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Chronik Afghanistan

Juli 2005

Freitag, 1. Juli, bis Sonntag, 10. Juli
  • Bei einem neuen Anschlag auf eine Schule in Afghanistan sind im Südosten des Landes zwei Schüler ums Leben gekommen. In einer Schule im Bezirk Kakobi sei am 30. Juni eine Zeitbombe explodiert, sagte der stellvertretende Polizeichef der Provinz Chost, Mohammed Saman, am 1. Juli. Der Sprengsatz sei aus einer alten Rakete und einem Zeitzünder hergestellt gewesen.
  • Nach dem Absturz eines Militärhubschraubers mit 16 Toten (siehe Chronik vom 28. und 30. Juni) sucht die US-Armee in der afghanischen Unruheprovinz Kunar weiter nach vermissten Soldaten. US-Bodentruppen suchten in der Umgebung der Absturzstelle nach den Mitgliedern eines Erkundungstrupps, wie ein Sprecher der US-Armee am 1. Juli sagte. Die Besatzung des abgestürzten Hubschraubers habe ursprünglich die Aufgabe gehabt, den Spähtrupp in der Gegend abzuholen. Bislang seien dessen Mitglieder in der bergigen Waldregion noch nicht gefunden worden. Über die Zahl der Vermissten und die Größe der Suchtrupps könne er "aus Sicherheitsgründen" keine Angaben machen, fügte der Sprecher hinzu.
  • In Afghanistan liefern sich US-Truppen und Kämpfer der radikalislamischen Taliban zunehmend heftige Gefechte. Wie das US-Militär am 2. Juli mitteilte, bombardierten US-Kampfflugzeuge am Vortag Stellungen der Rebellen in der östlichen Unruheprovinz Kunar. Dabei seien Präzisionswaffen eingesetzt worden. Über Opfer der Angriffe machte das US-Militär keine Angaben. Nach Angaben der Provinzbehörden gab es einen Angriff auf das Dorf Chichal. Ein Sprecher der Taliban sagte in einem Telefonat, 25 Zivilisten seien bei den Angriffen getötet worden, unter ihnen Kinder.
  • Mutmaßliche Anhänger der radikalislamischen Taliban haben im Süden Afghanistans einen regierungstreuen moslemischen Geistlichen erschossen. Maulwi Mohammed Musbah von der Partei Kandahar Islamischer Rat wurde am 3. Juli in einem Hinterhalt nahe Kandahar angegriffen, wie ein Polizeisprecher sagte. Er sei wenig später im Krankenhaus des US-Stützpunktes Kandahar seinen schweren Verletzungen erlegen, sagte Ahmed Wali Karsai, der Bruder von Präsident Hamid Karsai, der Nachrichtenagentur AFP.
  • Die tagelange Suche nach einem im Osten Afghanistans vermissten US-Spähtrupp hat nach Informationen des US-Senders CNN einen ersten Erfolg gebracht. Ein Soldat des Trupps sei von der US-Armee gerettet worden, berichtete der Sender am 3. Juli. Das Schicksal drei weiterer Soldaten sei aber derzeit noch ungeklärt.
  • Nach dem Tod der beiden deutschen Soldaten in Afghanistan hat FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt mehr Unterstützung für die Bundeswehr gefordert. Deutschland trage "die Hauptlast am Einsatz der Wiederaufbauteams" in Kundus und Feisabad, schrieb Gerhardt in einem Gastbeitrag der "Bild am Sonntag" am 3. Juli. Mit der Stationierung von Soldaten sei es nicht getan. "Dringend müssen stärkere gemeinsame Anstrengungen für eine politische Lösung unternommen werden", betonte der FDP-Politiker. Gleichzeitig forderte er, "dass unsere Soldaten mit einer besseren Ausrüstung und Ausbildung ins Ausland geschickt werden". Bei einer Explosion im nordafghanischen Rustak waren vor einer Woche neben den beiden Bundeswehrsoldaten sechs afghanische Zivilisten getötet worden. Die Bundesregierung geht von einem Unfall aus.
  • Die US-Armee hat nach afghanischen Angaben bei einem Angriff auf ein Rebellenversteck im Osten Afghanistans mindestens 17 Zivilisten getötet. Unter den Toten seien auch mehrere Frauen und Kinder, sagte der Gouverneur der Provinz Kunar, Assadullah Wafa, am 4. Juli der Nachrichtenagentur AFP. Der Angriff sei auf das Dorf Schischal am vergangenen Freitag (1. Juli) geflogen worden.
