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Chronik Afghanistan

Oktober 2007


Montag, 1. Oktober, bis Sonntag, 7. Oktober
  • Die USA wollen die Verantwortlichen für Selbstmordattentate und Bombenanschläge zu Rechenschaft ziehen, so wurden Bilder von zwölf Qaida-Terroristen und Taliban-Kämpfern im Ost-Afghanistan aufgehängt und hohe Belohnungen ausgesetzt. Die Streitkräfte zahlen zwischen 20.000 Dollar (14.100 Euro) und 200.000 Dollar (141.000 Euro). (1. Oktober)
  • Im 2007 wurden bereits 5086 Getötete in Afghanistan von der Nachrichtenagentur AP gezählt, ein Jahr zuvor wurden 4019 Tote in Afghanistan registriert. (3. Okt.)
  • Bei einem Attentat am 5. Okt. auf die deutsche Bundeswehr in Kunduz wurde drei Soldaten verletzt. Nach ersten Angaben der örtlichen Polizei handelte es sich um eine ferngezündete Bombe, die am Straßenrand deponiert war. Am Abend erklärte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos jedoch, es habe sich um einen Selbstmordanschlag gehandelt. "Wir haben Leichenteile gefunden", hieß es. Vermutlich sei ein Sprenggürtel benutzt worden.
  • Am 6. Okt. wurde ein Anschlag auf einem US-Konvoi verübt, dabei sind fünf afghanische Zivilisten und ein US-Soldat ums Leben gekommen. Nach Angaben des afghanischen Innenministeriums war der Attentäter mit einem mit Sprengstoff beladenen Fahrzeug in den Konvoi gerast. Bei dem Anschlag auf der stark befahrenen Straße wurden fünf weitere Zivilisten verletzt. Zwei Militärfahrzeuge und zwei andere Autos seien durch die Explosion schwer beschädigt worden, berichtete die Polizei. Das US-Militär bestätigte den Tod eines Soldaten der Koalitionstruppen. Zu der Tat bekannten sich die radikalislamischen Taliban. In den vergangenen acht Tagen hatte es zwei Selbstmordattentate in Kabul gegeben.
  • Am 7. Okt. sind deutsche Soldaten in Afghanistan angegriffen worden. Im Feldlager der Bundeswehr in Kundus schlugen am Sonntagabend (7. Okt.) vier Raketen ein, wie ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums berichtete. Verletzt wurde niemand, doch schlug eine Rakete im Küchengebäude ein, durchbrach dabei zwei Wände, explodierte aber nicht. Direkt anschließend kam es den Angaben zur Folge zu einem Schusswechsel mit den Angreifern.
Montag, 8. Oktober, bis Sonntag, 14. Oktober
  • Nach wochenlangen Debatten hat sich die Grünen- Fraktion darauf festgelegt, einer Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan im Bundestag mehrheitlich nicht zuzustimmen. Bei einer Probeabstimmung am 9. Okt. votierten nur 15 Abgeordnete mit Ja zum gekoppelten Mandat für die deutsche Beteiligung an der Schutztruppe ISAF und die deutschen Tornado-Luftaufklärer, wie Fraktionschefin Renate Künast in Berlin mitteilte. 26 enthielten sich, 7 stimmten mit Nein. Künast enthielt sich, ihr Co-Vorsitzender Fritz Kuhn will zustimmen.
  • Die drei bei einem Selbstmordanschlag in Afghanistan verletzten deutschen Soldaten liegen seit dem späten Abend im Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz. Wie ein Sprecher des Sanitätsführungskommandos am 9. Okt. in Koblenz sagte, haben sie den Transport gut überstanden. Ein Spezialtransportflugzeug der Luftwaffe hatte die Soldaten nach Deutschland zurückgeflogen. Die Soldaten hätten Splitterverletzungen erlitten, so der Sprecher. Einer der Verletzten war noch in Afghanistan operiert worden.
  • Bei Luftangriffen auf pakistanische Stammesgebiete an der Grenze zu Afghanistan sind erneut mindestens 50 islamistische Rebellen getötet worden. Nach Angaben der Armee wurden etwa genauso viele Aufständische verletzt. Das Militär flog demnach mehrere Angriffe auf Gebiete nahe Mir Ali, der zweitgrößten Stadt der Provinz Nord-Waziristan. Laut Anwohnern waren kurz zuvor hunderte pakistanische Einwohner der Stadt in Nachbarorte geflüchtet. Bei den seit Sonntag (7. Okt.) andauernden Kämpfen zwischen Armee und Rebellen kamen Militärangaben zufolge bisher mindestens 250 Menschen ums Leben, rund 200 Rebellen und knapp 50 Soldaten. In Mir Ali seien mehr als 50 Häuser bei den Kämpfen beschädigt worden, berichteten Einwohner. Pakistanische Truppen riegelten den Angaben zufolge die Stadt ab, über der Hubschrauber kreisten. Verzweifelte Anwohner flehten das Militär über die Lautsprecher von Moscheen an, ihre Häuser nicht zu beschießen, sagte der Stammesälteste Malik Iqbal Khan. Angaben von Anwohnern, nach denen auch mehrere Zivilisten unter den Toten waren, wollte die Armee nicht bestätigen.
    Die Kämpfe waren am Sonntag, den 7. Okt., in der Region Nord-Waziristan ausgebrochen, nachdem Rebellen mehrere Armee-Konvois beschossen hatten. Die pakistanische Luftwaffe flog daraufhin Angriffe auf die Rebellen. "Die Armee kämpft gegen gut ausgebildete Aufständische", sagte Sprecher General Waheed Arshad. Durch Verbindungen nach Afghanistan erhielten die Rebellen Geld und Waffen.
