit jemandem wiederfinden, der auf eigene Kappe arbeitet" und nur behauptet, im Namen von Taliban-Chef Mullah Omar zu sprechen, sagte der scheidende Verteidigungsminister.
  • Bundesentwicklungshilfeminister Dirk Niebel ist am 19. Juni zu einem Besuch in Afghanistan eingetroffen. Er wurde wie auch bei seiner vorherigen Station in Pakistan von EU-Entwicklungskommissar Andris Piebalgs begleitet, wie sein Ministerium mitteilte. In Kabul wollten Niebel und Piebalgs Präsident Hamid Karsai sowie Vertreter der Zivilgesellschaft treffen.
  • Bei einem Anschlag auf einen Bundeswehrkonvoi nahe der nordafghanischen Stadt Kundus sind mindestens zwei Menschen getötet worden. Nach Angaben der Bundeswehr erlitten zwei deutsche Soldaten leichte Verletzungen. Nach Angaben des afghanischen Innenministeriums sprengte sich ein Selbstmordattentäter in Kundus am 19. Juni mit seinem Auto in die Luft, während ein Konvoi mit ausländischen Soldaten vorbeifuhr. Dabei seien drei Zivilisten getötet und mehrere weitere verletzt worden. Ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Potsdam bestätigte, dass es sich um einen deutschen Konvoi handelte. Seinen Informationen zufolge seien zwei afghanische Zivilisten umgekommen. Einen Bericht der Zeitung "Die Welt", wonach der Anschlag dem deutschen Kommandeur des Feldlagers Kundus, Oberst Norbert Sabrautzki, galt, bezeichnete der Sprecher als "spekulativ". Sabrautzki war laut dem Einsatzführungskommando mit dem Konvoi auf dem Weg zu einem Sicherheitstreffen mit örtlichen Würdenträgern, als dieser rund drei Kilometer nordwestlich von Kundus von dem Selbstmordattentäter angegriffen wurde. Zwei gepanzerte Fahrzeuge vom Typ Dingo 2 wurden demnach beschädigt.
    Die Taliban haben sich am 19. Juni zu einem Anschlag auf einen Bundeswehrkonvoi in Kundus bekannt.
Montag, 20. Juni, bis Sonntag, 26. Juni
  • Ein Jahrzehnt nach dem Beginn des bewaffneten Bundeswehreinsatzes in Afghanistan hat der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, eine kritische Zwischenbilanz gezogen. Gegenüber der "Leipziger Volkszeitung" (Ausgabe vom 20. Juni) sagte Löning, den Regierenden in Afghanistan "fehlt es an der Macht, teilweise auch am Willen, rechtsstaatliche Strukturen und grundlegende Versorgungsleistungen zu gewährleisten". "Gerade in ländlichen Regionen haben viele Menschen keinen Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung. Die Lage der Frauen in der konservativ-islamischen Gesellschaft bleibt schwierig", bilanzierte Löning.
    Allerdings habe sich "in Teilen" die menschenrechtliche Situation der Menschen in Afghanistan seit dem Ende der Herrschaft der Taliban durchaus auch verbessert. Das gelte vor allem für die Situation von Frauen und Mädchen. "Mädchen können wieder zur Schule, Frauen werden nicht mehr systematisch unterdrückt und menschenverachtend behandelt", hob Löning hervor. Andererseits sei die persönliche Sicherheit vieler Menschen in Afghanistan weiterhin gefährdet. "Der Staat ist bislang nicht in der Lage, seine Bürger effektiv gegen gewaltsame Übergriffe von Aufständischen zu schützen."
    Kritisch äußerte sich Löning auch zur Menschenrechtslage in Usbekistan. Den usbekischen Luftwaffenstützpunkt Termes finanziert die Bundesregierung derzeit jährlich mit knapp 16 Millionen Euro, um von da aus die Versorgungsflüge zu den Bundeswehrtruppen im benachbarten Afghanistan zu organisieren. Löning nannte die allgemeine Menschenrechtssituation in Usbekistan "sehr unerfreulich". (Siehe hierzu: Kuscht das Verteidigungsministerium vor dem Regime in Usbekistan?)
