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Chronik Afghanistan

Mai 2009


Freitag, 1. Mai bis Sonntag, 10. Mai
  • Bei drei separaten Anschlägen sind am 4. Mai nach offiziellen Angaben mindestens 27 Menschen ums Leben gekommen. In der östlichen Provinz Laghman starben dem Innenministerium zufolge bei einem Selbstmordattentat sieben Menschen, darunter der Bezirksbürgermeister. Zwölf weitere Menschen starben, als im Distrikt Schamolsai in der südlichen Provinz Sabul am Straßenrand eine Bombe explodierte. Sechs afghanische Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen und zwei Zivilisten wurden getötet, als sie in einem anderen Teil von Sabul in einen Hinterhalt gerieten.
  • Die schweren Gefechte der pakistanischen Armee mit den Taliban im Swat-Tal gehen unvermindert weiter. Eine im Februar getroffene Friedensvereinbarung zwischen der Regierung und den Taliban im nordwestlich der Hauptstadt Islamabad gelegenen Swat-Tal ist so gut wie gescheitert. Die angehenden Kämpfe könnten bis zu 800.000 Menschen in die Flucht treiben. Am 5. Mai flohen Hunderte Zivilisten aus Mingora, der größten Stadt des pakistanischen Swat-Tals, nachdem es zu heftigen Gefechten zwischen Regierungstruppen und Aufständischen um ein Smaragdbergwerk nahe der Stadt Mingora kam.
  • Bei US-geführten Luftangriffen im Westen Afghanistans sind Dutzende Menschen getötet worden. Nach Angaben der US-Streitkräfte hatten Taliban-Kämpfer ein Dorf eingenommen und sich dann Gefechte mit afghanischen Truppen geliefert, die vom 4. bis zum 5. Mai andauerten. Während der Kämpfe seien die Ortschaften Geraani und Gandsch Abad bei Luftangriffen von US-Kampfflugzeugen getroffen worden. Später wurde bekannt, dass die Zahl der getöteten Zivilisten bei 140 lag. Das afghanische Verteidigungsministerium gab die Zahlen am 16. Mai bekannt. Es ist der für die Zivilbevölkerung folgenschwerste Angriff der US-Streitkräfte seit Beginn des Kampfes gegen die Taliban 2001. Der Vorfall führe zu Spannungen zwischen der afghanischen und amerikanischen Regierung. Der afghanische Präsident Hamid Karsai forderte ein Ende der Luftangriffe, was die USA ablehnten.
  • Am 6. Mai ging ein Treffen der Präsidenten Afghanistans und Pakistans, Hamid Karsai und Asif Ali Zardari, mit US-Präsident Barack Obama zu Ende. Obama bekräftige seine Entschlossenheit zur Bekämpfung von Al-Kaida und seine Unterstützung für die beiden Länder. Pakistans Präsident Zardari sagte, sein Land werde zusammen mit Karsai und den USA im Schulterschluss mit der Welt "diesen Krebs und diese Bedrohung" bekämpfen. In der neuen US-Regierung waren sowohl Karsai als auch sein pakistanischer Kollege wiederholt scharf kritisiert worden. Zudem wurde infrage gestellt, ob sie entschlossen genug seien und überhaupt fähig dazu seien, wirksam gegen die Bedrohung von Al Kaida und der radikal-islamischen Taliban vorzugehen. Allerdings macht es die steigende Zahl ziviler Opfer von US-Angriffen in Afghanistan und in Pakistan für die Regierungen schwieriger, Rückhalt in der Bevölkerung für die Bekämpfung der Extremisten zu bekommen.
  • US-Verteidigungsminister Robert Gates hat am 7. Mai seine Zufriedenheit über das Vorgehen der pakistanischen Armee gegen die Taliban geäußert. Die Regierungstruppen gehen seit einer Woche massiv gegen die Extremisten in der Region vor, tausende Zivilisten sind auf der Flucht. Nach Behördenangaben wurden seit dem Aufflammen der Kämpfe im Swat-Tal im April 2009 38.000 Menschen vertrieben. Es bestehe die Gefahr, dass ihre Zahl auf 800.000 ansteigt. In dem Tal leben rund 1,6 Millionen Menschen.