  • Zwei in Afghanistan vermisste US- Elitesoldaten sind tot aufgefunden worden. Das bestätigte ein Sprecher des US- Verteidigungsministeriums am 4. Juli in Washington nach US-Medienberichten. Ein Soldat der Viergruppe war am 3. Juli gerettet worden. Nach dem vierten werde gesucht. Die Soldaten waren auf Erkundungsmission, als sie in Kämpfe mit Aufständischen verwickelt wurden. In Kunar war es vergangene Woche zu schweren Kämpfen gekommen, bei denen Rebellen einen US-Hubschrauber abschossen. Alle 16 Soldaten an Bord kamen um.
  • Deutsche Elitesoldaten sollen laut "Stern" in Afghanistan jetzt auch gegen Drogenkartelle vorgehen. Dem Magazin zufolge gehören die Soldaten dem Kommando Spezialkräfte an. Der "Stern" zitiert dazu einen Informanten aus dem Umfeld des KSK. Danach lautet der Befehl, die Drahtzieher der Drogengeschäfte auszuschalten. Es werde auch Tote unter den deutschen Einsatzkräften geben. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums lehnte am 6. Juli jede Auskunft ab. Er verwies auf den hohen Verschwiegenheitsgrad bei KSK-Einsätzen.
  • Nach Gefechten nahe der afghanischen Grenze hat die pakistanische Armee sechs Angreifer festgenommen, darunter einen mutmaßlichen ausländischen Kämpfer der Terrornetzwerks El Kaida. Als die Soldaten am Abend des 6. Juli versucht hätten, ein Auto an einem Kontrollpunkt in der Unruheregion Nord-Waziristan zu stoppen, hätten die Insassen das Feuer eröffnet, sagte ein Armeesprecher am 7. Juli. Die Soldaten hätten die flüchtenden Männer in Richtung Grenze verfolgt. Bei einer Schießerei sei ein Soldat getötet worden. Im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan halten sich zahlreiche Anhänger der El Kaida und Mitglieder der entmachteten afghanischen Taliban-Miliz versteckt.
  • Die radikalislamischen Taliban haben nach eigenen Angaben einen in Afghanistan vermissten US-Soldaten getötet. Der Elitesoldat habe sich in der Gefangenschaft der Extremisten befunden und sei am Morgen des 9. Juli in der Provinz Kunar getötet worden, meldete die in Pakistan ansässige Nachrichtenagentur Afghan Islamic Press unter Berufung auf Taliban-Sprecher Mullah Abdul Latif Hakimi. Die Angaben konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden. Hakimi hatte schon häufiger falsche Meldungen über Auseinandersetzungen zwischen den Taliban und der US-geführten Koalition verbreitet.
  • Die Bundesregierung will das Bundeswehr-Kontingent in Afghanistan um bis zu 800 Soldaten aufstocken und das Einsatzgebiet der Soldaten ausweiten. Künftig sollen bis zu 3.000 deutsche Soldaten im Rahmen der internationalen Friedensmission ISAF den Wiederaufbau in fast allen Regionen Afghanistans unterstützen, wie das Nachrichtenmagazin "Spiegel" unter Berufung auf einen vertraulichen Bericht des Verteidigungsministeriums am 9. Juli berichtet. Bisher ist die Bundeswehr mit etwa 2200 Soldaten in Afghanistan und in Usbekistan im Einsatz, von wo aus die Soldaten in das Nachbarland eingeflogen werden.
  • Mutmaßliche Rebellen haben am 10. Juli zwei Raketen auf die afghanische Hauptstadt Kabul abgefeuert. Wie Augenzeugen berichteten, wurden Gebäude beschädigt; verletzt wurde niemand. Das erste Geschoss schlug nahe der US-Botschaft und dem Hauptquartier der NATO-geführten Schutztruppe für Afghanistan (ISAF) ein. Die zweite Rakete ging in der Nähe des am nordöstlichen Stadtrand gelegenen Flughafens nieder. Dort ist auch ein Kontingent der Bundeswehr stationiert.