  • Nach fast dreimonatiger Geiselhaft und mehreren fehlgeschlagenen Freilassungsversuchen ist der in Afghanistan entführte deutsche Bauingenieur Rudolf Blechschmidt wieder frei. Er wurde nach Angaben eines afghanischen Gouverneurs am 10. Okt. im Austausch gegen fünf afghanische Gefangene auf freien Fuß gesetzt. Auch Blechschmidts entführte afghanische Begleiter kamen frei. Nach AFP-Informationen wurde die Freilassung vom afghanischen Innenministerium organisiert.
    "Mir geht es gut", sagte der 62-jährige Blechschmidt, der Medienberichten zufolge herzkrank ist, in einem kurzen Telefonat mit "Spiegel Online". "Ich bin froh, dass ich nach der langen Zeit endlich freigekommen bin." Das Auswärtige Amt wollte keine näheren Angaben zu den Umständen der Geiselbefreiung machen. Sicherheitskräfte fuhren nach AFP-Informationen am Mittwochmorgen in die Berge in der Provinz Wardak.
    Nach Angaben von Mohammed Naem, dem Gouverneur des Bezirks Dschaghato in der westlich von Kabul gelegenen Provinz Wardak, fand der Gefangenenaustausch im Geheimdienstbüro in der Provinzhauptstadt Maidan Wardak statt. Das Rote Kreuz habe den Rücktransport nach Kabul organisiert. Naem sagte zunächst, die fünf Geiseln seien im Austausch mit fünf inhaftierten Taliban freigelassen worden. Anschließend relativierte er seine Angaben: Die aus der Haft entlassenen Gefangenen seien "keine sehr wichtigen Taliban-Kommandeure", sondern hätten "familiäre Verbindungen mit den Entführern".
    Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios wurden lediglich drei afghanische Gefangene freigelassen. Es handle sich um zwei Komplizen der Entführer sowie den Vater des Anführers, der an der Entführung jedoch nicht beteiligt gewesen sei. Die drei Männer seien im Zusammenhang mit der gescheiterten Freilassung Blechschmidts am 26. September von Sicherheitskräften festgenommen worden.
  • Der FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzende Guido Westerwelle fordert ein erheblich stärkeres Engagement Deutschlands in Afghanistan. Für den Erfolg der Mission sei mehr Geld und mehr Personal erforderlich, sagte Westerwelle der "Berliner Zeitung" vom 10. Okt. Das gelte vor allem für den Aufbau schlagkräftiger Polizeistrukturen. "Der afghanische Staat muss sich Respekt verschaffen können. Das ist die Schlüsselfrage. Und das ist bisher viel zu sehr vernachlässigt worden", sagte der FDP-Politiker. Er werde die Bundesregierung am 12. Okt. im Bundestag zu erheblich größeren Anstrengungen auffordern, sagte Westerwelle. Am 12. Okt. entscheidet das Parlament über die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan.
  • Der Auswärtige Ausschuss des Bundestages hat am 10. Okt. mit großer Mehrheit eine Zustimmung des Parlaments zum neuen Afghanistan-Mandat der Bundeswehr empfohlen. Lediglich die Abgeordneten der Linksfraktion votierten dagegen, teilte die Bundestagsverwaltung mit.
  • Vor der Abstimmung des Bundestags über die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes hat der afghanische Außenminister Rangin Spanta weitere militärische und zivile Hilfe für sein Land gefordert. Ohne die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft und Deutschlands wäre "die Situation hier sehr schlimm", sagte Spanta am 10. Okt. im ZDF. Auch der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, sprach sich für eine Verstärkung der Aufbauhilfe aus. Der deutsche ISAF-Stabschef Bruno Karsdorf klagte über fehlende Unterstützung der Bundeswehr-Mission in der Öffentlichkeit.
  • Angesichts der aufwändigen Kampfeinsätze im Irak und in Afghanistan will US-Verteidigungsminister Robert Gates die Vergrößerung der US-Streitkräfte beschleunigen. Die Vergrößerung der Armee um 65.000 auf 574.000 Soldaten solle bereits im Jahr 2010 abgeschlossen sein, sagte Verteidigungsstaatssekretär David Chu am 10. Okt. in Washington. Gates hatte ursprünglich das Jahr 2012 als Ziel genannt. Chu räumte ein, dass die Vergrößerung wegen der sinkenden Bereitschaft junger US-Bürger zum freiwilligen Armeeeintritt erschwert werde. Deshalb wolle die Armee verstärkt versuchen, Soldaten nach Ablauf ihrer Dienstzeit zum Verbleib zu bewegen.
  • Nach dem Ende des Geiseldramas um den Deutschen Rudolf Blechschmidt in Afghanistan hat die Regierung von Präsident Hamid Karsai bestritten, im Gegenzug mehrere Gefangene freigelassen zu haben. Man habe keine Taliban-Kämpfer und keine Terroristen entlassen und kein Lösegeld gezahlt, sagte ein Präsidentensprecher am 11. Okt. Er dementierte damit entsprechende Angaben aus Sicherheitskreisen.
