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Chronik Afghanistan

Juni 2005

Mittwoch, 1. Juni, bis Sonntag, 5. Juni
  • Ein Selbstmordattentäter hat sich am 1. Juni in einer Moschee im südafghanischen Kandahar in die Luft gesprengt und nach Angaben des Innenministeriums in Kabul Dutzende Menschen mit in den Tod gerissen - später war von mindestens 20 Toten die Rede. Unter den Toten sei auch der Polizeichef von Kabul, General Akram, berichteten Zeugen und ein Geheimdienstmitarbeiter übereinstimmend. Dutzende weitere Menschen wurden verletzt, wie ein Sprecher des Innenministeriums. Der Anschlag ereignete sich während eines Gottesdienstes für einen moslemischen Geistlichen, den mutmaßliche Taliban-Kämpfer am Wochenende erschossen hatten. Ranghohe Provinzpolitiker befanden sich zum Zeitpunkt des Anschlags in dem Gebäude.
  • Die US-Armee in Afghanistan hat 53 Gefangene frei gelassen. Die Insassen des US-Gefängnisses in Bagram bei Kabul seien am 1. Juni den afghanischen Behörden überstellt und dann freigelassen worden, teilten Sprecher des US-Militärs und der afghanischen Regierung mit. Die Männer waren im Zuge von Razzien verhaftet worden, weil sie Verbindungen zu den radikalislamischen Taliban haben sollen. In dem Gefängnis in Bagram sitzen nach Angaben des US-Militärs noch 420 Verdächtige ein.
  • Die Bundesregierung will den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr offenbar frühzeitiger ausweiten als geplant. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, sagte den "Stuttgarter Nachrichten" (Ausgabe vom 4. Juni): "Es gibt auch angesichts von Neuwahlen keinen Grund, bis Oktober zu warten." Die Ausweitung solle aber in jedem Fall im Konsens mit der Opposition beschlossen werden. Das Afghanistan-Mandat der Bundeswehr, die sich an der internationalen Schutztruppe ISAF beteiligt, läuft am 13. Oktober aus.
  • Bei einem Bombenanschlag im Südosten von Afghanistan sind zwei US-Soldaten ums Leben gekommen. Ein weiterer Soldat und ein afghanischer Übersetzer seien verletzt worden, als der selbstgebaute Sprengsatz am 3. Juni in der Provinz Paktika explodiert sei, teilte die US-Armee am 4. Jauni mit. Das Unruhegebiet grenzt an Pakistan.
  • Die Deutschen müssen sich nach den Worten von Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) darauf einstellen, dass die Bundeswehr an Kriegseinsätzen teilnimmt und dabei auch Soldaten sterben. Die Streitkräfte müssten die "militärischen und technischen Voraussetzungen schaffen, um uns an militärischen Maßnahmen zu beteiligen, wenn die Vereinten Nationen, die NATO oder die EU um Unterstützung dafür bitten", sagte Struck dem Nachrichtenmagazin "Focus", wie am 4. Juni vorab gemeldet wurde. Es sei auch nicht auszuschließen, dass wir bei solchen Einsätzen Soldaten verlieren - "nicht nur durch Unfälle oder Anschläge, sondern durch eine militärische Auseinandersetzung", betonte Struck.
  • Papst Benedikt XVI. hat die Entführer der in Afghanistan verschleppten italienischen Entwicklungshelferin Clementina Cantoni aufgefordert, ihre Geisel freizulassen. In seiner Botschaft im Anschluss an den traditionellen Angelus-Segen auf dem Petersplatz in Rom sagte der Papst am 5. Juni, er schließe sich den Appellen der Präsidenten Italiens und Afghanistans und der Völker beider Länder an und rufe zur Freilassung der Geisel auf. Der afghanische Außenminister Abdullah Abdullah sagte in Kabul, seine Regierung unternehme alles in ihrer Macht stehende, Cantonis Freilassung zu erreichen. Er sei zuversichtlich, dass der Fall auf friedliche Weise gelöst werden könne.
