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Chronik Afghanistan

Dezember 2007


Samstag, 1. Dezember, bis Sonntag, 16. Dezember
  • Wegen des Verdachts der Misshandlung von Untergebenen während des Afghanistan-Einsatzes hat die Staatsanwaltschaft Flensburg Ermittlungen gegen einen Stabsoffizier der Luftwaffe eingeleitet (1. Dez.). Nach Informationen werden dem Major verbale Entgleisungen und Tätlichkeiten zu Last gelegt.
  • Ein Selbstmordattentäter hat am 4. Dez. einen Konvoi der internationalen Schutztruppe Isaf in Kabul angegriffen. Mehrere Zivlisten wurden verletzt. Auch US-Verteidigungsminister Gates befand sich gerade in der afghanischen Hauptstadt. Andere Regierungsquellen sprachen von bis zu 22 Verwundeten. Der Selbstmordattentäter kam bei der Detonation ums Leben.
  • In Kabul starben am Morgen (5. Dez.) mindestens 13 Menschen, als ein Attentäter sein mit Sprengstoff beladenes Auto in einen Armeebus lenkte. Unter den Toten sind vier Kinder. Laut Verteidigungsministerium handelt es sich bei den Toten um sechs Soldaten und sieben Zivilisten unter ihnen vier Kinder. 20 Menschen wurden verletzt. Die Zahl der Opfer werde vermutlich noch steigen, sagte Ministeriumssprecher, General Mohammad Sahir Asimi.
  • US-Verteidigungsminister Gates hat die Nato-Partner in Afghanistan am 11. Dez. scharf kritisiert. Vor allem die Ausbildung der Polizei sei enttäuschend - "um es diplomatisch auszudrücken", sagte er. Das Training der Sicherheitskräfte ist eine zentrale Aufgabe Deutschlands in Afghanistan.
Montag, 17. Dezember, bis Sonntag, 23. Dezember
  • In der westafghanischen Provinz Herat ist ein Deutscher am 17. Nov. entführt worden. Der Mann lebt nach Angaben der afghanischen Polizei seit Jahren in dem Land. Herats Polizeichef Mohammad Juma Azim sagte, Unbekannte hätten das Auto mit dem Deutschen gestoppt und den Bundesbürger aus dem Wagen gezerrt. Die Polizei habe die Suche nach dem Mann aufgenommen. Auch die afghanische Ehefrau und der Schwager des Deutschen seien aus dem Auto geholt, jedoch nicht verschleppt worden. Ermittler haben die Suche nach dem Verschleppten aufgenommen.
  • US-Präsident Bush ist unzufrieden mit der Lage in Afghanistan und im Irak. In seiner letzten Pressekonferenz des Jahres am 20. Dez. geißelte er die Verbündeten im Kampf gegen die Taliban und die Regierung in Bagdad. Die USA hatten sich bereits in der Vergangenheit über mangelndes Engagement der Nato-Partner in Afghanistan beklagt. Neben deutschen und britischen Truppen sind unter anderem Truppen aus Australien, Kanada und Dänemark in Afghanistan stationiert.
  • Frankreichs Staatspräsident Sarkozy will ein Scheitern des Afghanistaneinsatzes mit aller Macht verhindern. In Kürze will er darüber entscheiden, ob sein Land Verstärkung für die Truppen am Hindukusch schickt. Dutzende Ausbilder sind bereits unterwegs.
    Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat am 22. Dez. bei einem Kurzbesuch in der afghanischen Hauptstadt Kabul vor einem Scheitern des westlichen Engagements am Hindukusch gewarnt. Afghanistan dürfe nicht zum gescheiterten Staat werden, sagte Sarkozy nach einem Gespräch mit Präsident Hamid Karsai vor mitreisenden Journalisten. Sarkozy war am frühen Morgen zu seinem ersten Afghanistan-Besuch seit Amtsantritt im Mai eingetroffen und hatte das Land nach sechsstündigem Aufenthalt wieder verlassen. Am Nachmittag traf Australiens neuer Premierminister Kevin Rudd zu einem Überraschungsbesuch in Kabul ein.
Montag, 24. Dezember, bis Montag, 31. Dezember
  • Die Behörden in Kabul beschuldigen am 25. Dez. zwei ausländische Mitarbeiter der UNO und der EU, ohne Rücksprache Kontakte mit den radikal-islamischen Taliban aufgenommen zu haben. Nach Angaben eines Vertreters der afghanischen Regierung hätten die Männer mit Unterstützung von Afghanen "Dinge getan, die ihrer Aufgabe" widersprachen und damit die nationale Sicherheit Afghanistans bedroht.
  • In Afghanistan sind jüngsten Angaben zufolge doch keine Ausländer wegen Bedrohung der nationalen Sicherheit festgenommen worden. Die beiden Männer seien zu "unerwünschten Personen" erklärt worden, sagte der Sprecher von Präsident Hamid Karsai. Zuvor hatte er noch von Festnahmen gesprochen. Dies sei ein Missverständnis gewesen, sagte er später. Die afghanischen Komplizen der beiden Männer seien festgenommen worden und würden vor Gericht gestellt. Der Vorwurf der Behörden in Kabul besteht darin, dass die Verdächtigen ohne Absprachen Kontakte mit den radikal-islamischen Taliban aufgenommen haben sollen.