  • Bei Raketenangriffen mit zwei US-Drohnen auf Stammesgebiete im Nordwesten Pakistans sind am 20. Juni sechs mutmaßliche afghanische Taliban-Kämpfer getötet worden. Nach Angaben aus pakistanischen Sicherheitskreisen griffen die unbemannten Flugobjekte Mitglieder des mit El Kaida verbundenen Haqqani-Netzwerks im Bezirk Kurram nahe der Grenze zu Afghanistan an. Bei dem Beschuss eines Autos und eines Geländes seien jeweils drei Menschen ums Leben gekommen. Der Bezirk Kurram grenzt an die ostafghanische Provinz Paktia, die als Hochburg und Rückzugsraum militanter Islamisten gilt. Die USA fliegen immer wieder Drohnenangriffe auf Aufständische in der Region.
  • Vier Monate nach einem blutigen Angriff auf eine Bank in Afghanistan mit 38 Toten sind zwei Taliban-Kämpfer hingerichtet worden. Die vor knapp einer Woche gesprochenen Todesurteile seien am 20. Juni vollstreckt worden, teilten die afghanischen Behörden mit. In einer Erklärung des Geheimdienstes hieß es, Staatschef Hamid Karsai habe persönlich seine Einwilligung zur Vollstreckung der Urteile gegeben. Auf welche Art die beiden Männer hingerichtet wurden, teilten die Behörden nicht mit.
  • Bundesentwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) sieht Gespräche zwischen dem Westen und den radikal-islamischen Taliban als Voraussetzung für Frieden in Afghanistan. "Diese Gespräche sind notwendig, um eine friedliche Lösung des Konfliktes zu erreichen", sagte Niebel der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Ausgabe vom 22. Juni) laut Vorabbericht. Niebel sagte, mit fanatischen Gotteskriegern könne der Westen zwar nicht verhandeln. "Aber es gibt auch Gemäßigte, die in Afghanistan in die falschen Kreise gekommen sind und trotzdem viel Einfluss haben", sagte der Minister. "Ich denke, hier gibt es Ansprechpartner, die ein vernünftiges und friedliches Zusammenleben schaffen können." Niebel betonte, die letzten Deutschen würden noch lange über das Jahr 2014 hinaus in Afghanistan engagiert sein. "Selbst wenn die letzten Kampftruppen aus Afghanistan abgezogen sind, wird es weiter die Notwendigkeit zur Ausbildung der Sicherheitskräfte geben. Und wir werden sicherlich noch sehr weit über 2014 hinaus mit Entwicklungsexperten in Afghanistan tätig sein", sagte Niebel.
  • Bei einem Angriff auf einen Polizeiposten in Afghanistan sind mindestens sechs Beamte ums Leben gekommen. Der Kontrollpunkt im Bezirk Karabagh in der Provinz Ghasni südwestlich von Kabul sei von Aufständischen angegriffen worden, sagte ein Vertreter des afghanischen Geheimdienstes am 22. Juni. Bei dem Feuergefecht seien sechs Polizisten getötet worden. Der Vizegouverneur von Ghasni, Mohammed Ali Ahmadi, bestätigte die Opferzahl. Zu dem Angriff bekannten sich die radikalislamischen Taliban.
  • Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier ist am 22. Juni zu einem Besuch in Afghanistan eingetroffen. In der Hauptstadt Kabul sollte Steinmeier mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai zusammentreffen, sagte ein SPD-Fraktionssprecher in Berlin. Der Fraktionschef wolle sich bei dem dreitätigen Besuch ein aktuelles Bild von der Lage machen. Weitere Stationen der Reise wurden aus Sicherheitsgründen zunächst nicht mitgeteilt.
  • Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hat den geplanten schrittweisen Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan als Wendepunkt bezeichnet. "Das ist eine neue Phase in der Afghanistanpolitik", die "in diesen Tagen offenkundig wird", sagte Westerwelle am 22. Juni in Berlin angesichts der bevorstehenden Rede von US-Präsident Barack Obama zu den Abzugsplänen für die US-Truppen am Hindukusch. Die Rückführung der Truppen sei der Beginn eines Strategiewechsels in Afghanistan, sagte der Minister. Zur Abzugsperspektive für die deutschen Truppen wollte Westerwelle keine konkreten Angaben machen.