Montag, 6. Juni, bis Sonntag, 12. Juni
  • Der schwere Anschlag auf eine Trauerfeier im Süden Afghanistans in der vergangenen Woche war möglicherweise doch kein Selbstmordattentat. Bei der Explosion am vergangenen Mittwoch (1. Juni) sei unter dem Teppich in der angegriffenen Moschee eine Bombe versteckt gewesen, sagte der Bruder des bei dem Anschlag getöteten Kabuler Polizeichefs Akram Chakraiswal, Mohammed Akbar, am 6. Juni vor Journalisten in Kandahar. Die Taliban-Miliz oder das El-Kaida-Netzwerk hätten mit der Aktion nichts zu tun gehabt. Vielmehr sei der Anschlag "das Werk innerer Feinde" gewesen, betonte Akbar.
  • Ein Bundeswehrfahrzeug vom Typ Dingo 1 ist einem Pressebericht zufolge bei einer Streifenfahrt in der Nähe der afghanischen Hauptstadt Kabul auf eine Mine gefahren und bei der Explosion schwer beschädigt worden. Der Minenunfall ereignete sich am vergangenen Wochenende, berichtete die in Berlin erscheinende Tageszeitung "Die Welt" (Ausgabe vom 8. Juni) unter Berufung auf Bundeswehr-Kreise. Die in dem Fahrzeug sitzenden sechs deutschen Soldaten seien nur wegen des guten Schutzes des Dingo gegen Minen nicht verletzt worden, hieß es.
  • Die in Afghanistan entführte Italienerin Clementina Cantoni ist nach Angaben des afghanischen Außenministers Abdullah Abdullah "gesund und wohlauf". Am Rande einer Konferenz in Den Haag sagte Abdullah am 7. Juni, die afghanischen Behörden seien sich sicher, dass es der Geisel derzeit gut gehe. Die Verhandlungen über die Freilassung der Italienerin gingen weiter. "Ich hoffe, dass sie frei gelassen wird", sagte Abdullah.
  • Bei einem Mörserangriff auf eine US-Militäbasis im Südosten Afghanistans sind am 8. Juni zwei US-Soldaten getötet worden. Acht weitere Amerikaner - Soldaten und Zivilisten - seien verletzt worden, teilte die US-Armee in Kabul mit. Demnach ereignete sich der Angriff auf den Stützpunkt in Schkin nahe der Grenze zu Pakistan, als US-Soldaten einen Versorgungshubschrauber vom Typ CH-47 Chinook entladen wollten. Flugzeuge der US-geführten Koalition hätten versucht, die Attacke zu erwidern, die Angreifer aber nicht ausmachen können.
  • Die vor dreieinhalb Wochen in der afghanischen Hauptstadt Kabul entführte italienische Entwicklungshelferin Clementina Cantoni ist wieder frei. Cantoni "geht es gut und sie ist gesund", sagte der afghanische Innenminister Ali Ahmad Dschalali in Kabul. Die 32-Jährige sei am Abend des 9. Juni freigekommen. Den Geiselnehmern sei "entsprechend der afghanischen Regierungspolitik" kein Lösegeld gezahlt worden. Die italienische Mitarbeiterin der Hilfsorganisation Care International war am 16. Mai von mutmaßlichen Kriminellen entführt worden, die angeblich Bandenmitglieder freipressen wollten.
  • Auf ein Büro der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) im afghanischen Kundus ist am 10. Juni ein Granatenanschlag verübt worden. Bei dem Angriff in der Stadt im Nordosten des Landes sei niemand verletzt worden, sagte der örtliche Polizeichef Mutalib Beg der Nachrichtenagentur AFP. Ein Unbekannter habe eine Granate auf das Gebäude geworfen und sei anschließend entkommen; mehrere in der Nähe geparkte Autos seien beschädigt worden.
  • Ein US-Soldat und sieben Rebellen sind am 10. Juni bei Kämpfen im Südosten Afghanistans ums Leben gekommen. Drei weitere US-Soldaten seien verletzt worden, teilte die US-Armee mit. Nach seinen Angaben hatten die Aufständischen eine gemeinsame Patrouille von afghanischen und US-Truppen in einen Hinterhalt gelockt und das Feuer eröffnet. Die Koalitionstruppen hätten mit Luftangriffen und Artilleriefeuer auf den Angriff in der Nähe von Lawara reagiert. Die Rebellen seien daraufhin geflohen, hieß es in der Erklärung weiter.