  • Die radikalislamischen Taliban haben in der südafghanischen Provinz Helmand sechs afghanische Soldaten geköpft. Das sagte ein hochrangiger Kommandeur am 10. Juli. Die Soldaten waren am 8. Juli bei einem Überfall auf einen Armeekonvoi von Rebellen verschleppt worden. Laut Taliban-Sprecher Abdul Latif Hakimi hätten die Rebellen in der ostafghanischen Provinz Kunar auch einen US-Soldaten enthauptet. Das US-Militär vermisst ein Mitglied einer Spezialeinheit in Kunar. Beweise lieferten die Taliban nicht.
  • Ein Konvoi mit Bundeswehr-Soldaten ist nahe der afghanischen Hauptstadt Kabul angegriffen worden. Niemand sei verletzt worden, meldete die Internationale Schutztruppe ISAF am 10. Juli. Die Fahrzeuge der deutschen Soldaten seien am 8. Juli im Distrikt Sarobi rund 70 Kilometer östlich von Kabul beschossen worden. Die Truppen hätten das Feuer erwidert. Zunächst bekannte sich niemand zu dem Angriff. Ende Juni waren bei der Explosion von Munition im Norden Afghanistans zwei Bundeswehr-Soldaten getötet worden.
Montag, 11. Juli, bis Sonntag, 17. Juli
  • Die USA wollen zur Verstärkung ihrer Truppen in Afghanistan bis zu 700 weitere Soldaten an den Hindukusch entsenden. Wie der US-Militärsprecher James Yonts am 11. Juli in Kabul mitteilte, soll "sehr bald" ein Luftlandebataillon zu den 18.000 unter US-Kommando stehenden Soldaten in Afghanistan hinzustoßen. Ein solches Bataillon umfasst 500 bis 700 Soldaten. Einen Termin nannte Yonts nicht.
  • Aus dem schwer gesicherten US-Gefangenenlager Bagram in Afghanistan sind am 11. Juli erstmals Häftlinge ausgebrochen. Nach der Flucht im Morgengrauen leitete die US-Armee eine Großfahndung mit Bodentruppen und Helikoptern ein, wie US-Militärsprecher Jerry O'Hara in Kabul mitteilte. Bei den Entflohenen handle es sich um "gefährliche feindliche Kämpfer"; genauere Angaben zu den vier Entwischten und zu den Umständen ihrer Flucht wollte O'Hara nicht machen. Er bestätigte, dass es sich um den ersten Ausbruch aus dem Gefangenenlager am Luftwaffenstützpunkt Bagram handelt.
  • Bei den Parlamentswahlen in Afghanistan werden fast 6.000 Kandidaten antreten, darunter sind mehr als zehn Prozent Frauen. Die endgültige Bewerberliste verzeichne 5.805 Namen, teilte der Vorsitzende der Wahlkommission, Bismilla Bismil, am 12. Juli in Kabul mit. 17 Bewerber seien nicht zur Wahl zugelassen worden, davon seien elf mit der Begründung abgelehnt worden, Kontakte zu bewaffneten Gruppen zu unterhalten. Den Angaben zufolge treten 2.778 Bewerber für die Wolesi Dschirga, das afghanische Parlament, an. Die übrigen Kandidaten bewerben sich um einen Sitz in den Provinzparlamenten.
  • Bei schweren Zusammenstoessen in der suedafghanischen Provinz Sabul sind nach Angaben der US-Streitkraefte mindestens 17 Kaempfer der radikalislamischen Taliban getoetet worden. Bei der zweitaegigen Operation seien sechs Rebellen gefangen genommen sowie Munition und Waffen sichergestellt worden, hiess es am 13. Juli.
  • Zum vierten Mal innerhalb weniger Wochen haben Taliban in Afghanistan einen regierungstreuen Geistlichen ermordet. Zwei Angreifer hätten Maulawi Saleh Mohammed nach dem Morgengebet von einem Motrorrad aus erschossen, sagte ein Sprecher der Gouverneurs der südafghanischen Provinz Helmand, wo sich am 13. Juli der Vorfall ereignete. Mohammed war der Vorsitzende des Religionsrats von Helmand und Chef einer regierungstreuen islamischen Partei. Vor sechs Wochen hatte mit dem ersten Mord an einem regierungstreuen Kleriker eine Welle der Gewalt begonnen, der nun bereits der vierte Geistliche zum Opfer gefallen ist.