  • Deutschen Elitesoldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) ist am 7. Mai in Afghanistan ein Schlag gegen die Taliban gelungen. Nach einer Verfolgungsjagd stellten die KSK-Soldaten einen Terrorverdächtigen in einem unwegsamen gebirgigen Gelände 60 Kilometer südöstlich von Feisabad, afghanische Sicherheitskräfte nahmen den Mann anschließend fest. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums ist der Festgenommene Abdul Razeq für mehrere Anschläge auf deutsche und afghanische Sicherheitskräfte verantwortlich.
  • In der Provinz Helmand riss ein Selbstmordattentäter am 7. Mai zwölf Menschen mit in den Tod. Nach Behördenangaben wurden 30 andere Menschen verletzt. Ziel des Attentäters sei ein Konvoi der Isaf gewesen.
  • Am 8. Mai haben Bundeswehrsoldaten afghanische Sicherheitskräfte nach offiziellen Angaben bei einem stundenlangen Feuergefecht mit Extremisten nahe Kundus unterstützt. Dabei haben deutsche Soldaten mindestens zwei gegnerische Kämpfer getötet; insgesamt hätten deutsche und afghanische Sicherheitskräfte sieben Extremisten getötet und 14 verletzt, teilte das Verteidigungsministerium am 11. Mai in Berlin mit. ab
Montag, 11. Mai bis Sonntag, 17. Mai
  • Die pakistanische Armee setzt ihre Offensive gegen die Taliban im Swat-Tal mit unverminderter Intensität fort. Vor den neuen schweren Kämpfen im Nordwesten des Landes sind nach Angaben des Militärs weitere 800.000 Menschen geflohen, so dass sich die Zahl der Vertriebenen auf mittlerweile 1,3 Millionen erhöht hat. UN-Flüchtlingskommissar Antonio Guterres spricht von einer der größten Flüchtlingsströme der jüngsten Zeit
  • Am 11.Mai erschoss ein US-Soldat bei einem Amoklauf in einer Militärklinik nahe Bagdad fünf Kameraden. Nach ersten Erkenntnissen ereignete sich die Tat in einer Abteilung, wo US-Soldaten therapeutische Hilfe gegen erhöhten Stress suchen.
  • Der Haushaltsausschuss des Bundestags beschloss am 13.05. den Kauf von zwei Lagerschutzsystemen vom Hersteller Rheinmetall für 136 Millionen Euro, die die Lager der Bundeswehr in Afghanistan vor den zunehmenden Angriffen schützen sollen. Eine der Anlagen soll ab 2011 voraussichtlich im Lager Kundus installiert werden, wo die Bundeswehr häufig mit Raketen beschossen wird.
  • Ein Selbstmordattentäter hat vor einem Nato-Stützpunkt in der Stadt Chost sieben Menschen mit in den Tod gerissen. Bei den Opfern handele es sich um afghanische Arbeiter, die an der Militärbasis in der Stadt Chost beschäftigt gewesen seien, teilten die örtlichen Behörden am 13. Mai mit.
  • Angesichts der wachsenden Unsicherheit im Norden will Verteidigungsminister Franz Josef Jung das Bundeswehrkontingent um 600 Soldaten aufstocken, wie Jung der "Frankfurter Rundschau" am 13.05. sagte. Insgesamt werde die Mandatsobergrenze von 4500 Soldaten aber nicht überschritten.
Montag, 18. Mai bis Sonntag, 24. Mai
  • Bei einem von Nato-Truppen geführten Luftangriff sind nach Angaben des Bündnisses am 19. Mai wahrscheinlich acht Zivilisten getötet worden. Wie die Nato am 20. Mai erklärte, ereignete sich der Angriff in Nawa in der südlichen Provinz Helmand. Die Nato untersuche gemeinsam mit den afghanischen Behörden den Vorfall. Wegen der steigenden Zahl ziviler Opfer bei Luftangriffen schwindet die Unterstützung in der Bevölkerung für die im Land stationierten internationalen Truppen.