  • Der aus Geiselhaft in Afghanistan freigekommene deutsche Bauingenieur Rudolf Blechschmidt hat vor seiner Freilassung laut einem Radiosender schwere Vorwürfe gegen die afghanische Polizei erhoben. In einem von Antenne Bayern aufgezeichneten Telefonat mit seiner Familie sagte Blechschmidt nach Angaben des Senders, die afghanische Polizei habe ihn seinen Entführern übergeben. Dies berichtete auch ein frei gekommener Afghane in Kabul. "Die Polizei unseres eigenen Landes übergab uns den Taliban", sagte dieser Mann. Antenne Bayern hatte das Telefonat zwischen Blechschmidt und seiner Familie nach eigenen Angaben am 8. Okt. aufgezeichnet. "Um eine sich andeutende Übergabe nicht zu gefährden, wurde das Gespräch aber zunächst nicht veröffentlicht", teilte der Sender mit. Blechschmidt berichtete demnach, die Polizisten, die ihn und seine Kollegen Mitte Juli beim Besuch eines Staudamms zum Schutz begleiteten, hätten die eintreffenden Taliban erwartet und begrüßt. "Das war eine abgesprochene Sache", sagte Blechschmidt. Die Polizei habe den Entführern vorher Bescheid gegeben, dass die Ingenieure dorthin fahren würden.
    Der zusammen mit Blechschmidt entführte Afghane berichtete, die afghanischen Polizisten hätten bei der Geiselnahme nichts gegen die Taliban unternommen. "Ich sagte der Polizei: 'Die Taliban kommen'. Aber sie taten nichts", sagte der Mann, der aus Furcht vor Racheakten anonym bleiben wollte. "Ich nahm ein Gewehr, aber einer der Polizisten schlug mir auf die Hand uns sagte: 'Hier sind zwischen 50 und 100 Taliban. Warum machst du das?'"
  • Die Afghanistanschutztruppe Isaf sieht sich ohne Verstärkungen nicht in der Lage, landesweit Sicherheit herzustellen. Unmittelbar vor der Bundestagsabstimmung über das Isaf-Mandat am 12. Okt. mahnte der Stabschef der Nato-geführten Truppe, der deutsche Generalmajor Bruno Kasdorf, im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Ausgabe vom 11. Okt.): "Wir brauchen mit Sicherheit wesentlich mehr Manöverkräfte, wir brauchen Lufttransport, wir brauchen weitere Aufklärungskräfte. Wir brauchen vor allen Dingen auch deutlich mehr Ausbildungsteams." Mit den derzeitigen 40.000 Soldaten bei Isaf "sind wir tatsächlich nicht in der Lage, landesweit Sicherheit herzustellen". Der General sieht eine bedrohliche Spanne von drei bis vier Jahren, bis die afghanischen Streitkräfte soweit sind, die Personallücken bei Isaf aufzufüllen. "Diese Zeitspanne ist natürlich auch mit Risiken behaftet: Hat die Bevölkerung hier in Afghanistan die Geduld?" Aber auch in Deutschland forderte Kasdorf mehr Unterstützung ein. "Wichtig ist, dass wir die Rückendeckung zu Hause haben und dass wir uns darauf einstellen, dass das eine längere Geschichte wird, die nicht von einem Jahr auf das andere erledigt wird. Wir müssen den Durchhaltewillen haben." Die jüngsten Angriffe auf Bundeswehrkräfte legt nach Einschätzung Kasdorfs nahe, dass die Taliban Einfluss auf die deutsche Innenpolitik nehmen wollen. "Wir haben sehr starke Indikatoren, dass sie genau wissen, was in unseren Heimatländern zur Zeit läuft."
  • Mehr als die Hälfte aller Deutschen lehnt einer Umfrage zufolge eine Verlängerung der Afghanistan-Mandate der Bundeswehr ab. 61 Prozent der Befragten hätten sich gegen den Einsatz ausgesprochen, teilte das Meinungsforschungsinstitut OmniQuest am 11. Okt. mit. 29 Prozent seien dafür. Auch andere Auslandseinsätze der Bundeswehr in Krisenregionen stoßen laut der Umfrage bei den Deutschen auf Ablehnung.
  • Die US-Marineinfanteristen wollen ihre Einheiten aus dem Irak abziehen und ihren Einsatz auf Afghanistan konzentrieren. Diesen Vorschlag hätten die Marines in der vergangenen Woche US-Verteidigungsminister Robert Gates unterbreitet, berichtete die Tageszeitung "New York Times" am 11. Okt. unter Berufung auf Armeevertreter und Mitarbeiter des Pentagons. Mit der Entsendung der 25.000 Marineinfanteristen nach Afghanistan würde sich die Struktur der US-Truppen in dem Land grundlegend ändern. Unter den derzeit 26.000 dort stationierten US-Soldaten sind bislang keine Angehörigen der Marineinfanterie. Dieser Plan würde die Marines zur "dominierenden amerikanischen Kraft in Afghanistan" machen, schrieb die "New York Times". Dabei solle aber der Kampf gegen den Terrorismus und die Suche nach El-Kaida-Chef Osama bin Laden weiter in den Händen von speziellen Einsatzkräften bleiben, die bereits vor Ort seien. Der Einsatz der US-Armee im Irak ginge dann gänzlich in die Hände des Heeres über. Derzeit sind im Irak rund 160.000 US-Soldaten stationiert. Nach Berichten der "New York Times" hat das Pentagon noch nicht über den Vorschlag der US-Marines entschieden.
  • Vor der Bundestagsabstimmung über den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan ist dort zum dritten Mal innerhalb weniger Tage ein Anschlag auf deutsche Soldaten verübt worden. Am Abend des 10. Okt. wurde das Feldlager im nordafghanischen Faisabad mit zwei Panzerfaust-Granaten beschossen. Dies teilte das Verteidigungsministerium am 1q1. Okt. auf Anfrage mit. Ein Sprecher bestätigte eine entsprechende Meldung des ZDF und sagte, die Granaten hätten das Lager verfehlt. Es habe keine Verletzten und keine sonstigen Schäden gegeben. Die Identität der Angreifer sei unbekannt.