  • US-Präsident Barack Obama will im Mai 2012 einen NATO-Gipfel zum Militäreinsatz in Afghanistan veranstalten. Das Treffen soll am Rande des Gipfels der acht bedeutendsten Wirtschaftsnationen (G-8) in Obamas Heimatstadt Chicago stattfinden, wie aus Regierungskreisen am 22. Juni in Washington verlautete. Der Präsident werde den NATO-Gipfel in seiner Afghanistan-Rede am Mittwochabend (Ortszeit, 22. Juni) offiziell ankündigen, hieß es. Die Allianz hatte Ende vergangenen Jahres auf ihrem Gipfel in Lissabon beschlossen, bis Ende 2014 alle Kampftruppen aus Afghanistan abzuziehen. Im gleichen Zeitraum soll die Sicherheitsverantwortung an einheimische Kräfte übergehen. Anfang Dezember 2011 findet in Bonn eine Afghanistan-Konferenz statt, bei der die Staatengemeinschaft über den Wiederaufbau des Landes und das weitere internationale Engagement am Hindukusch beraten will.
  • Knapp zehn Jahre nach Beginn des Afghanistan-Einsatzes der USA hat Präsident Barack Obama am 22. Juni (Ortszeit) den Beginn des Truppenabzugs angekündigt: Binnen eines Jahres soll ein Drittel der am Hindukusch stationierten US-Soldaten heimkehren, wie Obama sagte. Während die Verbündeten die Pläne begrüßten, sprachen die radikalislamischen Taliban von einem "ausschließlich symbolischen Akt". Obama sagte in einer Rede an die Nation, die US-Truppenstärke solle bis Ende dieses Jahres um 10.000 US-Soldaten verringert werden, bis zum Sommer 2012 sollen insgesamt 33.000 Soldaten heimkehren. Nach diesem ersten Teilabzug werde die Zahl der US-Soldaten konstant weiter zurückgefahren. Im Jahr 2014 werde dann der Übergabeprozess an die afghanischen Sicherheitskräfte vollzogen sein. Der US-Präsident warb für eine "politische Lösung" in Afghanistan unter Einbeziehung der Taliban, sollten diese der Gewalt abschwören und sich von El Kaida lossagen.
  • Die kanadische Regierung hat 4000 bislang geheime Dokumente veröffentlicht, in denen es um den Vorwurf geht, Soldaten des Landes hätten die Folter von Verdächtigen in Afghanistan durch heimische Sicherheitskräfte in Kauf genommen. "Diese Dokumente zeigen eindeutig, dass es keine glaubhaften Vorwürfe gegen die kanadischen Streitkräfte gibt", sagte Verteidigungsminister Peter MacKay am Mittwoch (22. Juni Ortszeit). "Zu jedem Zeitpunkt haben unsere Streitkräfte Taliban-Gefangene in Übereinstimmung mit dem internationalen Recht behandelt."
  • Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hat die von US-Präsident Barack Obama bekanntgegebenen Pläne für den Abzug von US-Soldaten aus Afghanistan begrüßt. Nun werde die Abzugsperspektive konkret, erklärte Westerwelle am 23. Juni. Daran hätten die internationale Gemeinschaft und auch Deutschland seit mehr als einem Jahr "hart gearbeitet". Es sei auch das Ziel Deutschlands, "Ende diesen Jahres unser eigenes deutsches Truppenkontingent erstmalig reduzieren zu können", erklärte Westerwelle, der am Morgen des 23. Juni zu einem zweitägigen Besuch im Sudan eintraf.
  • Der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, hat nach der von US-Präsident Barack Obama angekündigten Truppenreduzierung in Afghanistan bis 2012 vor voreiligen Abzugsversprechen gewarnt. "Natürlich kann man jetzt schon beginnen mit dem Abzug", sagte Nouripour am 23. Juni im ARD-"Morgenmagazin". Wann amerikanische und auch deutsche Truppen das Land endgültig verlassen könnten, sei aber weiterhin nicht zu prognostizieren. Auch nach der Rede Obamas sei "die Lage nicht wirklich übersichtlicher geworden", kritisierte er. So sei weiter unklar, was nach einem Abzug in Afghanistan passiere. Die Bundesregierung müsse nun erklären, wie das deutsche Engagement in Afghanistan weiter gehe.
  • Nach der Ankündigung von US-Präsident Barack Obama zum Beginn des Truppenabzugs aus Afghanistan hat auch Frankreich einen "schrittweisen Abzug" seiner Streitkräfte bekannt gegeben. Der Umfang und der Zeitplan des Abzugs solle sich an dem der US-Streitkräfte orientieren, erklärte das Büro des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy am 23. Juni.