  • Australien will erneut Truppen nach Afghanistan entsenden. Premierminister John Howard kündigte am 13. Juli an, im Vorfeld der für September geplanten Parlamentswahlen in Afghanistan rund 150 Soldaten in das Land zu schicken, um den wieder erstarkenden Rebellen Einhalt zu gebieten. Afghanistan müsse sich zunehmender Angriffe der Taliban und auch des Terrornetzwerks El Kaida erwehren, sagte Howard in Canberra. Die "USA und andere und die Regierung Afghanistan" hätten Australien um Hilfe gebeten. Die Soldaten würden voraussichtlich für rund ein Jahr in Afghanistan stationiert.
  • Einer der mutmaßlichen Selbstmordattentäter von London soll nach Angaben eines Bekannten regelmäßig zu militärischer Ausbildung nach Afghanistan und Pakistan gereist sein. Mohammed Sidique Khan sei dorthin gefahren, "um ein Kämpfer zu werden, um mit Waffen, Sprengstoffen und militärischer Disziplin umgehen zu lernen", zitierte der britische BBC-Rundfunk am 14. Juli einen anonymen Bekannten. Khans Äußerungen seien bisweilen "ein bisschen bizarr und extrem" gewesen. Der Bekannte betonte, er habe Khan daher für "einen Spinner" gehalten. Dieser sei "sehr unzufrieden" mit der Situation von Moslems weltweit und mit der US-Außenpolitik gewesen.
  • Demoskopisches
    Die Unterstützung für den Terroristenführer Osama bin Laden ist in einigen islamischen Ländern in den vergangenen zwei Jahren zurückgegangen. Wie aus einer am 14. Juli veröffentlichten Studie des Washingtoner Pew Institute hervorgeht, genießt Bin Laden in Marokko die Zustimmung von 26 Prozent der Bevölkerung gegenüber 49 Prozent vor zwei Jahren. In Indonesien, dem bevölkerungsreichsten moslemischen Staat, sagten 35 Prozent der Befragten, sie hätten Vertrauen zu Bin Laden. 2003 waren es noch 58 Prozent. In Jordanien und Pakistan hingegen nahm die Zustimmung für den Chef des Terrornetzwerkes El Kaida zu: In Jordanien stieg sie binnen zwei Jahren von 55 auf 60 Prozent und in Pakistan von 45 auf 51 Prozent.
  • Die Bundeswehr will laut einem Zeitungsbericht mit ihrem Kommando Spezialkräfte (KSK) in Afghanistan stärker Jagd auf islamistische Terroristen und Drogenbosse machen. Deutsche Sicherheitsbehörden riefen deshalb intern zu besonderer Aufmerksamkeit wegen möglicher Terroranschläge auf, berichtet die Zeitung "Die Welt" (Ausgabe vom 15. Juli) unter Berufung auf einen Bericht des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ) in Berlin.
  • US-Soldaten haben von Afghanistan aus 24 Rebellen auf pakistanischem Boden erschossen. Die Leichen der Aufständischen seien in der Unruheprovinz Nordwasiristan gefunden worden, nachdem US-Soldaten auf sie gefeuert hätten, teilte das pakistanische Militär am 15. Juli mit. Pakistan werde eine Untersuchung einleiten, ob die Truppen den Luftraum oder das Staatsgebiet Pakistans verletzt hätten. Laut einem US-Armeesprecher erwiderten die Soldaten das Feuer, nachdem die Aufständischen einen US-Stützpunkt mit Raketen beschossen hatten. Zu möglichen Opfern wollte er sich nicht äußern.
  • Kanada will in den kommenden Monaten rund 2.000 Soldaten und Spezialtruppen nach Afghanistan schicken. Vorrangiges Ziel der Mission sei die Bekämpfung von islamistischen Taliban-Rebellen und Anhängern der Terrororganisation El Kaida, erklärten kanadische Militärvertreter am 15. Juli. Ein erstes Kontingent von 250 Soldaten soll den Angaben zufolge bereits Ende des Monats im Süden Afghanistans stationiert werden. Diese sollen den örtlichen Behörden beim Wiederaufbau der vom Bürgerkrieg zerstörten Gebiete helfen. Noch vor den Parlamentswahlen im September sollen 700 weitere Soldaten nach Kabul entsandt werden, um die Sicherheit bei dem Urnengang zu gewährleisten.
  • Die pakistanische Armee hat bei stundenlangen Gefechten im Grenzgebiet zu Afghanistan nach eigenen Angaben 17 zumeist ausländische Extremisten getötet. Soldaten und Extremisten hätten sich in der Nacht nahe der Stadt Miranshah in der Stammesregion Nord-Waziristan sechs Stunden lang heftige Feuergefechte gefliefert, sagte Generalmajor Shaukat Sultan am 17. Juli. Dabei sei auch ein pakistanischer Soldat ums Leben gekommen. Fünf Menschen seien festgenommen worden.