    Nach Angaben des Präsidentensprechers handelt es sich um zwei "hochrangige Ausländer". Laut Diplomaten war einer für die UNO tätigt, der andere für die EU. Nach Angaben eines Vertreters der Regierungin Kabul hatten die Männer mit Unterstützung von Afghanen "Dinge getan, die ihrer Aufgabe" widersprachen und damit die nationale Sicherheit Afghanistans bedroht.
  • Die wegen mutmaßlicher Kontakte zu den radikalislamischen Taliban in Afghanistan zu unerwünschten Personen erklärten europäischen Spitzendiplomaten haben das Land verlassen. Der irische EU-Diplomat Michael Semple sei ausgereist, erklärte das Büro der Europäischen Union am 27. Dez. in Kabul. Der britische UN-Diplomat Mervyn Patterson kam nach UN-Angaben ebenfalls der Aufforderung der afghanischen Behörden nach, das Land binnen 48 Stunden zu verlassen. Der Gouverneur der südlichen Provinz Helmand, Asadullah Wafa, erhob schwere Vorwürfe gegen Semple: Der Ire habe regelmäßig Taliban getroffen.
    Die afghanische Regierung hatte die beiden europäischen Diplomaten zu unerwünschten Personen erklärt und ihre Ausreise angeordnet. Sie warf Semple und Patterson "mit ihrer Aufgabe unvereinbare Aktivitäten" vor, mit denen sie die nationale Sicherheit Afghanistans bedroht hätten. Die beiden Diplomaten hatten in der südlichen Provinz Helmand die Stadt Musa Kala besucht, die in diesem Monat nach zehnmonatiger Herrschaft der Taliban mit einer Militäroffensive zurückerobert worden war. Dabei hätten sie auch mit Menschen gesprochen, "die vielleicht unentschieden sind, ob sie die afghanische Regierung unterstützen", hatte UN-Sprecher Aleem Siddique gesagt.
    Gouverneur Wafa warf Semple vor, er habe in Helmand in regelmäßigem Kontakt zu den Taliban gestanden und diese ohne ordnungsgemäße Erlaubnis besucht. "Er hätte sich mit mir beraten müssen", bemängelte Wafa. Bei einem afghanischen General, der mit Semple mitgereist sei, seien 19.000 Dollar (13.000 Euro) und ein Speichermedium mit einer Liste hochrangiger Behördenvertreter gefunden worden.
    Die Taliban wiesen Berichte über Kontakte zu europäischen Diplomaten zurück und warfen dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai vor, mit einer Inszenierung seine Unabhängigkeit von ausländischen Mächten demonstrieren zu wollen. "Das ist ein Drama der Karsai-Regierung, die damit angeben wollen, dass sie unabhängig sind", sagte Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahed AFP am Telefon von einem unbekannten Ort aus. Es sei erstaunlich, wenn Karsai sich über angebliche Treffen der Diplomaten mit Taliban aufrege. Schließlich habe er selbst erklärt, er sei zu Gesprächen mit den Taliban bereit, unterstrich Mudschahed.
  • Nach dem blutigsten Jahr seit dem Sturz der Taliban rechnet die Internationale Schutztruppe ISAF 2008 mit einer leichten Entspannung der Sicherheitslage in Afghanistan. "Ich erwarte eine Verbesserung", sagte der ISAF-Chef des Stabes, der deutsche General Bruno Kasdorf, am 27. Dez. in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa in Kabul.
    Mit etwas über 40.000 ISAF-Soldaten sei die Sicherheitslage in einem Land von mehr als der doppelten Größe der Bundesrepublik aber "nicht über Nacht" in den Griff zu bekommen. "Es wird entsprechend unserer eingesetzten Kräfte und Mittel vorangehen." Kasdorf sagte, für den Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte müssten weitere vier bis fünf Jahre angesetzt werden. "Das ist dann auch der Zeitrahmen, nach dem wir darüber nachdenken können, unsere eigene Präsenz zu reduzieren."
  • Das Terrornetzwerk El Kaida hat sich nach Medienberichten zum Anschlag auf die pakistanische Oppositionsführerin und zweimalige Regierungschefin Benazir Bhutto bekannt. Wie die Zeitung "Asia Times" in ihrer Onlineausgabe am 28. Dez. berichtete, übernahm die Führung der El Kaida in Afghanistan die Verantwortung für die Ermordung der 54-Jährigen. Mit Bhutto starben 20 ihrer Anhänger. Präsident Musharraf rief die Bevölkerung zur Ruhe auf. Im Ausland wurde der Anschlag scharf verurteilt.