  • Nach der Ankündigung von US-Präsident Barack Obama zum Beginn des Truppenabzugs aus Afghanistan haben die Grünen von der Bundesregierung einen Zeitplan für den Rückzug der Bundeswehr verlangt. Die Regierung müsse spätestens im Herbst einen "klaren und konkreten Abzugsplan" für die deutschen Soldaten vorlegen und den Abzug bis Jahresende einleiten, forderten Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin und sein Stellvertreter Frithjof Schmidt am 23. Juni in Berlin. "Die Zeit vager Floskeln und schwammiger Ankündigungen muss spätestens nach der Rede Obamas vorbei sein", forderten sie. Der Einsatz der Bundeswehr müsse bis 2014 beendet werden.
  • US-Generalstabschef Mike Mullen hat vor Risiken bei der von Präsident Barack Obama vorgelegten Abzugsstrategie für Afganistan gewarnt. Obamas Pläne seien "aggressiver und risikoreicher als ich zunächst zu akzeptieren bereit war", sagte Mullen am 23. Juni vor dem Kongress in Washington. "Mehr Kräfte über eine längere Zeit sind zweifelsohne der sicherere Kurs." Allerdings sei eine stärkere Präsenz nicht immer der beste Weg, räumte Mullen ein. "Nur der Präsident kann am Ende über das annehmbare Maß an Risiko entscheiden, das wir in Kauf nehmen müssen. Und ich denke, das hat er getan."
  • Der britische Außenminister William Hague hat Kontakte seiner Regierung zu den Taliban in Afghanistan bestätigt. Es gebe solche Kontakte, aber der Prozess werde von den Afghanen geführt, sagte der Minister am 23. Juni in Islamabad. Die Kontakte befänden sich allerdings noch im Anfangsstadium.
  • US-Präsident Barack Obama hat sich bei der Abzugsstrategie in Afghanistan nach Worten seines Verteidigungsministers Robert Gates auch von der kriegsmüden Stimmung in der heimischen Bevölkerung leiten lassen. Die Entscheidung spiegele "nicht nur die Situation vor Ort in Afghanistan, sondern auch die politische Nachhaltigkeit zuhause" wider, sagte Gates am 23. Juni in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Der Oberkommandierende der internationalen und US-Truppen in Afghanistan, General David Petreaus, habe sich einen langsameren Abzug gewünscht.
  • Angesichts des geplanten ersten Teilabzugs der US-Truppen aus Afghanistan sieht UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Regierung in Kabul in der Pflicht. Dies sei der "Beginn einer größeren Verantwortung für die afghanische Regierung", erklärte Ban am 23. Juni in New York. Dabei würden die Vereinten Nationen Afghanistan weiter "jede notwendige Unterstützung" zukommen lassen. Der UN-Generalsekretär begrüßte die Abzugsentscheidung von US-Präsident Barack Obama. Zugleich mahnte er, dass es "langwierig und schwierig" sein werde, nach Jahrzehnten des Krieges am Hindukusch einen friedlichen und stabilen Neuanfang zu schaffen.
  • Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) will sich entsprechend dem Afghanistan-Mandat des Bundestags für eine "frühestmögliche Reduzierung" der Bundeswehrtruppen in dem Land einsetzen. Er sei bestrebt, "den sicherheitspolitisch vertretbaren Spielraum zu nutzen, soweit die Lage dies erlaubt", sagte der Minister am 23. Juni bei einem Besuch der Offizierschule des Heeres in Dresden und zitierte damit aus dem Bundestagsbeschluss. Weder die Bundeswehr noch "die Nachhaltigkeit des Übergabeprozesses" dürften durch einen Abzug gefährdet werden. Deutschland habe im Norden Afghanistans eine Schlüsselstellung für den Gesamterfolg, sagte er.
  • Drei deutsche Soldaten sind in Afghanistan bei einem Unfall mit einem Schützenpanzer verletzt worden. Der Konvoi war in der Nähe des deutschen Feldlagers in Kundus unterwegs, wie das Einsatzführungskommando der Bundeswehr am 23. Juni in Berlin mitteilte. Durch austretendes Kühlmittel, vermutlich verursacht durch einen geplatzten Schlauch, zogen sich die Soldaten Brandverletzungen zu. Dabei wurde ein Soldat schwer, ein weiterer mittelschwer und einer leicht verletzt.