    Erst am Abend des 7. Okt. war das deutsche Feldlager im nordafghanischen Kundus mit vier Raketen beschossen worden. Eines der Geschosse durchschlug das Küchengebäude, ohne jedoch zu explodieren. Am vergangenen Freitag (5. Okt.) wurden bei einem Selbstmordanschlag in Kundus drei deutsche Soldaten verletzt, einer davon schwer.
  • Der Bundestag hat das Bundeswehr-Mandat für die Afghanistan-Schutztruppe ISAF verlängert, das nun auch die umstrittenen Tornado-Aufklärungsflüge umfasst. 454 von 581 Abgeordneten stimmten am 12. Okt. in Berlin für den entsprechenden Antrag der Bundesregierung, 79 votierten dagegen und 48 Parlamentarier enthielten sich der Stimme. Das Mandat unterstützten fast geschlossen Union, SPD und FDP. Die Linksfraktion hatte sich klar gegen den Einsatz ausgesprochen, die Grünen wollten vor allem wegen der Kritik an den Tornados ihre Zustimmung mehrheitlich verweigern.
    Hier geht es zur Bundestagsdebatte
    und hier zum namentlichen Abstimmungsergebnis.
  • Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, hat der internationalen Staatengemeinschaft vorgeworfen, zu wenig für den Polizei-Aufbau in Afghanistan zu tun und die Polizei in Afghanistan unter unzumutbaren Bedingungen arbeiten zu lassen. In einem Interview mit der "Leipziger Volkszeitung" (Ausgabe vom 13. Okt.) sagte Freiberg: "Die internationale Gemeinschaft tut insgesamt zu wenig. Polizisten sind nicht der Rettungsanker in einem Guerillakrieg." Erst wenn die Lage militärisch befriedet sei, könne ein Staatsaufbau stattfinden mit Justiz und Polizei. "Wenn nur Leute gesucht werden, die gut zielen können, ist die Polizei der falsche Ansprechpartner." Die deutsche Polizei habe große Anstrengungen unternommen, Polizisten in Afghanistan auszubilden, meinte der GdP-Chef. "Um ihre Familien überhaupt ernähren zu können, treten sie dann aber mit ihrer Ausbildung in den Dienst wesentlich besser bezahlender Warlords und Rauschgiftbarone. Sich für ein Polizistengehalt von rund 70 Euro im Monat in die Luft sprengen zu lassen, ist ein bisschen viel verlangt." Das könne man aber nicht Deutschland und nicht den deutschen Polizeiausbildern anlasten.
  • Bei einer Bombenexplosion in der südafghanischen Provinz Helmand sind vier Polizisten getötet worden. Sechs weitere Polizisten und ein Zivilist seien bei der Explosion am Vorbend (12. Okt.) in der Stadt Gereschk verletzt worden, teilten die US-geführten Koalitionstruppen am 13. Okt. mit. Hunderte Menschen seien zum Zeitpunkt des Anschlags auf der Straße gewesen, um das Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan zu feiern. Seit Jahresbeginn sind in Afghanistan bei Kämpfen und Anschlägen mehr als 5.000 Menschen ums Leben gekommen.
  • Ein Selbstmordattentäter hat in Afghanistan am 13. Okt. mindestens sieben Menschen mit in den Tod gerissen und 29 weitere verletzt. Der Anschlag ereignete sich am Tag des Fastenbrechens zum Abschluss des muslimischen Fastenmonats Ramadan in der Stadt Spin Boldak in der Südprovinz Kandahar und fiel mit einem Kurzbesuch des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai in der Provinzhauptstadt zusammen, wie Polizeichef Sajed Aka Safed der Nachrichtenagentur AFP sagte. Der Attentäter habe es offenbar auf zwei mit Polizisten besetzten Kleintransporter abgesehen gehabt, die in einer belebten Straße geparkt hätten. Unter den Toten seien zwei Polizisten und fünf Zivilisten. Zunächst bekannte sich niemand zu der Tat.
  • Der frühere deutsche Außenminister Fischer (Grüne) soll eine führene Rolle für den Wiederaufbau Afghanistans übernehmen. Das hat der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag Ruprecht Polenz (CDU) vorgeschlagen. "Was Tony Blair für den Nahen Osten ist, sollte Joschka Fischer für Afghanistan werden", sagte Polenz der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Ausgabe vom 13. Okt.) . Die an der Befriedung und am Wiederaufbau Afghanistans beteiligten Länder suchten derzeit einen Sonderbeauftragten, der Einfluss hat. "Für den Fall, dass es ein solches Amt geben wird, wäre Fischer die richtige Wahl", sagte Polenz. "Er hat Erfahrung, Autorität und Zeit." Fischer kenne die Akteure gut, seit er er 2001 die Petersberg-Konferenz ausgerichtet habe. Es gehe nun um eine Aufgabe zusätzlich zum Amt des UN-Sonderbeauftragten für Afghanistan, das bis Jahresende der Grünen-Politker und Fischerfreund Koenigs innehat.
  • Mit Zurückhaltung haben die Grünen auf den Vorschlag des CDU-Außenexperten Ruprecht Polenz reagiert, den früheren Außenminister Joschka Fischer (Grüne) zum Sonderbeauftragten für den Wiederaufbau Afghanistans zu machen. Fischer wäre zwar für ein solch herausgehobenes Amt "sicher eine exzellente Wahl", sagte die Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth, am 13. Okt. der "Netzeitung.de". "Ich zweifle allerdings am Sinn eines zusätzlichen Sonderbeauftragten für Afghanistan", fügte Roth hinzu. "Besser wäre es, die UN-Mission in Afghanistan (UNAMA) mit personellen und finanziellen Ressourcen zu verstärken und mit Joschka Fischer zum zweiten Mal einen starken Grünen an deren Spitze zu setzen."