  • Drei Monate vor der geplanten Parlamentswahl in Afghanistan hat die Regierung eine landesweite Enwaffnungskampgane gestartet. Ziel der Aktion sei es, Waffen und Sprengstoff von bewaffneten Gruppen einzusammeln, die "außerhalb der Militärstruktur der Regierung stehen", sagte Vizepräsident Mohammed Karim Chalili am 11. Juni in Kabul. Nach Angaben des Vizedirektors der Entwaffnungskommission, Mohammed Mahsom Staniksai, gibt es in Afghanistan derzeit 1.200 bis 1.800 derartige bewaffnete Gruppen; diese Gruppen hätten in der Regel jeweils 100 bis 300 Mitglieder.
Montag, 13. Juni, bis Sonntag, 19. Juni
  • Bei einem Bombenanschlag auf einen US-Militärkonvoi in Afghanistan sind am 13. Juni mindestens vier Soldaten verletzt worden. Die Einheit sei auf Patrouille in der südlichen Stadt Kandahar unterwegs gewesen, als ein selbstgebauter Sprengsatz neben ihr explodiert sei, sagte eine Armeesprecherin. Die vier Verwundeten seien zum Flughafen der Stadt gebracht worden. Bereits in der vergangenen Woche waren mehrere US-Soldaten in Afghanistan Anschlägen zum Opfer gefallen: Am 10. Juni wurde ein US-Soldat in einem Hinterhalt getötet; am 8. Juni waren zwei US-Mitarbeiter bei einem Granatenangriff auf eine US-Basis ums Leben gekommen.
  • Großbritannien wird seine Truppenstärke im Irak nach Aussage eines führenden Militärs im kommenden Jahr reduzieren und stattdessen mehr Soldaten nach Afghanistan schicken. Nach der für Ende des Jahres geplanten Parlamentswahl im Irak werde Großbritannien nur noch mit einigen Bataillonen im Irak vertreten sein, sagte Generalleutnant Glenn Torpy dem "Daily Telegraph" vom 14. Juni. Die derzeit tausend Soldaten in Afghanistan dagegen würden wahrscheinlich erhebliche Verstärkung bekommen, da geplant sei, dass die britischen Truppen auch in gefährlicheren Regionen des Landes gegen die radikalislamischen Taliban-Kämpfer und den Opiumhandel vorgehen sollen.
  • Sieben mutmaßliche Taliban-Rebellen sind bei Kämpfen mit der afghanischen Armee im Südosten des Landes ums Leben gekommen. Zehn Aufständische und vier afghanische Soldaten seien bei den Militäreinsätzen am 14. Juni in den Bezirken Dara e Noor und Mianescheen verletzt worden, teilte ein Militärsprecher am 15. Juni mit. Mehrere Verdächtige seien festgenommen worden. An dem Einsatz zum Auffinden von Rebellen im Grenzgebiet zu Pakistan waren dem afghanischen Militärsprecher zufolge auch Soldaten der US-geführten Truppen beteiligt; dies wurde von der US-Armee jedoch zunächst nicht bestätigt.
  • Verteidigungsminister Peter Struck will die Zahl der Soldaten in Afghanistan von jetzt 2.250 auf 3.000 aufstocken. Ein Ministeriumssprecher bestätigte am 15. Juni einen Bericht der "Mitteldeutschen Zeitung". Bislang war nur von einer Erhöhung auf 2.500 Soldaten die Rede. Struck will nun den Bundestag bitten, bei der Abstimmung über die Verlängerung des Afghanistan-Mandats im Herbst zugleich die Zahl der Soldaten auf 3.000 zu erhöhen. Militärs hatten das angeregt, um mehr Spielraum für den Wechsel der Kontingente zu haben.
  • Die NATO will vor der für Mitte September geplanten Parlamentswahl in Afghanistan ihre Schutztruppe ISAF um 2000 Soldaten verstärken. Die Soldaten aus Rumänien, Spanien und den Niederlanden würden Anfang Juli in Kabul eintreffen, sagte ISAF-Sprecherin Karen Tissot Van Patot am 16. Juni vor Journalisten in der afghanischen Hauptstadt. Zudem würden kleinere Kontingente aus Italien, Österreich und den USA nach Kabul, Masar-i-Scharif und Herat entsandt.
  • El-Kaida-Anführer Osama bin Laden und Taliban-Chef Mullah Mohammed Omar sind nach US-Angaben nicht in Afghanistan. Dies sagte der Botschafter der Vereinigten Staaten in Afghanistan, Zalmay Khalilzad, am 16. Juni in Kabul. Bin Laden, Mullah Omar und andere Anführer von El Kaida und der Taliban werden im schwer zugänglichen Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan vermutet.