    Kurz danach wurde ein Sprengstoffanschlag auf eine gemeinsame Patrouille deutscher und afghanischer Polizeikräfte südlich von Kundus verübt. Verletzt wurde niemand.
  • Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, fordert eine Truppenreduzierung der Bundeswehr in Afghanistan. Die Bundesregierung solle die Obergrenze von 5.350 Soldaten im nächsten Afghanistanmandat der Bundeswehr senken, sagte Arnold der Hallenser "Mitteldeutschen Zeitung" (Ausgabe vom 24. Juni). "Es muss sichtbar werden, dass auch wir das Kontingent nun bis 2014 Zug um Zug reduzieren", sagte Arnold mit Blick auf die jüngste Ankündigung von US-Präsident Barack Obama, binnen eines Jahres 33.000 Soldaten abzuziehen. Das Bundeswehrmandat gilt bis zum 31. Januar 2012. Auf eine neue Zahl für deutsche Soldaten in Afghanistan wollte sich Arnold nicht festlegen. Arnold forderte, den Bundeswehreinsatz geordnet zu Ende bringen. "Die afghanische Bevölkerung darf nicht den Eindruck haben, sie wird 2014 im Stich gelassen und die Brutalsten werden am Ende die Macht übernehmen", sagte er.
  • Präsident Nicolas Sarkozy hat den geplanten Abzug französischer Soldaten aus Afghanistan genauer umrissen. Bereits bis Jahresende sollten "mehrere hundert" Soldaten Afghanistan verlassen, sagte Sarkozy am 24. Juni zum Abschluss des EU-Gipfels in Brüssel. Kurz nach den USA hatte auch Frankreich einen schrittweisen Abzug seiner insgesamt rund 4000 Soldaten angekündigt. Umfang und Zeitplan sollten sich an den USA orientieren, erklärte das Präsidialamt am Mittwoch.
  • Bei einem Bombenanschlag im Norden Afghanistans sind mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen. Der Sprengsatz war an einem Fahrrad befestigt und ging auf einem belebten Basar im Bezirk Chan Abad hoch, wie ein Sprecher des Gouverneurs der Provinz Kundus am 24. Juni sagte. Unter den Toten befanden sich auch Zivilisten und ein Polizist. Mehr als weitere 24 Menschen seien verletzt worden, darunter auch Frauen und Kinder. Ein Polizeisprecher bestätigte die Opferzahl und machte die radikalislamischen Taliban für den Anschlag verantwortlich.
  • Der Iran, Afghanistan und Pakistan haben einen gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus vereinbart. Die drei Staaten wollten zusammen gegen Terrorismus, Extremismus und Militarismus vorgehen, erklärten sie am 25. Juni in der iranischen Hauptstadt Teheran. In der gemeinsamen Erklärung Ahmadinedschads, des pakistanischen Staatschefs Asif Ali Zardari und des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai wiesen die Politiker "ausländische Interventionen" in ihren Ländern zurück. Diese verstießen gegen "den Geist des Islam und gegen die Traditionen des Friedens in der Region und gegen die Interessen ihrer Völker". Die Staatschefs vereinbarten in Teheran Folgetreffen ihrer jeweiligen Außen-, Innen-, Sicherheits- und Wirtschaftsminister, um für das Ende des kommenden Jahres ein weiteres Gipfeltreffen in Pakistans Hauptstadt Islamabad vorzubereiten.
  • Der Terrorismus breitet sich nach Einschätzung von Afghanistans Staatschef Hamid Karsai in seinem Land und der umliegenden Region immer weiter aus. "Leider hat trotz der Errungenschaften in den Bereichen Bildung und Wiederaufbau der Infrastruktur nicht nur Afghanistan noch nicht Frieden und Sicherheit erreicht", sagte Karsai am 25. Juni bei einer Pressekonferenz anlässlich einer regionalen Konferenz gegen Terrorismus in der iranischen Hauptstadt Teheran. Vielmehr breite sich der Terrorismus "mehr als je zuvor in Afghanistan und seiner Region" aus. "Der Frieden, die Stabilität unserer Länder sind bedroht (...) ihre Existenz und ihre Integrität sind wirklich bedroht", warnte Karsai.