  • Der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Werner Hoyer, hat den Aufbau der Polizei in Afghanistan als gescheitert bezeichnet. "Die Polizei ist mit der entscheidende Schwachpunkt", sagte Hoyer am 13. Okt. im Deutschlandradio Kultur zum Wiederaufbau in Afghanistan. Dies habe etwas damit zu tun, dass dort mehr Personal nötig sei, mehr Geld in die Hand genommen werden müsse und auch für mehr Nachhaltigkeit gesorgt werden müsse.
  • Die zunehmende Zahl und Dauer der Auslandseinsätze hat erhebliche Auswirkungen auf die psychische Verfassung der Bundeswehrsoldaten. Seit Beginn der Einsätze im Jahr 1996 wurden 1.647 Soldaten wegen psychischer Probleme in Einrichtungen der Bundeswehr behandelt, darunter 700 wegen posttraumatischer Störungen, wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums der Zeitung "Rheinpfalz" (Ausgabe vom 14. Okt.) sagte. Als besonders belastend erweist sich demnach der Dienst in Afghanistan, wo seit 2003 ein Drittel aller psychischen Erkrankungen registriert worden sind: Von diesen 497 Fällen gingen 280 auf traumatische Erlebnisse zurück.
  • Die US-Armee in Afghanistan prüft Vorwürfe, wonach Soldaten bei einem Einsatz in der östlichen Provinz Kunar den Koran verbrannt haben sollen. Der US-Offizier Jason Coughenour sagte am 14. Okt., der Vorfall werde untersucht. Sollte sich herausstellen, dass US-Soldaten den Koran verbrannt haben, würden diese bestraft. Die US-Armee bestätigte eine Razzia in der Region, bei der am 13. Okt. vier Männer festgenommen worden seien. Nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe hatten mehrere hundert Menschen in der Nähe des angeblichen Tatorts im Bezirk Narang demonstriert und stundenlang eine Hauptstraße blockiert.
Montag, 15. Oktober, bis Sonntag, 21. Oktober
  • Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beabsichtigt nach Afghanistan zu reisen, um sich über den Einsatz der Bundeswehr und die Lage vor Ort ein Bild zu machen. Die Reise sei noch nicht konkret terminiert, jedoch bestehe die Absicht, sagte Vizeregierungssprecher Thomas Steg am 15. Okt. in Berlin. Unter anderem die Grünen-Fraktion hatte Merkel vergangene Woche aufgefordert, nach Afghanistan zu reisen, um sich vor Ort einen Eindruck von der Lage zu verschaffen und sich für eine Stabilisierung des Landes einzusetzen. Es sei "die Pflicht der Bundeskanzlerin", sich gegenüber der afghanischen Regierung mit Nachdruck für eine größere Eigenverantwortung einzusetzen sowie den deutschen Helfern für ihr Engagement zu danken, hatte es in einem entsprechenden Antrag geheißen.
  • Bei einem NATO-geführten Luftangriff westlich der afghanischen Hauptstadt Kabul sind nach Polizeiangaben drei Zivilisten getötet worden. Dem Vorfall am 14. Okt. seien Kämpfe zwischen NATO-Sodaten und Taliban-Rebellen vorausgegangen, teilte am 15. Okt. der Polizeichef der zentralen Provinz Wardak, Mohammed Asif Banwal, mit. Dabei seien im Bezirk Dschalris in der Provinz Wardak fünf Taliban und sieben Zivilisten getötet worden. Nach Angaben der NATO-geführten Internationalen Schutztruppe für Afghanistan wurden bei den Kämpfen zwölf ISAF-Soldaten verletzt. Eine ISAF-Sprecherin bestritt allerdings, dass bei dem anschließenden Luftangriff Zivilisten getötet worden seien.
  • Kanadische Soldaten sollen nach dem Willen von Premierminister Stephen Harper zwei Jahre länger in Afghanistan stationiert bleiben als geplant. Harper schlug am 16. Okt. im Parlament in Ottawa eine Verlängerung des Einsatzes von 2009 auf 2011 vor. Kanada dürfe die afghanische Bevölkerung nicht im Stich lassen, sagte Harper. Die Oppositionsparteien sind gegen die Verlängerung und drohten damit, die Minderheitsregierung von Harper zu stürzen, sollten die Truppen nicht bis Februar 2009 aus Afghanistan abgezogen werden. Derzeit sind etwa 2.500 kanadische Soldaten im Rahmen des NATO-geführten Einsatzes in Afghanistan stationiert. 71 kanadische Soldaten sind seit 2002 bei dem Einsatz ums Leben gekommen, davon allein 27 in diesem Jahr.
  • Im Rahmen einer groß angelegten Razzia gegen illegal in Afghanistan arbeitende Sicherheitsfirmen, von denen einige in Verbrechen verwickelt sein sollen, hat die Polizei am 17. Okt. zwei private einheimische Unternehmen geschlossen. Wie der Leiter der Kriminalpolizei, Alischah Paktiawal, am Mittwoch mitteilte, wurden bei den Sicherheitsfirmen Milat und Falcon mit Sitz in der Hauptstadt Kabul 20 Menschen festgenommen sowie mehrere Dutzend Armee- und Polizeiuniformen, Waffen und Handschellen beschlagnahmt. Bereits in der vergangenen Woche waren zwei private Sicherheitsfirmen geschlossen worden, die nicht ordnungsgemäß bei den Behörden gemeldet waren.