  • Eine Menschenrechtsgruppe hat die Strafverfolgung von afghanischen Regierungsbeamten und Kommandeuren gefordert, die in Menschenrechtsverbrechen verwickelt gewesen sein sollen. Sowohl afghanische Regierung als auch die internationale Gemeinschaft müssten mehr unternehmen, um die mutmaßlichen Kriegsverbrecher vor Gericht zu bringen, erklärte das "Projekt Gerechtigkeit in Afghanistan" am 17. Juli in seinem Bericht über dokumentierte Kriegsverbrechen in dem Land zwischen 1978 und 2001. So seien unter den Kandidaten für die für September geplante Parlamentswahl "Personen, gegen die glaubwürdige Beweise für die Verantwortung von Kriegsverbrechen" vorlägen.
Montag, 18. Juli, bis Sonntag, 24. Juli
  • Wegen Folter und Geiselnahme hat ein Londoner Gericht am 19. Juli einen afghanischen Kriegsherren zu 20 Jahren Haft verurteilt. Fariadi Sarwar Sardad habe die "grundlegendsten Menschenrechte" verletzt, begründete der Richter das hohe Strafmaß. Als Herrscher über ein kleines Gebiet in der Nähe der afghanischen Hauptstadt Kabul habe der heute Anfang 40-Jährige "echte Macht" besessen und sei persönlich an Folter und Geiselnahmen beteiligt gewesen. Das Urteil gegen den Afghanen ist das erste gegen einen Ausländer in Großbritannien wegen einer im Ausland begangenen Tat. Möglich wurde es durch den Beitritt Londons zur internationalen Anti-Folter-Konvention. Sardad soll seine Gefängnisstrafe in Großbritannien absitzen.
  • Der britische Premierminister Tony Blair und der afghanische Präsident Hamid Karsai haben sich nach den Terroranschlägen von London für ein Vorgehen gegen extremistisch ausgerichtete Koranschulen in Pakistan ausgesprochen. Gegen Einrichtungen, in denen extremistische Inhalte gelehrt würden, müsse vorgegangen werden, sagte Blair am 19. Juli nach einem Treffen mit Karsai in London. "Wir arbeiten in dieser Frage bereits mit der pakistanischen Regierung zusammen." So manche würden an den Schulen eine extremistische Unterweisung empfangen und zu dem Schluss gelangen, ein "göttliches Gesetz" anzuwenden, indem sie Unschuldige töteten.
  • Das US-Verteidigungsministerium hat die Entlassung von acht Häftlingen aus dem US-Gefangenenlager Guantánamo bestätigt. Einer der Häftlinge sei nach Sudan zurückgeschickt worden, zwei nach Afghanistan, drei nach Saudi-Arabien und einer nach Jordanien. Ein achter Häftling sei an Spanien ausgeliefert worden, erklärte das Pentagon am 20. Juli. Die spanische Justiz wirft dem Marokkaner Lahcen Ikassrien alias Scheich Hassan vor, Mitglied der spanischen El-Kaida-Zelle zu sein, die an der Planung der Terroranschläge vom 11. September 2001 beteiligt gewesen sein soll. Er wurde nach offiziellen Angaben am Montag den spanischen Behörden übergeben. Das saudiarabische Innenministerium bestätigte am Mittwoch die Ankunft der drei Saudi-Araber aus Guantánamo.
  • Mutmaßliche Taliban-Kämpfer haben im Süden von Afghanistan einen Richter, einen Regierungsbeamten und einen Polizisten getötet. Im Bezirk Pandschwaji in der Provinz Kandahar erschossen zwei bewaffnete Männer am 23. Juli einen Bezirksrichter, der gerade auf dem Weg zum Morgengebet in einer Moschee war, wie Bezirksgouverneur Nias Mohammed Sarhadi mitteilte. Kandahar liegt etwa 500 Kilometer südlich der Hauptstadt Kabul.