  • Die sieben führenden Industrienationen und Russland (G8) haben eine Erhöhung ihrer Finanzhilfen für den Kampf gegen den Drogenanbau in Afghanistan beschlossen. Das teilte der britische Innenminister Charles Clarke am 16. Juni mit, ohne Zahlen zu nennen. Alle seien sich einig, dass es für die Bekämpfung des Drogenanbaus und die Produktion von Opium in Afghanistan mehr Ressourcen geben müsse, sagte Clarke am Ende des ersten Tages des Treffens der G-8-Innen- und Justizminister im englischen Sheffield.
  • Die US-Luftwaffe hat nach eigenen Angaben bei einem Angriff im Süden Afghanistans bis zu 20 mutmaßliche Taliban getötet. Kampfjets und Hubschrauber hätten in der Provinz Helmand zwischen 15 und 20 Kämpfer getötet, teilte die US-Armee am 19. Juni in Kabul mit. Zuvor hätten die mutmaßlichen Taliban eine US-Armeepatrouille mit Mörsergranaten und leichten Waffen angegriffen. Bei dem Einsatz sei kein Soldat der US-geführten Truppen verletzt worden, hieß es in der Erklärung weiter.
Montag, 20. Juni, bis Sonntag, 26. Juni
  • Bei neuen Kämpfen in Afghanistan sind am 20. Juni mindestens 14 Menschen getötet worden. Elf mutmaßliche Taliban wurden bei einem Angriff auf ein Behördengebäude in der Stadt Wascher in der Südprovinz Helmand getötet, wie ein Sprecher des Gouverneurs sagte. Bei dem Angriff kamen demnach auch der Bezirkschef Mohammed Wali und ein Polizist ums Leben. In der Provinz Sabul im Nordosten des Landes wurden ein Polizist getötet und zwei weitere Polizisten verletzt, als Unbekannte eine Straßensperre bei Scha Dschoj ziwschen Kabul und Kandahar angriffen. Nach Angaben des Provinzpolizeichefs wurden sieben mutmaßliche Taliban getötet, allerdings wurden keine Leichen gefunden.
  • Bei schweren Gefechten in Afghanistan haben US-Soldaten und einheimische Truppen etwa 40 Rebellen getötet. Elf Stunden lang hätten sich beide Seiten im Distrikt Deh Dschopan in der Provinz Sabul am 21. Juni heftige Kämpfe geliefert, teilte die US-Armee am 22. Juni mit. Die Soldaten seien aus der Luft von US-Kriegsflugzeugen und Helikoptern unterstützt worden. Begonnen habe die Schlacht, als Rebellen die Soldaten mit Feuerwaffen und Granaten angegriffen hätten. Ein afghanischer Polizist sei getötet worden, fünf US-Soldaten verletzt.
  • In einer der größten Offensiven seit dem Sturz des Taliban-Regimes in Afghanistan haben US-Soldaten und einheimische Truppen nach eigenen Angaben mindestens einhundert Taliban-Kämpfer getötet. Nach Ende der zweitägigen Schlacht in Südafghanistan am 21. und 22. Juni hätten die afghanischen Truppen bereits 76 Leichen von Taliban-Kämpfern gezählt, und es seien zahlreiche weitere Tote zu erwarten, sagte der Polizeichef der Provinz Kandahar, Ajub Salangi, am 23. Juni der Nachrichtenagentur AFP. Bei den Kämpfen seien auch drei afghanische Polizisten ums Leben gekommen.
  • Die Vereinigten Staaten haben nach Angaben eines UN-Mitarbeiters erstmals die Folter einzelner Gefangener in Afghanistan, im Irak und im Militärstützpunkt Guantánamo auf Kuba eingeräumt. Die USA hätten dem Anti-Folter-Ausschuss der UNO einen vertraulichen Bericht vorgelegt, sagte der Mitarbeiter, der selbst für das Gremium arbeitet, am 24. Juni. Darin werde erklärt, dass Gefangene nur in Einzelfällen schlecht behandelt oder gefoltert worden seien. Dabei habe es laut US-Angaben aber kein System gegeben; die Verantwortlichen würden bestraft.
  • Die Außenminister der acht führenden Industriestaaten haben Afghanistan am 23. Juni eine dauerhafte Unterstützung beim Wiederaufbau und beim Kampf gegen den Drogenhandel zugesagt. "Wir haben uns neu verpflichtet, dem afghanischen Volk beizustehen", sagte der britische Außenminister Jack Straw auf der G-8-Konferenz der Außenamtschefs in London.