  • In Afghanistan befinden sich 240 Insassen des größten Gefängnisses in einem zum Teil offenbar unfreiwilligen Hungerstreik. 80 Streikende hätten Dutzende Mithäftlinge gezwungen, ihre Lippen zuzunähen, und mehr als hundert weitere, sich an ihrer Aktion zu beteiligen, sagte der Chef des Pul-i-Tscharki-Gefängnisses in der Hauptstadt Kabul, Abdul Alam Asmat, am 17. Okt. Der Hungerstreik hatte vor einer Woche begonnen, nachdem 15 Häftlinge wegen verschiedener Straftaten hingerichtet worden waren. Damals hieß es, die Gefangenen protestierten gegen fehlerhafte juristische Prozesse.
Lücke bis 20. Okt. Nacharbeiten!
  • Bei schweren Gefechten im Süden und Osten Afghanistans sind nach Militär- und Regierungsangaben vom 21. Okt. mehr als 50 Taliban-Kämpfer getötet sowie elf Zivilisten verwundet worden. Die Soldaten seien aus der Luft unterstützt worden. 20 Rebellen seien getötet worden. Im Kreuzfeuer seien die elf Zivilisten verletzt worden. Die ISAF bestätigte die zivilen Verletzten und sprach von "rund zwei Dutzend" getöteten Rebellen.
Montag, 22. Oktober, bis Sonntag, 28. Oktober
  • Zur Finanzierung der Militäreinsätze im Kampf gegen den internationalen Terrorismus hat US-Präsident George W. Bush am 22. Okt. beim Kongress die Bewilligung von 196 Milliarden Dollar (138 Milliarden Euro) beantragt. Die Summe liegt deutlich über jenen 141 Milliarden Dollar, die das Weiße Haus in seinem bisherigen Entwurf für das Haushaltsjahr 2008 veranschlagt hatte. Mit dem Geld sollen unter anderem die Einsätze im Irak und in Afghanistan finanziert werden. Sollten die Parlamentarier die Summe bewilligen, würden die Gesamtkosten des sogenannten "Kriegs gegen den Terror" seit 2001 nach Regierungsangaben auf 757 Milliarden Dollar steigen.
  • Die internationale Schutztruppe in Afghanistan hat eine Prüfung des Vorwurfs angekündigt, bei einem NATO-geführten Angriff seien 13 Zivilisten ums Leben gekommen. Nach dem Angriff in der Nähe der Stadt Dschalres in der ostafghanischen Provinz Wardak vom 22. Okt. befragten Angehörige der ISAF Bewohner vor Ort nach möglichen zivilen Opfern, teilte Sprecher Charles Anthony am 23. Okt. mit. Bislang habe die NATO jedoch keine derartigen Hinweise. Die Bombardierung sollte einen Angriff verhindern, den mehr als 50 Aufständische geplant hätten, hieß in einer ISAF-Erklärung.
  • Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hat die deutsche Unterstützung für den Anti-Terror-Kampf der USA in Afghanistan gegen Kritik verteidigt. "Wir werden auch weiterhin Terrorismusbekämpfung in Afghanistan brauchen", sagte Jung am 24. Okt. am Rande des NATO-Verteidigungsministertreffens in der niederländischen Küstenstadt Noordwijk. Er "hoffe und wünsche" deshalb, dass die Sozialdemokraten auf ihrem Parteitag am Wochenende der geplanten Verlängerung des Mandats für die Operation "Enduring Freedom" (OEF) ihre Zustimmung geben würden. In der SPD war zuletzt die Kritik an den Anti-Terror-Aktionen im Rahmen von "Enduring Freedom" gewachsen, vor allem wegen der hohen Zahl der zivilen Opfer.
  • NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer hat sich für eine wechselnde Verantwortung der Bündnispartner in den Krisengebieten im Süden und Osten Afghanistans stark gemacht. "Ich würde gerne eine stärkere Rotation in Afghanistan sehen", sagte De Hoop Scheffer zu Beginn eines NATO-Verteidigungsministertreffens am 24. Okt. im niederländischen Noordwijk.
    Der niederländische Verteidigungsminister Eimert Van Middelkoop rief die Bündnispartner am Rande des informellen Treffens in Noordwijk zu einer "fairen Lastenteilung" auf. In den Niederlanden steht die Verlängerung des Mandats für rund 1500 Soldaten an, die im Süden in schwere Kämpfe verwickelt sind.
    Die Bundesregierung lehnt Einsätze in den umkämpften Gebieten Afghanistans dennoch weiter ab. Bundesverteidigungsminister Jung sagte, es sei ein "großer Fehler", wenn Deutschland seine Verantwortung im Norden Afghanistans nicht mehr wahrnehmen würde. Die Forderung nach immer mehr Soldaten sei nicht "zielführend", unterstrich Jung. Er verwies dabei auf das erhöhte Engagement Deutschlands bei der Ausbildung der afghanischen Streitkräfte. Nach Angaben des Verteidigungsministers wird die Personalstärke der deutschen Ausbildungsteams verdreifacht.
  • Frankreich hat erstmals Ausbildungsteams für den heftig umkämpften Süden Afghanistans zugesagt. Die französische Regierung habe der NATO am 24. Okt. beim Verteidigungsministertreffen im niederländischen Noordwijk rund 50 Ausbilder für die afghanische Armee im Süden des Landes in Aussicht gestellt, hieß es aus dem Umfeld des französischen Verteidigungsministers Hervé Morin. Sie sollen die Niederlande entlasten, die in der Provinz Urusgan 1500 Soldaten stellt. "Frankreich will sein Engagement in Afghanistan zeigen", hieß es.
  • NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer hat Engpässe in Afghanistan eingeräumt. Das Bündnis verfüge derzeit nur über 90 Prozent seiner nötigen Truppenstärke am Hindukusch, sagte De Hoop Scheffer nach vierstündigen Gesprächen der NATO-Verteidigungsminister am 24. Okt. im niederländischen Noordwijk. "Es gibt immer noch Engpässe", sagte der Niederländer. Nach De Hoop Scheffers Angaben sagten bei dem Treffen einige Mitgliedstaaten ein stärkeres Engagement im umkämpften Süden Afghanistans zu. Die USA, Großbritannien und die Niederlande hatten die Bündnispartner zuvor gedrängt, mehr Truppen und Ausrüstung zu stellen. Allerdings bleiben die Zusagen nach Diplomatenangaben hinter den Erwartungen zurück: Ungarn erwägt demnach, 150 Soldaten nach Südafghanistan zu entsenden. Eine offizielle Zusage gebe es aber noch nicht, hieß es in Noordwijk. Zudem hat Frankreich rund 50 Ausbilder für die afghanische Armee in der südafghanischen Provinz Urusgan zugesagt. Sie sollen die Niederlande entlasten, deren 1500 Soldaten dort in zum Teil heftige Gefechte mit den Taliban verwickelt sind. Darüber hinaus verwies De Hoop Scheffer auf die NATO-Truppenstellerkonferenz Anfang November.
  • US-Verteidigungsminister Robert Gates hat sich ernüchtert über die NATO-Diskussionen zu Afghanistan gezeigt. Die Gespräche der Verteidigungsminister im niederländischen Noordwijk seien zwar besser gelaufen als von ihm erhofft, er sei aber dennoch nicht zufrieden, sagte Gates am Abend des 24. Okt. nach dem ersten Tag des Treffens. Gates hatte die NATO zuvor aufgerufen, für die Krisengebiete im Süden und Osten Afghanistans mehr Truppen und Ausrüstung zu stellen. Deutlich positiver äußerte sich Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU): "Es kam heute ein ziemlich klares Signal, dass zusätzliche Truppen zur Verfügung gestellt werden", sagte Jung.
  • Die in weltweiten Einsätzen gebundene NATO verkleinert ihre Krisen-Reaktionstruppe für Terroranschläge und Naturkatastrophen. Die Verteidigungsminister der 26 Mitgliedstaaten verständigten sich am 25. Okt. im niederländischen Seebad Noordwijk, von ursprünglich geplanten 25.000 Elitesoldaten nur noch einen "Kern" sofort einsatzbereit zu halten, wie NATO-Sprecher James Appathurai sagte. Dazu soll eine Reserve kommen. Die genaue Stärke der Truppe sollen die Militärchefs bis zum NATO-Gipfel im April in Bukarest festlegen. Deutschland begrüßt den Schritt. Wie die Bundesrepublik haben viele Bündnisstaaten ihre Truppenstärke in Einsätzen von Afghanistan bis zum Kosovo weitgehend ausgeschöpft.
  • Mit Kundgebungen vor der Tagungsstätte des SPD-Bundesparteitags in Hamburg haben am 26. Okt. Gewerkschaften und Interessenbündnisse ihren politischen Forderungen Nachdruck verliehen. Sie zogen mit Transparenten und Spruchbändern vor das Congress Centrum am Dammtor. Vertreter des Interessenbündnisses Hamburger Forum forderten den Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Ein Transparent zeigte Fotos von angeblich uranverstrahlten Säuglingen mit dem Vorwurf "Sie sind Komplize". Die Friedensbewegung hatte einen Brief an die Delegierten des Parteitags geschrieben, den wir hier dokumentieren: "An die Delegierten ...".
  • Der neue SPD-Vize und Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat auf dem Parteitag in Hamburg die Notwendigkeit des deutschen deutschen Militäreinsatzes in Afghanistan betont. "Wir sind mittendrin in der Aufbauarbeit", sagte Steinmeier am 27. Okt. Trotz der prekären Sicherheitslage gebe es in vielen Regionen spürbare Verbesserungen für die Menschen. Mit Blick auf zahlreiche Besuche führender SPD-Politiker in Kabul sagte er, die SPD habe sich ihre Meinung "nicht in der Sofaecke gebildet". An die Adresse von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gerichtet, fügte Steinmeier hinzu: "Nehmen Sie Afghanistan in Ihren Reiseplan auf." Merkel hat das Land bislang noch nicht besucht.
  • Der SPD-Parteitag in Hamburg hat sich für eine weitere deutsche Beteiligung an der US-geführten Anti-Terror- Operation "Enduring Freedom" ausgesprochen. Eine große Mehrheit der rund 500 Delegierten votierte am 27. Okt. für eine Verlängerung des auslaufenden Bundeswehr-Mandats. Darüber will der Bundestag im November entscheiden.
    Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), hat die Entscheidung des SPD-Parteitags für die Anti-Terror-Operation "Enduring Freedom" (OEF) in Afghanistan als "wichtige Entwicklung" begrüßt. "Es ist entscheidend, dass unsere Soldaten eine möglichst große Mehrheit des Bundestages hinter sich wissen", sagte Polenz dem in Berlin erscheinenden "Tagesspiegel am Sonntag" (28. Okt.). Er fügte hinzu: "Je mehr SPD-Abgeordnete dafür stimmen, umso besser". Das Mandat der Operation Enduring Freedom habe sich beim Kampf gegen Terroristen in Afghanistan bewährt.
  • Bei schweren Gefechten in der südafghanischen Provinz Helmand sind am Wochenende (27./28. Okt.) über 70 Kämpfer der radikal-islamischen Taliban getötet worden. Die Extremisten hatten laut dpa nach Angaben der US-geführten Koalitionstruppen am 27. Okt. eine Patrouille afghanischer und ausländischer Sicherheitskräfte angegriffen. Daraufhin hätten die Bodentruppen Luftunterstützung angefordert, teilte die Koalition mit. Bei dem sechsstündigen Feuergefecht seien dann mehr als 70 Aufständische ums Leben gekommen.