  • Die pakistanische Armee hat nach eigenen Angaben die radikalislamischen Taliban aus dem Umland der Hauptstadt Islamabad gedrängt, wie ein Militärsprecher am 20. mai mitteilte. Die Kämpfe in den Distrikten Buner und Dir sowie dem Swat-Tal haben eine riesige Flüchtlingswelle ausgelöst. Die Kämpfe haben nach UN-Angaben mehr als eine Million Menschen in die Flucht getrieben. Sie kommen zu den mehr als 500.000 Vertriebenen hinzu, die bereits bei früheren Kämpfen im Nordwesten des Landes ihre Heimatorte verlassen mussten. Ausgelöst wurden die Gefechte durch den Einfall der Taliban in den Bezirk Buner Anfang April. Die Milizionäre kamen aus dem Swat-Tal, wo die pakistanische Regierung ein Friedensabkommen mit den Taliban abgeschlossen hatte. Ende April ging die Armee zum Gegenangriff in Buner und Dir über, Anfang Mai folgte die Offensive im Swat-Tal. Nach Armee-Angaben sind in den Kämpfen bislang tausend Milizionäre und 50 Soldaten gefallen. Demnach sollen sich 15.000 Armeeangehörige und bis zu 5000 Taliban gegenüberstehen. Eine Bestätigung von unabhängiger Stelle für diese Zahlen gab es jedoch nicht.Vor allem die USA hatten die pakistanische Regierung gedrängt, entschieden gegen die Taliban vorzugehen. Aus Sicht der US-Militärs ist dies unabdingbar für die Stabilität Afghanistans. Das Grenzgebiet zu Afghanistan gilt als Rückzugsgebiet der Gegner der afghanischen Zentralregierung und ihrer westlichen Verbündeten. Die internationale Gemeinschaft hat Pakistan 224 Millionen Dollar an Hilfen für die mehr als eine Million Flüchtlinge im Nordwesten des Landes zugesagt, davon 110 Millionen Dollar von den USA, wie pakistanische Finanzstaatssekretärin Hina Rabbani Khar am 21. Mai am Rande einer Geberkonferenz in Islamabad bekannt gab.
  • Bei einem mehrtägigen Einsatz gegen den Drogenhandel im Süden Afghanistans haben amerikanische und einheimische Sicherheitskräfte 60 gegnerische Kämpfer getötet und die bislang größte Rauschgiftmenge in der Geschichte des Landes sichergestellt, wir die US-Streitkräfte am 23. Mai mitteilten.
  • Am 24. Mai began ein Regionalgipfel des afghanischen Präsident Hamid Karsai mit seinen Kollegen aus Pakistan und dem Iran. Im Zentrum der Beratungen in der iranischen Hauptstadt Teheran stehen Sicherheitsfragen, der Kampf gegen den Terrorismus und das Streben nach besseren wirtschaftlichen Beziehungen der drei aneinander grenzenden Staaten, wie das Außenministerium in Kabul mitteilte.
Montag, 25. Mai bis Sonntag, 31. Mai
  • Am 25. Mai wurde ein Sprengstoffanschlag auf eine Bundeswehr-Patrouille verübt. Der Vorfall ereignete sich wenige Kilometer vor Feisabad im Nord-Osten Afghanistans, Verletzte gab es nicht.
  • Die pakistanische Armee weitert ihre Angriffe gegen die Taliban nach Angaben aus Geheimdienstkreisen nun auf deren Hochburg in Süd-Waziristan aus. Kampfhubschrauber hätten Stellungen der radikalen Islamisten angegriffen, berichteten am 26. Mai auch Anwohner. In der Region an der Grenze zu Afghanistan befindet sich das Hauptquartier des pakistanischen Taliban-Anführers Baitullah Mehsud. Die Aufständischen starten von dort aus auch Angriffe auf Ziele im Nachbarland. Die USA und Afghanistan haben die Regierung in Islamabad wiederholt zu einer Militärkampagne in Süd- und Nord-Waziristan aufgefordert.
  • Am 27. Mai wurden bei einem Sprengstoffanschlag in Lahore, zu dem sich die Taliban bekannten, mindestens 24 Menschen getötet und fast 300 verletzt worden. Am 28. Mai zündeten Attentäter auf einem Basar in der nordwestlichen Stadt Peshawar zwei Bomben und töteten sechs Menschen. Wenig später sprengte sich ein Selbstmordattentäter am Stadtrand in die Luft und tötete fünf Soldaten. Die Anschlagsserie ist wahrscheinlich ein Racheakt der Taliban für die Offensive der Armee gegen die Extremisten im Swat-Tal an der Grenze zu Afghanistan.


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