  • Nach Großbritannien und den Niederlanden kündigte auch Spanien an, weitere 500 Soldaten nach Afghanistan zu entsenden. Verteidigungsminister Jose Bono sagte am 23. Juni in Madrid, die 90-tägige Mission werde im Juli beginnen und koste den Steuerzahler etwa 26 Millionen Euro. Bislang sind fast 300 spanische Soldaten in Afghanistan stationiert. Bono forderte die NATO auf, ihr Mandat in Afghanistan auf die Bekämpfung des Opiumanbaus und die Zerstörung von Heroin-Werkstätten auszuweiten.
  • Südlich von Kabul drangen bewaffnete Männer in eine Grundschule für Mädchen ein und steckten sie in Brand. Nach Angaben des Polizeichefs der Provinz Logar vom 23. Juni wurde die aus einem kleinen Gebäude und einem Zelt bestehende Schule zerstört. Zwei Wachposten seien bei dem Überfall am Abend des 21. Juni gefesselt und geschlagen worden.
  • Nach dem Willen der Bundesländer soll schnellstmöglich mit der Rückführung afghanischer Flüchtlinge begonnen werden. Das sieht ein Beschluss der Innenministerkonferenz vor, wie Baden-Württembergs Ressortchef Heribert Rech (CDU) am 24. Juni nach einem Treffen mit seinen Kollegen in Stuttgart mitteilte. Zunächst sollen allein stehende Männer, die noch keine sechs Jahre in Deutschland leben, sowie Straftäter und Personen, von denen eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik ausgeht, in ihr Heimatland zurückkehren. Afghanische Flüchtlinge, die sich mit dem Stichtag 24. Juni seit mindestens sechs Jahren in Deutschland aufhalten und einer Arbeit nachgehen sowie über 65-Jährige, deren Angehörige in Deutschland leben, sollen demnach vorerst bleiben können. Weitere Ausnahmen sollen den Innenministern zufolge in Härtefällen für Auszubildende, Familien mit Kindern und Alleinerziehende gelten.
  • Die Vereinten Nationen sind über die Sicherheitslage in Afghanistan besorgt. In den vergangenen drei Monaten habe es eine "negative Entwicklung" gegeben, sagte der Sondergesandte von UN-Generalsekretär Kofi Annan, Jean Arnault, am 24. Juni in New York. Sowohl die Zahl als auch die Schwere der Vorfälle sei in mehreren Provinzen gestiegen. "Die Lage ist besonders Besorgnis erregend in den südlichen Provinzen und in den Paschtunen-Regionen an der Grenze zu Pakistan."
  • Bei der Explosion zweier mit Waffen und Munition beladener Lastwagen sind im Nordosten Afghanistans zwei Bundeswehrsoldaten und fünf afghanische Zivilisten ums Leben gekommen. Durch die Druckwelle seien drei weitere deutsche Soldaten und ein afghanischer Übersetzer verletzt worden, teilte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos mit. Auslöser der Explosionen auf einem Flugfeld in Rustak in der Provinz Tachar war nach Polizeiangaben ein in einem der Fahrzeuge entstandener Funke. Die Explosionen ereigneten sich den Angaben zufolge am 26. Juni beim Verladen von Munition und Waffen auf angemietete Zivilfahrzeuge. Nach Angaben des Einsatzführungskommandos in Potsdam wurden auch die Angehörigen der Soldaten inzwischen verständigt. Die Verletzten seien zunächst im Lager des Regionalen Wiederaufbauteams (PRT) in Kundus behandelt worden. Zwei von ihnen sollen zur weiteren medizinischen Behandlung nach Deutschland ausgeflogen werden. Rustak liegt rund 100 Kilometer nordöstlich von Kundus.
    Nach dem Tod zweier Bundeswehrsoldaten bei einer Explosion im Norden Afghanistans ist die Ursache noch immer unklar. Die Bundeswehr spricht zwar von einem Unfall, die Internationale Schutztruppe ISAF will aber auch einen Angriff nicht ausschließen, hieß es am 26. Juni in Kundus.