  • Westliche Geheimdienstvertreter befürchten im neuen Jahr einen weiteren Anstieg der Gewalt am Hindukusch. "Wir haben Hinweise aus dem Umkreis von Taliban-Chef Mullah Omar, dass seine wiedererstarkten Krieger 2008 gegen die ISAF-Truppen, also auch gegen die Bundeswehrsoldaten im Norden Afghanistans, vorgehen wollen", erklärte ein Geheimdienstler der Nachrichtenagentur ddp am 30. Dez. in der afghanischen Hauptstadt Kabul. Er bedauerte den gescheiterten Versuch von zwei europäischen Diplomaten, vorsichtig einen "Gesprächsfaden" zu den Taliban aufzunehmen. Bei den hochrangigen Diplomaten handelte es sich um den irischen EU-Vertreter Michael Semple und um den britischen UN-Mitarbeiter Marvyn Patterson. Sie mussten wegen der von der Kabuler Regierung nicht genehmigten Kontakte zu radikal-islamischen Taliban Afghanistan verlassen.
    Allein militärisch ist nach Darstellung von Geheimdienstexperten die Lage in Afghanistan "nicht in den Griff zu bekommen". So brisant und schwierig die Überlegungen seien, es müsse «irgendwie ein Weg gefunden werden, zumindest erst einmal mit gemäßigten und zum Kompromiss bereiten Taliban eine Lösung in der verworrenen Situation am Hindukusch zu finden», betonte der Nachrichtenmann.
    Er verwies darauf, dass sogar der afghanische Präsident Hamid Karsai im Oktober angesichts der immer schlechteren Lage in seinem Land den Taliban ein Angebot zu Friedensgesprächen gemacht hatte. Diese lehnten jedoch ab.
  • Angesichts der Unruhen im Nachbarland Pakistan sieht der UN-Beauftragte Tom Koenigs den Frieden in Afghanistan in Gefahr. Bei seiner letzten Pressekonferenz vor seiner endgültigen Rückkehr nach Deutschland sagte Koenigs am 30. Dez. in Kabul, Afghanistan müsse "im kommenden Jahr vier große Herausforderungen meistern", zu denen die regionale Zusammenarbeit gehöre. "Mit einer Destabilisierung der Lage in Pakistan ist der Frieden in Afghanistan in Gefahr", sagte Koenigs.
    Bei den anderen Herausforderungen handelt es sich laut Koenigs um die Sicherheit in Afghanistan, die durch das Wiedererstarken der Taliban gelitten habe, sowie eine gute Regierungsarbeit, "die sich bis in die Provinzen ausbreiten muss". Die Regierung müsse im ganzen Land mit ihren Institutionen, mit Polizei und Justiz vertreten sein, sagte Koenigs. Vierte große Herausforderung sei der Anti-Drogen-Kampf. Laut einem UN-Bericht stieg die Herstellung von Opium 2007 in Afghanistan um 34 Prozent an. Rund 90 Prozent des weltweit hergestellten Opiums stammen aus Afghanistan.
  • Zum Jahreswechsel hat der spanische König Juan Carlos überraschend die spanische Truppen in Afghanistan besucht. Der Monarch sei in Begleitung von Verteidigungsminister José Antonio Alonso am frühen Morgen des 31. Dez. am spanischen Stützpunkt in Herat im Westen des Landes eingetroffen, teilte das Verteidigungsministerium in Madrid mit. Spanien ist mit rund 700 Soldaten an der NATO-geführten Afghanistan-Schutztruppe ISAF beteiligt. Insgesamt zählt die ISAF rund 36.000 Mann.
  • Das Schicksal des vor mehr als zwei Wochen in Afghanistan verschleppten Deutschen Harald Kleber bleibt ungewiss. Der Sprecher des Polizeichefs der Provinz Herat, Noor Khan Nikzad, sagte am 31. Dez. der dpa, die Behörden hätten weiterhin keinen Kontakt zu dem 42-Jährigen oder den Geiselnehmern. Auch dem Auswärtigen Amt in Berlin liegen nach eigenen Angaben vom Montag im Fall Kleber keine neuen Erkenntnisse vor. Unbekannte hatten Kleber am 16. Dezember in der Provinz Herat verschleppt.
  • Jahresbilanz
    Das vergangene Jahr war nach Angaben des afghanischen Innenministeriums das blutigste in Afghanistan seit dem Sturz der Taliban durch eine US-geführte internationale Koalition Ende 2001. Demnach wurden in den vergangenen neun Monaten mehr als 850 Polizisten und etwa 970 Zivilisten bei Vorfällen getötet, die mit dem Taliban-Aufstand in Zusammenhang stehen. Es habe in diesem Zeitraum mehr als 130 Selbstmordanschläge gegeben. Allein in den vergangenen drei Tagen seien 25 Polizisten getötet worden, davon 16 bei einem Rebellenangriff in der südlichen Provinz Kandahar am Samstag. Einer AFP-Zählung zufolge kamen in diesem Jahr zudem fast 220 ausländische Soldaten in Afghanistan ums Leben.


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