    Auch in der Nachbarprovinz Kandahar wurden nach Angaben der US-Truppen am 27. Okt. "zahlreiche" Taliban-Kämpfer getötet, nachdem sie eine Patrouille angegriffen hatten. Zivile Opfer habe es bei beiden Zwischenfällen nicht gegeben.
    Bei einem Selbstmordanschlag in der Provinz Paktika im Südosten des Landes starben vier afghanische Soldaten und ein Zivilist. Wie der Gouverneur der Provinz mitteilte, zündete der Attentäter seinen Sprengsatz in der Nähe eines Militärstützpunkts. Fünf weitere Menschen seien dabei verletzt worden.
  • Nach NATO-Angaben sind bei jüngsten Luftangriff der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe ISAF entgegen afghanischen Angaben keine Zivilisten getötet worden. Das hätten Untersuchungen des Vorfalls vom vergangenen Montag (22. Okt.) ergeben, teilte die ISAF am 28. Okt. mit. Die NATO-Truppen widersprachen damit Angaben des Vorsitzenden des Provinzrates von Wardak, Hadschi Dschanan, demzufolge auch 13 Zivilisten bei dem ISAF-Angriff auf Rebellen ums Leben gekommen seien, darunter allein elf Mitglieder einer Familie. Diese Vorwürfe seien völlig haltlos, hieß es in der ISAF-Erklärung.
Montag, 29. Oktober, bis Mittwoch, 31. Oktober
  • Bei einem Selbstmordanschlag in der südafghanischen Unruheprovinz Helmand sind am Morgen des 29. Okt. drei Zivilisten ums Leben gekommen. Fünf weitere Menschen, darunter ein Polizist, wurden nach Angaben des Polizeichefs der Provinz, Mohammed Hussain Andiwal, verletzt. Der Anschlag ereignete sich demnach in der Hauptstadt von Helmand, Laschkargah, in der Nähe eines Busbahnhofs für Verbindungen in die Nachbarprovinz Kandahar. Der Selbstmordattentäter sei zu Fuß angekommen und habe sich in der Nähe von Polizei und Zivilisten in die Luft gesprengt. Der Anschlag habe auf einen Polizeikonvoi gezielt.
  • Einheimische Soldaten und NATO-Streitkräfte haben nach Polizeiangaben im Süden Afghanistans mehr als 30 Kämpfer der radikalislamischen Taliban getötet. Die Truppen starteten am 28.Okt. eine Offensive auf ein Taliban-Versteck in der Provinz Urusgan, nachdem sie einen entsprechenden Hinweis erhielten, wie das afghanische Verteidigungsministerium und die Polizei am 29. Okt. mitteilten. Es habe mehrstündige Gefechte gegeben, die gegen Mitternacht beendet gewesen seien. Die NATO habe dabei Luftunterstützung angefordert. Bei der Offensive nahe der Provinzhauptstadt Tirin Kot wurden nach Angaben des Ministeriums rund 25 Taliban verletzt und 13 weitere festgenommen. Auch zwei afghanische Polizisten und ein Soldat seien verletzt worden, sagte ein Polizeisprecher.
  • Die ehemalige Afghanistan-Geisel Rudolf Blechschmidt hat den Angaben der Bundesregierung widersprochen, wonach seine Entführer lokale Kriminelle waren und keine radikal-islamischen Taliban. Der "Stern" berichtet unter Berufung auf Blechschmidt, dass seine Entführer zur selben Gruppe gehört hätten, die auch die Südkoreaner als Geisel genommen hatten. Laut "Spiegel Online" (29. Okt.) sagte Blechschmidt gegenüber Beamten des Bundeskriminalamts (BKA) aus, dass die Entführer sich durchaus als Taliban bezeichnet hätten. Diese Aussage habe mittlerweile im Krisenstab der Bundesregierung auch zu einer vorsichtigen Neubewertung des Falls geführt. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin sagte dagegen, das Ministerium habe an seiner Einschätzung "nichts zurückzunehmen". Zu den Details der Arbeit des Krisenstabes mache das Auswärtige Amt allerdings keine Angaben.
  • Die japanische Armee wird ihren Afghanistan-Einsatz zunächst nicht fortsetzen. Wie Ministerpräsident Yasuo Fukado erklärte, scheiterten Gespräche mit der größten Oppositionspartei, der Demokratischen Partei (DPJ), über eine Verlängerung des Mandats, das zum 1. November ausläuft. Die Versorgung von Kriegsschiffen im Indischen Ozean mit Kraftstoff erfordert vom 1. November (Donnerstag) an einen neuen Parlamentsbeschluss. Die Mission basierte bislang auf einem Sondergesetz zur Anti-Terror-Bekämpfung. Dieses erlaubte den Einsatz der Streitkräfte im Ausland trotz der pazifistischen Verfassung Japans.
  • Nach einer Überproduktion von Opium in Afghanistan droht Zentralasien nun mit Drogen überschwemmt zu werden. "Es gibt einen Überschuss bei der Produktion im Vergleich zum weltweiten Konsum", sagte der Chef der UN-Anti-Drogenbehörde für Europa, West- und Zentralasien (ONUDC), Jean-Luc Lemahieu, am Donnerstag auf einer internationalen Konferenz zum Kampf gegen den Drogenhandel in Kabul. Die Herstellung von Opium sei 2007 in Afghanistan um 34 Prozent angestiegen und habe sich seit 2005 verdoppelt. Nach dem jüngsten ONUDC-Bericht wurden in diesem Jahr rund 8200 Tonnen Opium angebaut. Rund 90 Prozent des weltweit hergestellten Opiums stammen aus Afghanistan, vor allem aus der Grenzregion zu Pakistan und dem Iran.


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