Montag, 27. Juni, bis Donnerstag, 30. Juni
  • Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) schließt nach derzeitigen Erkenntnissen aus, dass es sich bei der Tötung der zwei Bundeswehrsoldaten im afghanischen Rustak um einen Anschlag gehandelt hat. Nach den Informationen des örtlichen Kommandeurs müsse davon ausgegangen werden, dass die Explosion zweier mit Munition beladener Lastwagen durch einen Unfall verursacht wurde, sagte Struck am 27. Juni. Genauere Erkenntnisse über die Unfallursache würden voraussichtlich Ende der Woche vorliegen.
    Ein vierköpfiges Experten-Team machte sich am 27. Juni auf den Weg nach Afghanistan machen, um den Vorfall zu untersuchen. Ein verletzter Bundeswehrsoldat und ein afghanischer Übersetzer werden am selben Tag in Köln erwartet und sollen von dort aus ins Krankenhaus nach Koblenz verlegt werden.
  • Drei Tage nach dem Tod von zwei Bundeswehrsoldaten bei einer Explosion im nordafghanischen Rustak hat ein vierköpfiges Expertenteam der Bundeswehr am Unglücksort seine Untersuchungen aufgenommen. Die Fachleute unter Führung eines Oberst hätten am 28. Juni ihre Ermittlungen an der weitläufigen Explosionsstelle in der Provinz Tachar begonnen, teilte ein Vertreter des Einsatzführungskommandos in Potsdam mit. Das Team bestehe aus Feuerwerkern und Sprengmeistern. Vermutlich gegen Ende der Woche seien erste Zwischenergebnisse zu erwarten. Für die gesamte Untersuchung gebe es jedoch keine konkrete Zeitvorgabe, betonte das Einsatzführungskommando.
  • In Afghanistan ist nach Militärangaben ein Hubschrauber mit 17 US-Soldaten an Bord abgestürzt. Wie die US-Armee mitteilte, ist unklar, ob es Überlebende gab. Erste Informationen wiesen darauf hin, dass der Absturz des doppelrotorigen Großraumhelikopters vom Typ CH-47 "Chinook" am 28. Juni durch "feindlichen Beschuss" verursacht worden sein könne. Der Hubschrauber befand sich in einem "Anti-Terror-Einsatz", als er westlich von Asadabad abstürzte. Die Hauptstadt der Provinz Kunar liegt rund 15 Kilometer von der pakistanischen Grenze entfernt. Die islamistischen Taliban-Kämpfer erklärten unterdessen, sie hätten den Hubschrauber abgeschossen. Taliban-Sprecher Mullah Abdul Latif Hakimi sagte der Nachrichtenagentur AFP per Satellitentelefon, alle Insassen seien tot.
  • Afghanistan bleibt der mit Abstand größte Opium- Produzent der Welt. Im vergangenen Jahr lieferte das Land rund 87 Prozent des weltweiten Heroinbedarfs. Das steht im Jahresbericht des Wiener UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung. Südostasien konnte dagegen seine Opiatproduktion drastisch drosseln. Sie sank seit 1996 um 78 Prozent. In Südamerika ging die Kokain-Produktion Kolumbiens zurück, in Peru und Bolivien verstärkte sie sich. Diese Länder produzieren 97 Prozent des weltweit verkauften Kokains. (dpa, 29. Juni)
  • Aus Angst vor Anschlägen im Vorfeld der geplanten Parlamentswahl in Afghanistan wollen Pakistan, Afghanistan und die USA die Sicherheitsvorkehrungen in der Region verschärfen. Die Einsätze gegen Taliban-Kämpfer und Anhänger des Terrornetzwerks El Kaida müssten verstärkt werden, um den Erfolg der historischen Wahlen zu ermöglichen, erklärte eine Kommission von Militärs und Diplomaten der drei Staaten am 29. Juni nach einem Treffen in Kabul.
  • Bei Bergungsarbeiten am Wrack des US-Hubschraubers im afghanischen Hindukusch-Gebirge sind nach Angaben der US-Armee am 30.Juni 16 Leichen gefunden worden. Unter den Toten seien auch Mitglieder von Sondereinsatzkräften, sagte US-General James Convoy in Washington. Der Großraumhubschrauber war am 28. Juni in der ostafghanischen Provinz Kunar abgestürzt, möglicherweise durch Beschuss der radikalislamistischen Taliban. Sollte sich bestätigen, dass die Maschine abgeschossen wurde, wäre es der erste derartige Vorfall seit dem Sturz der Taliban Ende 2001.


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