Montag, 25. Juli, bis Sonntag, 31. Juli
  • Bei einem mutmaßlichen Bombenanschlag in der afghanischen Hauptstadt Kabul sind zwei Polizisten und ein Zivilist verletzt worden. Zu der Explosion kam es, als ein Fahrzeug der Vereinten Nationen vorbeifuhr, sagten Augenzeugen. Der UN-Kleinbus sei beschädigt worden. (dpa, 25. Juli)
  • Bei einer Offensive von afghanischen und US-Truppen sind im Süden Afghanistans mindestens 40 Taliban-Rebellen getötet worden. Bei den Gefechten in der Nacht zum 26. Juli seien auch zwei afghanische Soldaten ums Leben gekommen, sagte der Gouverneur der südafghanischen Provinz Kandahar, Jan Mohammed Chan, der Nachrichtenagentur AFP. Im Laufe der Offensive seien mehr als 25 Menschen festgenommen worden. In Afghanistan haben sich die Kämpfe zwischen Rebellen und Armee in den vergangenen Wochen verschärft. Im September wird in dem Land ein neues Parlament gewählt.
  • Die USA können ihre Militärbasis in Kirgisien weiter nutzen. Der Luftwaffenstützpunkt Manas bleibe so lange bestehen wie es die Lage im Nachbarland Afghanistan verlange, sagte Kirgisiens Verteidigungsminister Ismail Isakow am 26. Juli nach einem Treffen mit seinem US-Kollegen Donald Rumsfeld in Bischkek. Kirgisien und Usbekistan hatten vor kurzem in einer gemeinsamen Erklärung eine Frist für den Verbleib der US-Basen in ihren Ländern gefordert. Die beiden Staaten hatten den Stützpunkten im Vorfeld der US-Invasion in Afghanistan im Oktober 2001 zugestimmt.
  • Acht Wochen vor der geplanten Parlamentswahl in Afghanistan hat das EU-Wahlbeobachterteam vor Ort seine Arbeit aufgenommen. Unter Leitung der früheren EU-Kommissarin Emma Bonino trafen am 26. Juli die ersten Mitglieder der hundertköpfigen Delegation in der afghanischen Hauptstadt Kabul ein. Nach Boninos Angaben soll ein Kernteam von Kabul aus die Mission leiten, während 60 Delegationsmitglieder zur Beobachtung in die Provinzen entsandt werden. Zunächst würden sie den Wahlkampf und die Vorbereitungen für die Abstimmung kontrollieren und darüber einen Bericht anfertigen.
  • Bei einer Bruchlandung in Afghanistan ist ein US-Kampfhubschrauber in Flammen aufgegangen. Alle 31 Soldaten an Bord überstanden den Zwischenfall im Südosten des Landes unversehrt, wie eine US-Armeesprecherin am 28.Juli sagte. Die Bruchlandung nahe der Grenzstadt Spin Boldak am Abend des 27. Juli sei nicht auf feindlichen Beschuss zurückzuführen. Der Helikopter vom Typ Chinook sollte nach Armeeangaben Soldaten in der Region absetzen, aus der zuvor verstärkte Aktivitäten von mutmaßlichen Taliban-Kämpfern gemeldet wurden.
  • Der Wiederaufbau in Afghanistan wird nach Ansicht des US-Rechnungshofes durch die schlechte Sicherheitslage, eine verstärkte Drogenproduktion und verzögerte Hilfszahlungen behindert. Durch die verschlechterte Situation im Sicherheitsbereich seien weite Teile des Landes für Hilfsorganisationen nicht erreichbar, hieß es in einem am 28. Juli in Washington veröffentlichten Bericht des Gremiums. Im vergangenen Jahr seien die zugesagten Budgets größtenteils erst zur Jahresmitte eingetroffen, weshalb die US-Entwicklungsbehörde (USAID) ihre Bemühungen um den Wiederaufbau habe hinauszögern müssen.
  • Am 31. Juli bestätigte das US-Außenministerium Medienberichte, wonach die US-Botschaft in Taschkent eine diplomatische Note der usbekischen Regierung erhalten habe, in der ihr die Nutzungsrechte für die Luftwaffenbasis Karschi Chanabad im Süden des Landes entzogen wurden. Laut "Washington Post" hat die US-Regierung 180 Tage Zeit, den Stützpunkt zu räumen. Die USA nutzen den Stützpunkt seit Herbst 2001 als Ausgangspunkt für militärische Operationen in Afghanistan.
    Die Beziehungen zwischen Usbekistan und den USA sind gespannt, weil die USA internationalen Untersuchungen der gewaltsamen Niederschlagung von Demonstrationen am 13. Mai gefordret hatten. Damals starben nach amtlichen Angaben 173 Menschen, Beobachter sprachen aber von mindestens 500 Toten.


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