  • Bei einem Selbstmordanschlag auf ein Krankenhaus in Afghanistan sind laut AFP 60 Menschen getötet worden. Weitere 120 Menschen seien bei der Explosion im Bezirk Asra in der Provinz Logar südlich von Kabul verletzt worden, teilte das Gesundheitsministerium am 25. Juni in Kabul mit. Nach Angaben der Provinzregierung war der Anschlag mit einem mit Sprengstoff beladenen Auto verübt worden.
    Die afghanische Regierung hat die Zahl der Todesopfer später korrigiert. Statt der zunächst angegebenen 60 Menschen, die bei dem Selbstmordattentat gestorben seien, gingen die Behörden nun von mindestens 20 Toten aus, teilte das afghanische Gesundheitsministerium in Kabul am 25. Juni mit.
    Laut dapd wurden hingegen 35 Menschen getötet und weitere 53 verletzt.
  • Belgien will die Stärke seiner Truppen in Afghanistan ab Anfang kommenden Jahres halbieren. Die Zahl werde von Januar an von 585 auf rund 300 Soldaten verringert, sagte ein Sprecher von Verteidigungsminister Pieter De Crem am 26. Juni. Am stärksten betroffen von dem Teilabzug sei die Hauptstadt Kabul. Dort sind derzeit 325 belgische Soldaten zur Sicherung des Flughafens eingesetzt. Von ihnen würden alle bis auf 60 abgezogen. Betroffen von dem Teilabzug sei auch die Provinz Kundus, die im Verantwortungsbereich der Bundeswehr liegt. Belgische Soldaten beteiligen sich dort an der Ausbildung afghanischer Soldaten.
  • In Afghanistan ist ein achtjähriges Mädchen ums Leben gekommen, das Aufständische benutzt haben sollen, um eine Bombe zu einer Polizeistation zu transportieren. Die Täter hätten dem Kind eine Tasche mit einer Bombe übergeben und es beauftragt, diese zu einer nahegelegenen Polizeidienststelle zu bringen, teilte das afghanische Innenministerium am 26. Juni mit. In gutem Glauben habe das Mädchen die Tasche dorthin getragen. Als es sich einem Polizeiauto genähert habe, hätten die Täter die Bombe per Fernzünder gezündet, wobei das Kind getötet worden sei. Polizeibeamte oder andere Zivilisten kamen nicht zu Schaden. Das Innenministerium sprach von einem "weiteren unverzeihlichen und beschämenden Verbrechen" der "Feinde von Frieden und Stabilität", machte aber keine Angaben dazu, ob es die radikalislamischen Taliban für den Anschlag verantwortlich macht.
  • Afghanistans Präsident Hamid Karsai will die USA auch bei einer Verschlechterung des Sicherheitslage in seinem Land nicht um eine erneute Truppenaufstockung bitten. In einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNN begrüßte er am 26. Juni erneut den geplanten ersten Teilabzug der US-Truppen aus Afghanistan. Er sei ein Zeichen dafür, dass Afghanistan die Verantwortung für die eigene Sicherheit übernehmen und sein Territorium selbst verteidigen könne, sagte Karsai. Auf die Frage, ob er US-Präsident Barack Obama im Falle eines Scheiterns der afghanischen Sicherheitskräfte um neue Truppen bitten würde, sagte er: "Das werde ich nicht tun." Die Afghanen hätten die Pflicht, selbst für ihre Sicherheit zu sorgen.
Montag, 27. Juni, bis Donnerstag, 30. Juni
  • Die Gewalt in Afghanistan hat nach Angaben einer US-Flüchtlingsorganisation in den vergangenen zwei Jahren mehr als 250.000 Menschen in die Flucht getrieben. Die US-Regierung müsse diese Entwicklung entschärfen und sicherstellen, dass die Regierung in Kabul mehr Verantwortung für den Schutz von Flüchtlingen übernehme, heißt es laut dapd vom 27. Juni in einem Bericht von Refugees International, der am 28. Juni veröffentlicht werden sollte. Bei den zunehmenden Militäreinsätzen gegen Aufständische gerieten afghanische Zivilpersonen ins Kreuzfeuer, kritisierte die in Washington ansässige Organisation. Seit Jahresbeginn sind demnach mehr als 91.000 Afghanen aus ihren Dörfern geflüchtet - im gleichen Zeitraum im vergangenen Jahr waren es nur 42.000. Der verstärkte Einsatz von Luftangriffen der ISAF und afghanischer Einheiten sowie nächtliche Razzien amerikanischer Spezialkräfte "zerstören Häuser, Ernten und grundlegende Infrastruktur, traumatisieren Zivilisten und vertreiben zehntausende Menschen", heißt es in dem Bericht. Allein im Norden Afghanistans haben demnach fast 30.000 Menschen ihre Häuser verlassen, das sind mehr als siebenmal so viele wie im Vorrjahr.
    Bevor die Militärkampagne in Afghanistan intensiviert worden sei, seien die Einwohner vor der Gewalt geflüchtet und kurz darauf wieder heimgekehrt, erklärte Refugees International. "Jetzt sind die Menschen immer weniger bereit, nach Hause zurückzukehren, weil sie Angst haben, dass ihre Dörfer nicht mehr sicher sind", heißt es in dem Bericht weiter.
  • Der Chef der afghanischen Zentralbank, der für den Beinahe-Zusammenbruch der Kabul-Bank mitverantwortlich gemacht wird, hat sich nach Angaben von Präsident Hamid Karsai in die USA abgesetzt. Abdul Kadir Fitrat habe Journalisten in Washington erklärt, er habe sein Amt aufgegeben, sagte ein Sprecher Karsais am 27. Juni in Kabul.
    Fitrat wurde den Angaben zufolge in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft als möglicher Verantwortlicher für die Probleme der Kabul-Bank im vergangenen Jahr genannt. An kürzlich angesetzten Gesprächen über die Krise des größten privaten Kreditinstituts Afghanistans habe er nicht teilgenommen, teilte Karsais Sprecher Wahid Omar weiter mit.
    Die Kabul-Bank wurde nach Vorwürfen des Missmanagements, der Vetternwirtschaft und fragwürdiger Kreditvergabepraktiken der Kontrolle der Zentralbank unterstellt. Die Krise begann im vergangenen Jahr, als bekannt wurde, dass Millionen Dollar an fragwürdigen Krediten an Anteilseigner vergeben wurde, darunter den Bruder von Präsident Karsai.
  • Wenige Wochen vor dem geplanten Beginn des Abzugs der internationalen Truppen aus Afghanistan haben mutmaßliche Taliban-Kämpfer eines der führenden Hotels der Hauptstadt Kabul gestürmt. Mehrere Bewaffnete seien am am 28. Juni in das Hotel Intercontinental eingedrungen und hätten um sich geschossen, berichtete der Chef der Kriminalpolizei, Mohammed Sahir, am Abend. Nach seinen Angaben wurden mehrere Polizisten verletzt, darunter er selbst. Berichte über weitere Opfer ließen sich zunächst nicht bestätigen. Zu dem Angriff bekannten sich die radikalislamischen Taliban. Ziel seien die ausländischen Hotelgäste gewesen, sagte ihr Sprecher Sabihullah Mudschahid.
    Am nächsten Tag (29. Juni) wurde ergänzt: Nach stundenlangen Kämpfen haben afghanische Sicherheitskräfte mit Hilfe der NATO in einem Kabuler Luxushotel alle neun Angreifer der islamistischen Taliban getötet. Bei der Attacke auf das Intercontinental kamen in der Nacht laut Polizei außerdem mindestens zehn Zivilisten ums Leben, unter ihnen ein Spanier.
  • Große Freude und Erleichterung hat bei Reporter ohne Grenzen (ROG) die Freilassung der beiden in Afghanistan entführten französischen Fernsehjournalisten Hervé Ghesquière und Stéphane Taponier ausgelöst. Nach anderthalb Jahren Geiselhaft sind die beiden Journalisten des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders "France 3" am 29. Juni freigekommen, wie die französische Regierung mitteilte. "Wir sind sehr erleichtert über diese Nachricht. In den 547 Tagen der Geiselhaft haben wir die Hoffnung auf eine Freilassung nie aufgegeben", so ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard. Auch die drei afghanischen Mitarbeiter von Ghesquière und Taponier sind wieder in Freiheit. ROG hatte sich während der 18-monatigen Gefangenschaft der Journalisten mit zahlreichen Aktionen, Briefen und Appellen immer wieder für die Freilassung der Geiseln eingesetzt und an ihr Schicksal erinnert. ROG bedankt sich bei all denen, die das Engagement für die Geiseln unterstützt haben. Julliard lobte die Verhandlungen der französischen und afghanischen Regierung zur Freilassung der Geiseln.
    Ghesquière und Taponier waren am 29. Dezember 2009 gemeinsam mit ihren drei einheimischen Begleitern von einer Talibangruppe in der nordöstlichen Provinz Kapisa entführt worden. Dort recherchierten die Journalisten für eine Sendung von "France 3".
  • Der pakistanische Verteidigungsminister Ahmed Mukhtar hat die US-Streitkräfte zur Räumung eines Luftwaffenstützpunkts in der Wüste von Belutschistan aufgefordert. Eine entsprechende Aufforderung sei an US-Vertreter übermittelt worden, bestätigte Mukhtar laut der pakistanischen Nachrichtenagentur APP am 29. Juni vor Journalisten. Medienberichten zufolge nutzen die USA die Militärbasis Shamsi mit Duldung des pakistanischen Militärs für geheime Drohnenangriffe gegen die radikalislamischen Aufständischen. Belutschistan grenzt an Afghanistan und dem Iran.
  • US-Präsident Barack Obama hat sich am 29. Juni zuversichtlich gezeigt, dass die Mission in Afghanistan noch erfolgreich werden kann. Allerdings sei er noch nicht bereit den Sieg zu erklären, sagte Obama auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus. Der Einsatz der USA sei streng darauf ausgerichtet, sicherzustellen, dass die Al-Kaida die USA nicht mehr angreifen könne und den Afghanen dabei zu helfen, für ihre eigene Sicherheit zu sorgen. Er sei zuversichtlich, dass die USA beide Ziele erreichen würden, da die US-Streitkräfte ausgezeichnete Arbeit leisteten, sagte der Präsident.
    Die Fortschritte, die erzielt worden seien, erlaubten es, einen Teil der Truppen nach Hause zu holen, sagte Obama. In der vergangenen Woche verkündete er den Abzug von 33.000 US-Soldaten aus Afghanistan bis Ende 2012. 10.000 davon sollen schon bis Ende 2011 zurückkehren.
  • Die NATO hat in Afghanistan nach eigenen Angaben einen ranghohen Anführer des mit El Kaida verbundenen Haqqani-Netzwerks getötet, der einer der Hintermänner des Angriffs auf ein Kabuler Luxushotel mit mindestens 21 Toten gewesen sein soll. Ismail Jan sei am 29. Juni in der östlichen Provinz Paktija bei einem Luftangriff getötet worden, teilte die NATO-Truppe ISAF mit. Er sei der Stellvertreter des Haqqani-Chefs in Afghanistan gewesen. Jans Aufenthaltsort sei mit Hilfe von Angaben der Geheimdienste, von Anwohnern und abtrünniger Aufständische aufgespürt worden, erklärte die ISAF. Dann sei ein Luftangriff angeordnet worden. Bei dem Angriff nahe der Grenze zu Pakistan seien auch weitere Haqqani-Kämpfer getötet worden.
    Jan soll laut ISAF materielle Unterstützung für den Angriff auf das Hotel Intercontinental in der Nacht zum Mittwoch bereitgestellt haben. Zwar hatten sich die radikalislamischen Taliban zu dem Angriff bekannt; laut NATO war aber auch das Haqqani-Netzwerk beteiligt, das für vorherige Angriffe in Kabul verantwortlich gemacht worden war und das als gefährlichster Gegner für die internationalen Truppen im Osten Afghanistans gilt.
  • Mit überwältigender Mehrheit hat der US-Senat am 30. Juni General David Petraeus als neuen Chef des Geheimdienstes CIA bestätigt. Nach der Zustimmung der Abgeordneten kann der bisherige Oberkommandierende in Afghanistan auf Leon Panetta folgen, der am 1. Juli sein neues Amt als Verteidigungsminister antritt. Der bisherige Pentagon-Chef Robert Gates wurde von Präsident Barack Obama feierlich verabschiedet.
    Petraeus erhielt die Zustimmung von 94 der einhundert Senatoren, Gegenstimmen gab es nicht. Panetta war bereits in der vergangenen Woche einstimmig zum neuen Verteidigungsminister gewählt worden.


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